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Zturm und Drang iſt das Vorrecht der Jugend. Ihr kann Dic
Entwickelung der Dinge nicht ſchnell genug gehen, und ungejtüm
möchte fie den gegebenen Möglichkeiten vorau3eilen. Das joll fie
aiich; dies prächtige Vorrecht will ihr am wenigſten die Sozial-
damokratie rauben. Aber gut iſt es doch, biSweilen zu zeigen,
wie das Leben felbſt für Hinderniſſe jorgt. Das hier behandelte
Kroblem ſtand an die vierzig Jahre zur öffentlichen Disfujſion.
%m guten Willen, für die Jugend das nötige zu tun, hat es, wic
die Karteigeſchichte zeigt, der Sozialdemokratie nie gefehlt. Uno
dennoc< konnte die Partei erſt jeßt zur Ausführung de8 Planes
ſcreiten. Auch dieie Erſcheinung bildet un engen Rahmen cinen
Toitrag zu jener Art von Erkenntni3 der Dinge, die man gemeiin-
bin materialiſtiſche Geſchicht3auffaſſung nennt.
Wilhelm Schröder.
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Eine gewerfichaftlicße Lehrlingsorganiſation.
1.
F3/St 01 ciwa3 mehr al8 einem Jahre hat fich der Verband der
? 5 Sithographen, Steindrucder und ver-
wandten Ber uf e eine Lehrlingsabteilung ange-
alicdert. Mit dieſer Gründung griff er im mancher Beziehung
dein Samburger Gewerkſc<aft3kongreß vor, der ſich mit der Frage
Der Zugendorganiſation beihäftigen jolite.
Der Verband war aber dazu dur die Maßnahmen der Unier-
"ehmerorganijation für das deutſche Steaindru>gewerbe gezwungen
worden. Dieſe ſuchie nach dein Grundſjaß: „eine Hand wäſcht DIC
andere“ ver gelben Schußgarde ihres Gewerbes, dem Unter-
üßungSveren Senefelder, friſce8 Blut zuzuführen, deſen der
IUnterſtüßüung83verein dringend benötiate, um feinen Gründern
nd Machern die „wohlerworbenen Rechte“ auf Invalidenunter-
tüßung zu jichern.
ache nur alte Serren beigetreten: Fakttore, Sverlithographen,
Oberdrucer und ältere Gehilfen, die ihr Heil nict in der An-
onung an die ſtarke Gehilfenorgamſation, fondern in der Licbe-
GNerei gegenüber dem Unternehmertum erblicten. Die Werbe-
naßnahme 'n unter den jüngeren Gehilfen waren troß der regen
Jörder ung durch das Unternehmertum, das kein Mittel unvor-
mncht ließ, feinen gelben Freunden zu velfen, fait voll ſtändig er gcb-
viSlo8 geblieben -- abgefehen von einigen Flementen, für deren
Gewinnung als Veitglieder fich der gewerkichaftliche Verband beo-
dankte. Dieſe Mißerfolge unter den Kerntruppen der Gehilfen-
icaft veranlaßten den gelben Unter ſtüßungsverein zu dein Be-
SLUB, auc4 Lehrlinge als Mitglieder aufzunehmen. Und vonr
Unternehmerverband wurde diejer Beſchluß lebhaft begrüßt. Von
einer 3 Dur<führung vorfprach man ſich auf beiden. Seiten Wunder-
DIe. Die alten Serren des Unterftüßungsvereins hofften durd)
die Jungen Zahler, die in abſehbarer Zeit Anſprüche an die 10:
1idenfaſſe nicht ftellen würden, ihre eigenen Invalidenunter-
in '6ung8an 'prüce zu feſtigen und zu ſichern, und die Unternehnier
Mia ubten, dur< Hilfe der Gelben und durd) deren korrumpierenden
Cinfluß auf die Lehrlinge einen Stamm JUNgerer Gehilfen heran
bilden zu können, der ihnen im Kampf gegen die klaſſenbewußte
v: rbeiterſchaft des Geowerbes3 beſſere Dienſte leiſten könnte als die
alten, aue beruflich au8gebrauchten biSherigen Glieder der gelben
Sd ußtrupve. So ſollte durch die Gewinnung der Lehrlinge
bei den Teilen geholfen werden.
