beitsleute, fand er dort nicht mehr vor und auf ſeinen Wunſch
verſchaffte ihm die Polizeibehörde einen Freifſahrſchein nach
Hamburg. Ohne alle Mittel, ohne Legitimationspapiere und
nur mit der Kleidung und der Wäſche verſehen, die er auf dem
Leibe trug, kam er hier an. Eine Arbeitsſtelle zu finden, gelang
ihm natürlich nicht und ſo wandte er ſich jc<ließlich auch hier
an die Polizei. Dieſe verwies ihn an uns. Er erhielt raſch
eine Arbeitsſtelle auf dem Lande, nachdem wir ihm für einige
Tage Obdach und Verpflegung gewährt hatten. Außerdem be-
mühten wir uns, ihm die erforderlichen Legitimationspapiere,
zum mindeſten einen Geburtsſchein zu beſchaffen. Unſer Brief-
wechſel mit den zuſtändigen Stellen in Inſterburg ging aber aus
naheliegenden Gründen ſehr langſam vor ſih Es ergab ſich,
daß man den Namen des Jugendlichen in den Inſterburger Re-
giſtern nicht finden konnte, zunächſt wenigſtens. Es mochte das
daher rühren, daß der Jugendliche einen Namen führt, der auch
im kleinjten Ort mindeſtens einmal, in jeder größeren Stadt
aber unzählige Male vorkommt. Gegen Weihnachten wurde
der Jugendliche von dem Arbeitgeber nach Hamburg zurück-
geſchickt; ohne Legitimationspapiere wollte ihn der Gemeinde-
vorſteher nicht länger im Ort dulden. Wir ließen den Jugend-
lichen jedoch wieder zu dem Arbeitgeber zurückreiſen und ſchrieben
an den Gemeindevorſteher, der ſich dann auch geduldete, bis der
Geburtsſchein beſchafft war, was allerdings erjt Wochen ſpäter
erfolgte.
Akte 4326. Es handelt ſich um 4 Kinder, die in den
Jahre 1903 bis 1909 geboren ſind. Der Bater iſt Beamter einer
weltbekannten Hamburger Firma. 1911 ſtarb ſeine Frau. Der
Mann nahm damals vorübergehend im Intereſſe ſeiner Kinder
unſere Hilfe in Anſpruch. Dann ſtellte der Mann eine Wirt-
fchafterin ein, die ihre Pflichten gegenüber dem Haushalt und
den Kindern ſoweit nötig erfüllte. Gleich nach der Mobilmachung
wurde der Bater zur Fahne einberufen. Er ſteht im Unter-
ofſizierrang und war einige Monate nach der Einberufung in
Bahrenfeld bei der Einübung von Erſattruppen tätig. Gelegent-
lich kam er herein nach Hamburg, und dabei mußte er die Be-
obachtung machen, daß die Wirtſchafterin ihren Pilichten weder
dem Hausſtand noch den Kindern gegenüver nachkam: Die
Kinder wurden ungenügend beaufſichtigt und ſchlecht genährt,
obgleich der Mann das Wirtſchaftsgeld erhöht hatte, wozu er in
der Lage iſt, da er nicht bloß die ſtaatliche Kriegsunterſtüßung
für ſeine Kinder bezieht, ſondern ihm auch feine Firma einen
anſehnlichen Teil ſeines Gehaltes weiter gewährt. Vorhaltungen,
die der Mann der Wirtſchafterin machte, hatten nicht den ge-
wünſchten Erfolg, und es war zu befürchten, daß die Kinder noch
ſchlechter gehalten werden würden, wenn der Yater erſt im Felde
ſei, was ihm für den Januar bevorſtand. Was tun? Es mit
einer neuen Wirtſchafterin zu verſuchen, wäre eine recht gewagte
Sache geweſen, wie nicht weiter dargetan zu werden braucht.
Es wurde ihm daher unjererſeits nahegelegt, ſeine Wohnung zu
ſchließen und die Kinder anderweit unterzubringen. Das tat er
auch. 3 der Kinder kamen, nachdem ſie alle ärztlich unterſucht wor-
den waren, dem Wunſche des Baters entſprechend in unſer Heim,
wo ſie für die Dauer des Krieges bleiben werden, und das
kleinſte Kind brachte der Vater zu Verwandten. So wurde den
Kindern geholfen.
