Full text: Arbeiter-Jugend - 1.1909 (1)

 
 
Sonne. Dieſe führen der Sonne beträchtliche Energie- und damit auch 
Wäarmevorräte zu. Aber das würde natürlich nicht genügen, um die un- 
gehcueren Verluſte zu deen, welche der Sonne beſonders durch die 
Waärmeausſtrahlung erwachſen. Auch die Sonne ſelbſt trägt durch ihre 
Zuſammenziehung dazu bei. Jedes Sonnenteilhen fällt gegen den 
PVeitielpunkt der Sonne und dadurch werden cbenfalls gewaltige Enexrgic- 
mengen frei, die der Sonne zugute fommen. Aber auch das würde 
keinesfalls genügen. Der Sonnenkörper birgt auch noch gewaltige 
Gnergien in den <emiſichen Verbindungen, die ihn ſelbſt zuſammenſeßen. 
Gs iſt befannt, daß unter großen Dru>den und hohen Temperaturen 
demiſche Verbindungen entſtehen, die zu ihrer Bildung ſehr viel größere 
Wärmemengen verbrauchen, al8 die gewöhnlichen <emiſc<en BVerbin- 
Dungen, die wir fennecn. Unter den unvorſtellbar großen Druc>en und 
Temperaturen, die im Sonneninnern herrichen, können Verbindungen 
entſtehen, die in fleinſtem Volumen ſo enorme Wärme- und CEnergic- 
mengen bergen, daß Dynamit und Vikratpulver dagegen Hharmloje 
Körper ſind. Wir wiſſen, daß in den Sonnenprotuberanzen Stoffe mit 
Geſc<hwindigfeiten emporgeſchleudert werden, welche die unſerer ſchnellften 
Geſchoffe um das Taufendfache übertreffen. Dabei iſt die Schwere auf 
der Sonne faſt dreißigmal ſo groß wie bei uns. GS folgt Daraus, daß 
dic Kraft, welche dieſe .Schleuderungen hervorruft, viele millionenmal jo 
groß jein muß wie die unferer Wiunition. 
Die Sonne ſtellt ficß alfo als ein ungeheuere8 Dhynamiimagazin dar, 
da3 durc< den Naum ſauſt, nur daß dieſes Dynamit gegen das unferc 
ven millionenfacher Wirkung iſt. 
Und wie die Sonne nur eincr der unzähligen Sterne iſt, die un3 
das Fernrohr im Weltenraum enthülli, 19 ſchwebt jeder dieſer Sterne 
ebenfalls als ein fürchterliches Gxploſivmagazin im Raume einher, in- 
Deut er Unmengen von Energie vergeudet und in den Raum hinaus ver- 
fireut. Der Sonnenzuſtand erſcheint uns alſo als ein höchſt unökfonvo- 
mijcher Zuſtand der Himmels8körper, und wir müſſen vermuten, daß 
irgendivo anders in der Welt dieſer Verſchwendung geſteuert wird. Denn 
wo jollte dieſc ganze Energiemenge bleiben? Verloren gehen kann ſie 
ja nicht. (Fortſezung folgt.) 
Die Jugenöbiidung auf joyialbemofrafiiGen Sarfeitagen. 
UU. - 
&S eicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume 
vp , ſtoßen ſic) dies Sachen.“ Dies fatale Dichterwort bewahr- 
beitete fim auch im der Frage der Jugendliteratur. Der 
1874 in Koburg gefaßte Beſchluß blieb unaus8geführt. Das8 
lag keineSweg3 allein an der ungenügend erkannten Tatſache, daß 
wic ander3wo, jo auch in der Sozialdemokratie für eine der 
iG<wierigſten Aufgaben im Bereiche der Schriftſtellerei ſo ſc<wer 
die geeigneten Kräfte zu finden waren. 
der Ausführung de3 Planes ebenfall35 hindernd in den Weg. Der 
Kongreß von 1875 galt ausſc<licßlich der langerſehnten Eini- 
gung zwiſchen den gegenſäßlic<en Richtungen der damaligen 
Arbeiterbewegung, den Eiſenachern und Laſſalleanern. Dann 
kamen die Vorbereitungen zu den ReichStag8wahlen von 1877 und 
mit der unverhofft ſ<nellen Ausbreitung der Partei die kaum zu 
bewältigenden YAgitation8aufgaben, die ſich nun einmal auf das 
notwvendigſte beſ<hränfen mußten. Und dann folgte die Kirc<hof8- 
ruhe des AnSnahmezuſtandes8. Gewiß, von den be- 
taubenden Schlägen, die gleich nac Erlaß des Sozialiſtengefſete3 
fielen, erholte fich die Partei bald. Aber die zwölf Jahre des 
Kampfes auf Leben und Tod, unter denen die Sozialdemokratie 
zum Itiejen heranwucs, drängten den Gedanken an cine heſondere 
JZugendorganiſation völlig in den Hintergrund. Daß aber dor 
Gedanke in allem Unwetter lebenskräftig gebrieben war, zeigte 
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fic) gar bald nach dem j<mählichen Fall des Sozialiſtengeſcexc38. 
 