Die Mittel, deren man ſig zur Durchführung de8 Beſchluſſes
? beiden Seiten bediente, waren natürlich nor viel ffrupellofor
015 dice Maßnahmen, die man ZUr Werbung der jüngeren Ge
hilfe njdaft angewandt hatte. Weian nußte die größere Übhängig-
it des Lehrling3 vom Vorgeſetten, Dp. H. alfo vom Faktor, Ober=
lichographen oder Oberdruker uſw., aus, um den jungen Mann
ir den gelben Verein zu gewinnen. Wo dieſe Beeinfluſſung er-
toſglo8 blieb, half der Unternehmer naß. Durch diefen wurden
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(
die Lehrlinge kurzerhand in dic gelbe Schußgarde gepreßt, ob ſie
wollten oder nicht. Die Parole dazu gina von ver Untornehmer-
ocgamſation, dem „Schußverbande deuticher Steimdrucerei-
boſizer“, aus, c an deſſen Spiße der „liberale“ preußiſche Landtags8-
abgeordnete Dr. Hugo Gerſichel ſteht. Etwaigen Proteſten der
jungen Leute oder ihrer Eltern gegen dieſe Preſſung in einen
gelben Verein begegnete der Schußverband einfach dadur<, daß
er die Koſten für die ärztliche Unterſuchung, von der die Aufnahme
111 den Unterſtüßungs8verein abhängt, jowio die Beiträge aus der
eigenen Taſche oder vielmehr au8 der Taſche der ihm ange-
'SGlofſenen Unternehmer bezahlen ließ. Er rechnete eben beſtimmt
darauf, daß ihm dieſe kleinen „Opfer“, die ſchließlich nur einen
winzigen Teil des Profits ausmadten, den au<h die Lehrlinge
I<hon ihrem Lohnherrn erarbeiteten, zur gegebenen Zeit, bei Diffe-
Der gelben Vereinigung waren in der Halipt- -
renzen mit der Taſjenbewußten Gehilfenichaft, goldene Früchte
tragen müßten.
Wie man bei der Preſjung vorging, zeigt folgendes Beiſpiel:
In einer großen Kunſtanſtalt wurde den Lehrlingen befohlen,
am kommenden Tage fauber gewaic<hen und mit einem friſd jen
Hemd ins Geſchäft zu kommen. An dem betreffenden Tage
wurde dann ein Lehrling nac< dem andern in ein Bureauzimmer
dirigiert, wo er von einem Arzt erwartet wurde, der die vor der
Aufnahme in den gelben Unteritiüßungsverein nötige Unter=
juchung vornahm. Wer als einwandfrei in aetundheitlicher Be-
iehun- befunden worden war, wurde durch den Arzt der Gce-
jGaftsleitung genannt, die ihn dann bei der Unterſiüßungs-
vereinigung anmeldete. Das Eintriit3geld und die Beiträge ent-
richtete die Geſhäftsleitung. Der Lehrling war Mitglied einer
Vereinigung geworden, die ihm, wenn er ſie nicht ichon verab-
jGeute, do< völlig gleichgültig war. Pflichten wurden ihm dabei
nicht auferlegt. Cr hatte jich Ichließlich um nichts weiter zu
fümmern, al3 daß er bei jeiner Erfranfung Unterſtüßgung erhielt.
Dieſem Treiben der Gelben und ihrer Schirmherren, Der
Schußverband3unternehmer, durfte die Gehilfenorganiſation nicht
iaienlo38 zuſehen. Wenn auch zweifello3 von den au? die qace-
dilderte Weiſe von den Gelben verhandelten Qehrlingen nur ver
jOGwindend wenige nac Beendigung ihrer Lehrzeit der Unter-
ſtüßungsbvereinigung treu geblieben fein würden, Jo durfte der
Vorband do<H nichts verſäumen, um auch den letzten der gepreßten
Lehrlinge vor dem vergiftenden Einfluß der Gelben zu bewahren.