Die Leſer ſehen aus den vorſtehenden Beiſpielen, daß
der Berein ſegensreich gewirkt hat. Ein Gebiet des Jugend-
ſchutzes, an deſſen tatkräftige Inangriffnahme wir wieder-
holt erinnert haben, fehlt allerdings im Bericht gänzlich,
das iſt Schuß der Jugend vor gewerblicher Ausnußung.
Hofſen wir im neuen Jahresberichte zu leſen, daß der
Verein ſich auc<h des Teils unſerer Schuljugend annimmt,
der durch die Früharbeit vor der Schulzeit körperlich und
geiſtig aufs empfindlichſte geſchädigt wird. Dieſen Inter-
eſſen gegenüber hat jede Rückſicht auf die unſere Kinder
ausbeutenden Zeitungsverleger und andere Geſchäftsleute
unbedingt zurückzutreten. Man vergleiche unſere Ausfüh-
rungen in Nr. 40 und 45 des vor. Jahrganges. Motto:
Nicht locker laſſen! Dieſer Schandfleck unſer Großſtadt-
Kultur muß beſeitigt werden, es koſte, was es wolle.
Rundſchau.
Billiger Leſeſtoff für Lazarette und Feldtruppen.
Der Leſeſtoff, der in den Schüengräben und in den Lazaretten
gebraucht wird, muß zweierlei beſondere Eigenſchaften haben.
Erſtens, er muß in möglichſt leichten, ſ<hmalen und hand-
lichen Heftchen gedruckt ſein; denn dicke Wälzer laſſen ſich
nicht in Taſchen oder Torniſtern verſtauen und ermüden
auch die Hand zu ſehr, wenn man im Liegen lieſt. Und
zweitens : er muß billig ſein, damit er ohne viel Bedenken
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nach ſeiner unvermeidlichen raſchen Abnußung als „erledigt“
betrachtet werden kann.
Hierfür ſind die billigen „Sammlungen“, die im leßten
Jahrzehnt entſtanden, wie geſchaffen. Die Wiesbadener
Bolksbücher, Schaffſteins grüne und blaue Bändchen, unſer
„Schaßgräber“ und viele andere Sammlungen liefern billige
und gute Heſte für Groſchen, ja für Pfennige. Aber es
ſind nicht alle Hefte für die Soldaten und für die Zeit
geeignet. Darum braucht, wer Leſeſtoff ſchenken oder
Lazarettbüchereien einrichten will, einen „Führer“, der ihm
angibt: das und das kannſt du unbedenklich nehmen. Einen
ſolchen erſten Führer hat der Stettiner Bibliothekdirektor
Dr. Erwin Ackerknecht in einem Heftchen geſchaffen, daß
dieſer Tage als neueſte Dürerbundflugſchrift unter dem obigen
Titel erſchienen iſt.
Ein kleines Büchlein mit einer guten Geſchichte iſt
leicht jedem Brief oder Paketlein als Extrabeilage zugefügt.
Und es gibt jedesmal, wie viele Feldpoſtbriefe bezeugen,
eine kleine Extrafreude. Hoffentlich trägt unſre Flugſchrift
dazu bei, den leider noch viel zu ſeltenen Brauch zu fördern,
unſre billigen Sammlungen auf dieſe Weiſe für unſre
„varbariſche“ Kultur fruchtbar zu machen.
Der Dürerbund.
Büchermarkt.
Zur Bismarcdſfeier, die wir in unſeren Schulen begehen
werden, fei auf zwei kleine Heftchen hingewieſen, herausge-
geben von der Buchhandlung der Ev. Geſellſchaft in Stuttgart,
Färberſitr. 2: Bi s mark, ein Lebensbild, dem deutſchen Volke
und der deutſchen Jugend erzählt von Paul Schreckenbach, dem
Verfaſſer der lezten Rudelsburger und des Königs von Rothen»-
burg. Das kleine Heſt umfaßt 32 Seiten, die erweiterte Aus-
gabe 56 Seiien. Die Hefte find für die Verteilung an Schüler
beſtimmt; fie jind gut geſchrieben und mit Holzſchnitten verziert.