Dem Parteitag zu Erfurt 1891 unterbreiteten die Partei- 
genojjen von Bres8lau und Dortmund den folgenden Antrag: 
„Da die Sozialdemokratie eine ihrer edelſten Aufgaben daiit 
erfüllt, Durch gute, den Volksklaſſen zuzuführende Lektüre die Menſch- 
beit für eine beſſere Zukunft zu erziehen, möge der Kongreß beſchließen, 
den befähigten Mitgliedern der Partei e8 zur Pflicht zu machen, iür 
Augenmerk mehr wie bisher darauf zu richten. daß eine Jugend- 
literatur zuſtande Fommt, welche in unterhaltender Weiſe, dem Wejen 
der Kindheit entſprechend, den Geiſt und das Fühlen der Jugend 
zugunſten des SozialiSmus wedt und bildet. Wir beantragen, die3 
Unternehmen dadurch zu organiſieren, daß eine Kommiſſion ernannt 
wird, welcher die Pflicht obliegt, dafür zu ſorgen, daß nach Möglichkeit 
Literatur in dieſem Sinne geſchaffen, reſp. daß ſolche in anderer 
Sprache erſ<einende Werke in unſere Landesſprache überſeßt und 
dieſe Literatur agitatoriſch der Jugend zugänglich gemacht wird.“ 
114 Arbeiter-JIugend. 
 