NViit dem Plane der Organtjierung der Lehrlinge trug fich der
Verband ſ<on lange vorher. Er hätte ihn auc< ohne das Vor-
gehen der Gelben verwirtilicht. Dur< die gegneriic<en Maßnahmen
wurde jedoch die Ausführung des Planes beichleunigi. Die qae-
werkſhaftliche Lehrlingsabteilung wurde ins Leben gerufen, die
alle Soffnung und Wüniche der Unternehmer und ihrer gelben
Schußgarde, die ſie an ihre Gründung gelfnüpft batten, zunichte
machen ſollte TDurch den Hamburger Gewerfihafizfongreß
wurden die Maßnahmen der Organttation der Litkoaraphen,
Steindrucker ujw. anerfannt und anderen Gewerfichaften als
Vanter für ähnliche Einrichtungen empfohlen.
Die Lehrling8abteilung des Verbandes der Lithoarap?
Stomodrucder und verwandter Berto Ve3welr nad) ihrem Si tat
a) allen Lehrlingen während ihrer Lehrzeit in der geiſti
und körperlichen Ausbildung beh ilt 4 zu fein Durd; ia
liche Ausbildungsturfe, wiſien Daf 17 <e B Bolehrung in Kor
und Schrift und Blege der Geielligkoit;
b) die Lehrlinge bei eintrete nder Kranfheit m
] en Cliern re
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Krankengeld zu unterſiüßen ſowie d
hörigen beim wentnellen Ab! eben des Lehrlings eing L
iteuer zu den Gegedont at en zu gelpaßruns
€) Arbeitslofen- und Reiſeunterſtüßung "ofort nac) beendeter
Lehrzeit zu zahlen.
Der Beitrag wurde j0 niedrig wie möogad bemenen Er
beträgt 10 Pf. wöchentlich. Die Mitglieder der Lehr lingsabteilung
ſind in Ortsgruppen vereinigt, die mit der Vorſtands? itiale des
gleihen Orts in enger Fühlung ſtehen. Ein slforer, erfahre
und zum Erzieheramt befähigier Gehilfe, m einer "u ine von
Orten auc deren mehrere, ſind den (Gruppen beigeordnet. Ihre
Leitung lag in der erſten Zeit Tat ausſchlicßlic In deit Hunde
von Lorbendänritalieder 'n oder des Vorſtaindes der Vorbands-
Mit der Entwickelung der orgamnaiorin<en Fäbigletten
itteg aber auch doren Betätigung in der
Die 500 trale <eitu img der Lehrlings-
orfiandes der Wolmiilk-
filiale.
DEr Lehrlings niiglieder
Leitung der Ortsgruppen.
abteilung liegt in den Händen Des Patupiv
or gam! jation.
Zur Erreichung des unter a) genannten 3wos wurden 13
einer Reihe von Orten Fachſchulen eingerichtet, die unter Leitun
tichiiger Fachmänner ſtehen und zur Ergänzung der oft r
Fiimmerlichen und einfeitigen Werk? “attlehre beitragen jollen. c
leitende und lehrende Fachmann tritt den Lernenden nit, mit es
in den meiſten Fällen der anleitende und mit der Lehrlings8aus-
bildung betraute Oberlithograph oder Obeordrucker uv. tut, als
ſtrenger, unnahbaror, unbedingten Gehorjam heiſ<ender Tyrann
entgegen, ſondern er ſucht ihnen ein älterer 3reund und Berater -
zu ſein. Er ſucht die Herzen ſeiner Schüler zu gewinnen, und
er weiß, daß er ſie nicht nur für ſich, ſondern für den großen
Emanzipation8kampf der Arbeiterkleff e gewinnt. Durc< dicle
Jachſchulen, an dercn Stelle an ſolchen Orten, wo ihre Einrichtung
nicht möglich iſt, regelmäßige fachliche Vortragsabend e treten,
jollen die Schäden der gegenwärtigen Lehrlings8züchterei, die in
vielen Fällen weit weniger der Ausbild ung al3 vielmehr der
Ausb eutung des beruflichen Nachwuchſes dient, möglichſt aus-
geglichen und tüchtige Fachleute herangebildet werden, die ſich nach
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