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Sendungen an Lazarette, Etappen und Truppenlager und
in kleineren Paketen an einzelne Krieger verſandt hat und
fortgeſeßt weiter verſendet : „Zu dritt ſigen wir hier in einer
Deckung. Die Freude über die Sendung Können Sie jich
gar nicht denken. Man ſchaut gleich wieder anders in die
Welt, die hier ſo troſtlos, ſchmußig, zerſtört und ſchal er-
ſcheint, wenn der Geiſt ſich am beſten deutſchen Geiſt ein-
mal wieder erfriſcht hat“. Ein Lehrer teilt von der oſt-
preußiſchen Front mit, daß er Reuterleſeſtunden abhalte,
Kriegsberichte vorleſe und die Ereigniſſe an der Hand von
Kriegskarten erläutere und dabei eine dankbare, aufmerk=-
ſame Zuhörerſchaft finde. Ein Obermatrofe iſt außer ſich
vor Freude, daß er Keller, Storm, Ferdinand Meyer und
Raabe für ſeine Kameraden erhalten hat. Der Bedarf an
Büchern iſt aver noch an vielen Stellen fehr groß. Der
Geſellſchaft für Verbreitung von Bolksbildung (Geſchäfts
ſtelle : Berlin NW 52, Lüneburger Straße No. 21) iſt
deswegen die weitere Zuſendung von Büchern und Geld-
mitteln ſehr willkommen.
Beue Jufgaber der Geopgrapizie.*) Nicht nur
die allgemeine Bedeutung der Geographie iſt jezt erheblich
im Preiſe geſtiegen ; vielmehr zeigen ſich bereits auch ſchon
Anſägze, wo der Hebel bei Löſung einzelner Teilaufgaben
des geographiſchen Unterrichts in Zukunft einzuſezen haben
wird.
Da iſt es vor allem die von übermodernen Geographen
ſchon oft totgeſagte politiſche Geographie, deren unverwüſt-
liche Lebenskraft der Krieg, der Umwerter vieler Werie,
aufs neue gezeigt hat. Die realen politiſchen Staatsgevdilde
haben ſich gegenüber den begrifflichen geographiſchen Ein-
heiten als ſtärker erwieſen. Es ſei nur an die Nieder-
lande, an Belgien und die Schweiz erinnert. Der nieder-
ländiſche Zipfel bei Maaſtricht und die Schweizer Eck2 bei
Porrentruy wirken infolge politiſcher Verhältniſſe wie Alpen-
mauern. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, dürfte die ſo
ielfach betoyte „phyſikaliſche Grundlage“ aller geogra-
phiſchen Betrachtung etwas ins Wanken geraten.
In bezug auf Raſje, Religion und Kulturhöhe zeigen
ſich unter den kriegführenden Parteien die allerkraſſeſten
Gegenſäße. Man mache einmal den Verſuch, die „Bölker-
ſchaften“ zu zählen, die nebeneinander und gegen-
einander kämpfen (man vergl. meinen Auffas über „Kriegs-
geographie“ im Geogr. Anz. 1914, H. 11, S. 245). Es
bleibt aiſo nur die eine Tatſache beſtehen : Staat geht gegen
Staat im Umfange des ihm zugewieſenen geographiſchen
Raumes und im Berfolg ſeines ſtaatspolitiſchen Geſamt-
interejſes. Demgemäß werden wir auch in Zukunft unſeren
Geographieunterricht einzurichten haben.
Die zweite dringliche Aufgabe, die uns der Krieg ge-
offenbart hat, iſt die, daß fortan unſer Kolonialbeſiß, unſere
Flotte und das Deutſchtum im Auslande, mit einem Worte
unjere nationalen Ueberſeeintereſſen, noch
weit mehr und gründlicher als bisher gehegt und gepflegt
werden müſſen. Mit einem Wehgefühl im Herzen ge-
denken wir heute unſerer deutſchen Brüder in der Fremde,
die, eingeſponnen in das feindliche Lügenneß ſchändlichſter
Verleumdungen, gleichſam verraten und verkauft ſind. Wir
gedenken aber auch mit freudigem Stolze und für alle
Zeiten der Helden, die in treuer „Pflichterfüllung bis aufs
äußerſte“ auf verlorenem Poſten ausharrten (Tſingtau 1),
oder die ihre deutſche Treue durch ein feuchtes Grab in
den Wellen des Ozeans beſiegelten (Auslandkreuzer !)
Eine Heldentat. Vom weſtlichen Kriegsſchauplaz
berichtet ein Feldgeiſtlicher in einem Briefe über ſolgende
Heldentat eines Kollegen :
Nun will ich hier von einem tapferen jungen Lehrer
erzählen, der als erſter ſeiner rheiniſchen Heimat- und
*) Aus: Geogr. Anzeiger, Zeitſchr. d. Verb. deutſcher Schul-
geographen. Januar 1915.