Die Innenſeiten des Umſchlages bringen eine Auswahl von
Bismarckworten. Das größere Heft Koſtet 40 Pfg., bei Abnahme
von 50 Stück 30 Pfg., das Kleinere 20, bezw. 15 Pfg. Ein
drittes Heft „Unſer Reichs baumeiſter“, vom Dresdener
Lehrerverein, bet Karl Adler in Dresden herausgegeben, koſtet
80 Pfg.; es iſt in Bezug auf Papier, Druck und insbeſondere
hinſichtlich des Bilderſchmucks den vorerwähnten Heften be-
deutend überlegen. Es bietet keine fortlaufende Leben5geſchichte,
jondern Einzelbilder : Ein Sommertag in Kniephof von Ger-
traud Enderlein, Bismarcks5 Eintritt in die Hannovera von Hans
Reichmann, Am 22. September 1862 in Babelsberg von Theodor
Scheffler uſw., dazu eine Auswahl von Bismarckworten, Ge-
dichte von Fontane, Karl Buſſe u. a.
Als Fejtgabe würden wir „Unſern Reichsbaumeiſter“ gern
in der Hand unſerer Schüler ſehen. S-e.
Deutſche Rundſchau für Geographie. Unter Mitwirkung her-
vorragender Fachmänner herausgegeben von Prof. Dr. Hugo
Haſſinger. 137. Jahrgang 1914/15. Heft 6. A. Hartlebens
Verlag in Wien, jährlich 12 Hefte zu 1 Mk. 15 Pf. --
Die Geographie iſt heute die allen unentbehrliche Wiſſen-
ſchaft geworden, ihr gehört der Tag. Die Weltreiche und füh-
renden Kolonialmächte ſtehen im fürchterlichen Kampfe, er greift
auf alle Meere über und dringt in die entlegenſten Winkel des
dunklen Erdteiles. Den weltbewegenden Ereigniſſen Rechnung
tragend, wendet die „Deutſche Rundſchau für Geographie“ in
ihrem laufenden Jahrgange insbeſondere den vom Krieg er-
griſſenen Ländern und Kolonien ihre Aufmerkſamkeit zu. Ein
großer Kreis von gediegenen Mitarbeitern gewährleiſtet die er-
folgreiche Durchführung ihrer Aufgabe.
Aus dem nen des ſechſten Heftes, Februar 1915, vom
137. Jahrgange führen wir die Hauptartikel an:
Alfred Grund. Von Dr. Hans Rudolphi, Leipzig. (Mit
einem Bild.) -- Die Inſel Mljet (Meleda). Von Dr. Milan
Senoa, Yrivatdozent, Agram. (Mit 5 Abbildungen.) -- Geogra-
phiſcher Nachweis eines erdmagnetiſchen und vulkaniſc<en Vor-
gängen gemeinſamen Geſetzes. (Mit einer Karte.) Von Wil-
helm Krebs (Holſteiniſche Wetter- und Sonnenwarte Schnelſen.)
-=“ Ueber archäologiſche Fundkarten im allgemeinen und öſter-
reichiſche Fundkarten im beſonderen. Von Dr. Dswald Menghin,
Wien. -- Reiſen in Dſchimma Kaka. Von Friedrich J. Bieber,
Wien. (Mit 14 Bildern.) -- Rückgang des Litauertums in Oſt-
preußen. Von H. Maukowski, Danzig. = Zur Geſchichte der
Geographie. -- Kleine Mitteilungen aus allen Erdteilen. -- Per-
ſönliches : Franz Moßhammer +. = Vom Büchertiſch. -- Karten-
beilage: Weſtwanderung des magnetiſchen Sees der Nordhalb-
kugel nac Weſten von 1000 bis 1550, nach Fritſche; ſowie der
[ädamerikantſchen Erdbeben von 1876 bis 1906, verglichen mit
Hon bekannten ähnlichen Erſcheinungen.