Aeußere Umſtände traten 
 
Der Parieitag ſtimmte den Anträgen zu, nachdem der Dele- 
gierte Winkler-Bre8lau zu ſeiner Begründung folgendes au3- 
geführt hatte: 
„Al3 unter Antrag in einer großen Verſammlung ange- 
nommen wurde, ging ein Schrei der Entrüſtung durc 
einen Teil der gegneriſchen Preſſe, wir wollten nicht 
bloß dic Arbeiter, ſondern auch die Kinderherzen ver- 
aiften. Die „Deutſche Schulzeitung“ ſprach auch darüber und 
meinte, das einzige Mittel, dieſem Verjuche entacgenzutreten, ſei 
eine Reviſion der jeßt eingeführten Schulbücher. Sie 
jehen aljo, daß der Antrag ſ<on zinen Zwe gehabt hat; das 
allein würde genügen, den Antrag anzunehmen.“ 
Der Rarteitaag zu Berlin 1892 gab diefem Beſchluß eine 
präziſere Faſſung durch die dem Rarteivorſtand auferlegte Ver- 
pflichtung, die Serau8gabe einer wirkſamen, den Kenntniſſen und 
dem Jaſſung3vermögen der Arbeiterjugend angepaßten Jugend- 
literatur zu beſorgen. | 
Der Wille war da, wie man ſicht, genau fo wie ſc<on achtzehn 
Jahre vorher, aber der Weg war ſchwer gangbar zu machen. Von 
neuem ſcheiterte die Ausführung de8 Beſchluſſes an der Schwierig- 
Leit, die geeigneten Verſonen zu finden. 
Auf dem Varteitag zu Köln 1893 äußerte Auer ſich über 
diele Schwierigkeit mit folgenden Worten: 
„Es iſt vom vorigen NRarteitage beſchloſſen worden, einc 
geeignete Jugendliteratur zu ſchaffen. Wir haben uns redlich 
bemüht, diefen Beſchluß zur Ausführung zu bringen; cs waren 
ſogar ſ<on die Proſpekte gedru>t, das Papier für die erſten 
Probehefte war ſchon gekauft, und ſchließlich hat aus rein perſön- 
lichen Verhältniſſen das Blatt doch nicht erſcheinen können. Wir 
haben im Parteivorſtande das Beſtreben, nur das Beſte zu geben, 
andererſeit3 haben wir tauſend Rücſichten zu nehmen, jeder Be- 
ſchluß in dieſer Beziehung hat Konſequenzen im Gefolge, die uns 
das Beſchließen und Entſcheiden außerordentlich ſ<wer machen. 
Wir tragen dieſe Konfequenzen nicht perſönlich, jondern wir be- 
laſten damit immer die geſamte Partei, und das macht die 
Entſcheidung für un8 viel ſchwerer al3 für jeden beliebigen Privat- 
oder Geſchäft3mann.“ 
Bei dieſer Sachlage mußte denn der von verſchiedenen Seiten 
dem Kölner Parteitage unterbreitete Antrag, „unter allen 
Umſtänden für eine gute Jugendliteratur Sorge zu tragen“, 
unau8geführt bleiben. 
Ein Antrag der Parteigenoſſen von Eſſen, wonach der 
Parteivorſtand bald die Herausgabe einer zwecentſprechenden 
Sugendliteratur bewerfftelligen ſollte, wurde vom WPartiteitage zu 
Hannover 1899 ohne beſondere Erörterung abgelehnt. 
„Gut Ding will Weile haben,“ heißt e8 nun einmal. Erſt 
der Parteitag zu Bremen 1904 trat der Frage der JugendD- 
literatur wieder näher. Im Verlage des VWarteigenoſien Wal - 
fiſch in Dre8den war 1902 eine vortreffliche und wahrhaft 
künſtleriſc< ausgeſtattete Jugendzeitichrift „Dic Hütte“ er- 
iGienen. Leider war das Intereſſe an dieſem Unternehmen jo 
jhwach, daß die Zeitſchrift nach etiva einjährigem Beſtehen ein- 
ging. E83 bleibt aber ein .unboſtreiibares Verdient von Walfiſch, 
daurd) fein opfermütiges8 Beiſpiel von neuem das Intereſſe an dem 
Jugendvroblem gewe>t zu haben. 
Dem BParteitage von Bremen 2904 waren verſchiedene, auf 
vicſe ſchwierige Frage abzielende Anträge unterbreitet worden. 
Von dieſen Anträgen überwies man zwei, die ſich für die Grün- 
dung einer Jugendzeitſchrift erklärten, dem Varteivorſtand zur 
Erwägung. Die Schwierigkeiten de8 Vorhabens8 legte der Leiter 
ver Vorwärt3-Buchdruckerei, Reichöiag8abgeordneter Richard 
Ftſ<er dar, indem er ſagte: „Wer für die Jugend ſ<reibt, muß 
den Stoff vollkommen beherrſchen, er muß die Gabe haben, das 
Weoſentlichſte abgerundet, ſozuſagen vlaſtiſch darſtellen zu können, 
er muß gleichſam in der Jugend aufleben. Wir haben 
auh in der bürgerlichen Welt ſehr wenig gute Jugendſhriften.“ 
Wie ſich weiter die Partei mit den Fragen der Jugendbildung 
beſchäftigt hat, iſt beſonder3 den Leſern dieſcr Zeitſchrift noch in 
friſcheſter Erinnerung und braucht hier nicht dargelegt zu werden. 
An der arbeitenden Jugend ſelbſt liegt es jezt, au8 den von ihren 
Sachwaltern geſchaffenen Bildung8möglichkeiten den nötigſten 
Vorteil zu ziehen. Aber die Beherzigung dieſer Lehre war nicht 
der einzige Zweck unſerer knappen geſchichtlichen Darlegung. Eine 
andere „Moral aus der Geſchichte“ iſt niht minder belangvoll.
	        
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