Dienſtgemeinde das Eiſerne Kreuz erhalten hat. Ein
Ulanenoffizier, eine Ordonnanz, war aus dem Hinterhalt
von vier Engländern überfallen worden. Das ſah der
Lehrer, der mit dem Pferde ſeines erſchoſſenen Hauptmanns,
das er eingefangen, abſeits hielt, um ſich einen Streifſchuß
am Fuße zu verbinden. Seiner Wunde nicht achtend, und
obwohl nur ein Sonntagsreiter, ſchwang er ſich auf das
Pferd, galoppierte fort und ſchlug mit einem franzöſiſchen
Küraiſierpallaſch zwei der Angreifer des ſchon ermatteten
und aus vielen Wunden blutenden Leutnants nieder. Den
dritien machte er durch einen Hieb kampfunfähig, während
der vierte ſich darauf gefangen gab, da er bereits von dem
Offizier beträchtlich verwundet worden war. Micht genug
damit, übernahm der wackere Lehrer nun auch noch das Ueber-
bringen jener Meldung nach einem zwei Kilometer ent-
ſernten kleinen Kommando, kehrte wieder zurück zu ſeinem
Truppenteil und brach hier wegen des ſtarken Blutverluſtes
aus ſeinen Wunden erſchöpft zuſammen. Der Divi-
ſionsgeneral heftete ihm perſönlich das Eiſerne Kreuz an
und verkündigte ihm ſeine Ernennung zum Leutnant. (Ser-
geant war der Lehrer.) Der Brave, deſſen linke Fußſehne
ſteif bleiben wird, muß nach ſeiner Heilung als Kriegsun-
tauglich wieder zu ſeiner Schule entlaſſen werden.
(Weſtpreußiſche Schulzeitung.)
Bückermartkt.
&ulturgeogrophie Deutſchlands und ſeiner Sßvubgebiete. Für
Bolks-, Mittel- und Fortdildungsij<ulen bearbeitet Dr.
O. Schumann, Beigeordnetem und Stadtjichulrat in Elber-
feld. BWerlag von Belhagen & Klaſing, Bielefeld und
Leipzig 1914. 38 Seiten. Preis ?
Ein kleines, anſpruchsloſes Büchlein, das weder neue Ge-
danken, noch neuen Stoff bringt, das aber einen allgemein an-
erkannten pädagogijihen Grundſas durch geſchickte Auswahl
und Anordnung des Stoffes klar Zervortreten lätzt. Dieſer
Grundſaß beſteht, wie es im Vorworte bezeichnet iſt, darin, „daß
der Unterricht n< nicht in Einzelheiten“ und Nebenſächlickeiten
verlieren, ſondern ſich auf das Charakteriſiüſc<he und für die Ge-
genwart Bedeutſame beſchränken ſol.“ Vei dein reichhaltigen
Stoff der meiſien erdkundlichen Lehrbücher beſteht für den Lehrer
die Gefahr, jic) in Einzelheiten zu vertiefen, deren Behandlung
das erdkundliche Denken des Schülers wenig fördert, und die
Hauptjachen wegen Zeitnot übers Kni2g zu breczen. Das vor-
zügliche Lehrbuch von Harms bat ſchon manchen verleitet, in
dieſein Fehler zu verfallen. Die Kulturgeographie von Schumann
gann dem Anfänger ein nüßlicher Ratgeber ſein.
Der 1. Teil, „das Mutterland“, bringt die Volkswirtſchaft
Deutſchlands unter gelegentlichen Vergleichen mit dem Auslande
inter folgender Gliederung zur Daritellung: Landwirtſchaft,
Bergbau, Induſtrie, Handel und Berkehr, Hamdurger Hafen,
Sorge für den Arbeiter, Heer, Kriegsfloite, Deulichtum im Aus-
lande. Der 2., kürzere Teil handeit von den deutſchen Schuüße-
gebieten. Ueberall wird in gedrängter Kürze unter ſfpyarſamer
Berwendung von Zahlengruppen das Tatſächliche geboten, Z. B.
Erzeugung der Rohſtoſſe, ihre Verarbeitung, Ein- und Ausfuhr,
wichtige Märkte und Häfen. Textkarten, Skizzen und Bilder
ſind in dem Buche nicht enthalien. Das Beſtreben, alles mög-
lUchſt knapp auszudrücken, hat bisweilen Ungenauigkeiten und
Unrichtigkeiten zur Folge aehabt. Ieder den Anbau des Weizens
in Deutſchland heißt es: „Weizen wird vorzugsweiſe in Elſaß-
Lothringen und in der oberrheiniſchen Tiefebene angebaut.“
Dieje Angabe mutz in dem Schüler falſche Vorſtellungen er-
wegen. Das bedeutendſte Anbaugebiet des Weizens liegt
zwiſchen Magdeburg und der Weſer; außerdem kommen das
mittlere Schleſien, das Mainbecken, das deutſche Donaubecken,
ein Gebiet links am Unterrhein und das rechte Ufergebiet der
Weichſel in Betracht. Jedenfalls übertreffen dieſe Gebiete die
Anbaufläche des Weizens in Elſaß - Lothringen und der ober-
rheiniſchen Tiefebene bei weitem. Bei der Kartoffel fehlt die
Verwendung zu Branntwein und Stärke. Ob Deutſchland den
„vejten“ Wein erzeugt (S. 3), iſt doch wohl ſehr fraglich. Unter
den Gebieten Deutſchlands, in denen die Pferdezucht als am
ſtärkſten betrieben bezeichnet wird, fehlt 3. B. Hannover. Der
bihnitt Bergbau (S. 5 bis 7) beſchränkt ſich auf die Ge-
winnung von Eiſen, Kohie, Gold und Silber. Ueber die deutſche
Goldgewinnung iſt nichis geſagt worden und zwar mit Recht,
da ſie jährlich nur 100 kg beträgt. Von der deutſchen Silver-
förderung heißt es, ſie „nehme zwar in Europa immer noch die
erſte Stelle ein, ſei aber dennoch unbedeutend.“ Immerhin be-
trägt ſie etwa 180 Tonnen jährlich. Eautweder hätten beide Me-
talle fehlen, oder ſie hätten mit Zahlen belegt werden müſſen.
Auffällig iſt die völlige Außerachtlaſſung ſolcher Metalle, die in