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herbeigeführt werden. Der Gewerbeinſpektor veranlaßte, daß
Arbeiter unter 18 Jahren zu dieſen ſ<weren Arbeiten nicht mehr
verwendet werden. --
DaZ3 ſind bloß Fälle, die zur Kenntnis der Beamten gelangten,
gewiſſermaßen Stichproben, die über die Lage der Lehrlinge und
jugendlichen Arbeiter angeſtellt werden. Mit Stichproben können
nun vielleicht Tatſachen, nachträglich geprüft, aber e8 kann keine
Cinwirkung auf beſtehende Zuſtände erzielt werden. Mit Stich-
proben auf unjerem Gebiete iſt vor allem auch nicht den jungen
Leuten gedient, deren Lage nicht zur Jeſtſtellung gelangte, die-
im der Kontrolle der Gewerbeaufſicht8beamten übergangen worden
ſind. Dic Gewerbcaufſicht8beamten können ja nur einen geringen
Prozentſaß der Betriebe auffuchen und revidieren. Damit aljo
auch auf dem Gebiets des Lehrling38ſchulße3 etwas Ernſtliches ge-
iGieht, müſſen die Beteiligten ſelbſt, die Lehrlinge, die jugend-
lichen Arbeiter, aber auch die erwachſenen Arbeiter, ſich rühren.
Alle Vaißſtände müſſen angezeigt werden, wenn nicht bei der
Gewerbeauffichisbchörde, jo doch bei den Gewerkic<aft3vorſtänden
und Gewerkſchaft8kartellen. Am wirkſamſten aber wird dieſe
Selbſthilfe der Beteiligten geſtaltet werden, wenn
die Gewerkſc<haftskartelle oder die Jugendau8ſchüſſe beſondere
Kommiſſionen zum Schuß der Lehrlinge und jugendlichen Ar-
beiter einſfeßen. Solc<e Jugendſ<hußfommiſſionen exiſtieren ja
bereit3 an vielen Orten, aber die Einrichtung iſt immer noc< nicht
jo allgemein geworden, wie e8 im Intereſſe der Arbeiterjugend
notwendig wäre. Mögen aljo unſere Freunde dafür forgen, daß
berall, wo dieſe Körperſchaften no< nicht vorhanden ſind, folche
unverzüglich eingerichtet werden. Hier liegt eines der aller-
wichtigſten Betätigung8gebiete unſerer Jugendausſchüſfſe, und wie
bitter notwendig dieſc Arbeit iſt, zeigen wieder die diesjährigen
Borichte der Gewerbeaufſichtö3beamten,.
WLE
Was iſt Sozialismus?
Von Guſtav Edſtein.
BD 8 nd e5 iſt doh ein Unſinn, was Du da ſagſt. Die Menſchen
5 a jind nun einmal nicht gleich, und es iſt darum auch ein Un-
" T finn, ſie gleich behandeln zu wollen.“
„Gar ſo ungleich find die Menſchen nicht, wie man immer
Ungleich iſt, wa3 "ie lernen, wie ſie aufwachſen, und de8halb
*) Mit diefem Artikel beginnt eine längere Reihe von leicht ver-
jſtaäandlichen Auffäßen, die in zwangloſer Folge in das Verſtändnis der
Grundlehren und Grundbegriffe des wiſſenſchaftlichen SozialisSmus ein-
führen ſollen.
jagt.
Arbeiter- Jugend.
„und die Reihen in Barmherzigkeit.
ſind auch die erwachſenen Leute fo verſ<ieden. Gib das Kind einer
Gräfin zu einer Arbeiterin und umgckehrt, und kein Menſch wird
es jpaäter bemerten.“
Dieſes Geſpräch börte ich unlängſt, als ich an einem ſchönen
Sonntagvormittag auf einer Bank im Tiergarten ſaß. Zwei
junge Keute waren im eifrigſten Geſpräch die Allee herab.
gefommen und hatten, ohne mid) irgendwie zu beachten, auf der
Bank neben mir Plaß genommen. Sie waren beide nett, aber
einfach gefleivet. Ihre jugendlichen Geſichter, die auf ein Alter
von etwa 16-17 Jahren ſchließen ließen, ſahen intelligent und
durch das Geſpräch angeregt au8. Der Gegenſtand ihres Streites
ichien für beide großes Intereſſe zu beſißen.
„Erinnere Dich nur“, begann jetzt wieder der Kleinere von
den: beiden, der zuleßt geſprochen hatte, „an die Geſchichte, die 11-
längit in der Zeitung ſtand. Da war eine lange Gericht5ver hand-
lung darüber, ob das Kind einer Gräfin micht im Wirklichkeit cin
untergeſchobenes Bauernfind war. Was haben ſie da nicht alles
aus8probiert, um die Wahrheit herauszukfriegen, und zum Schluß
wußte feiner viel mehr als zu Anfang. Und überhaupt, iſt denn
vas ein Grund, warum der eine arm fein joll und der andere
reich? Oft jind voch gerade die geſcheiten Leute arm, und die
dummen find reich. Die di> en ſtarfen Kerls können oft
faulenzen, und unſere Martha 3. B. muß in dic Fabrik gehen,
wenn ſie noch fo ſehr huſtet. Iſt das gere<ht? Muß das ſo ſein?“
Cr Hatte ſich ordentlich im Eifer geredet und jah jetzt faſt zornig
Drein.
„Xa, Ichsn ficht das nicht aus,“ faate der Größere nach eer
furzen Pauſe. „Aber was kann man dagegen machen? C3 ha
immer Reiche und Arme gegeben. Und ich erinnere mich noch jen
gut, wie ich eingeſegnet wurde, jagte auch der Herr Paſtor, daß
Gott es ſo eingerichtet habe, damit die Armen ſich in Demut üben
Wenn keiner mehr den
anderen brauchte, ſagte er, da würden ſich die Menſchen ganz fremd
werden, jeder würde nur für ſich ſorgen. und eigenfüchtig werden.“
„Und Du glaubſt das?“ platzte nun der andere heraus. „Dor
Paſtor hat doch auc< geſagt, daß Gott allgerec<ht und allgütig iſt.
Und da ſoll die ſ<höone Einrichtung von ihm ſein, daß der arme
Tcufel demütig bitten muß, damit der Reiche ſeine Barmbherz11-
keit zeigen kann? Neulich iſt unfere Martha heulend nach Hanſe
acfommen und hat erzählt, daß ſie in der Fabrik, wo fie früher
gearbeitet hat, entlaſſen worden iſt. Na, die Mutter hat ſie ſchön
ausgeſcholten. Zuerſt wollte die Martha gar nicht jagen, was
denn auf einmal geſHhehen war. Endlich kriegte Mutter es aber
doh raus. Der Sohn vom Chef iſt gegen das Mädel frech und
zudringlic< geworden; und wie ſie ſicß nicht mehr anders helfen
konnte, da gab ſie ihm eine Maulſ<elle, daß ces klatſichte. Da hat
er ſie rau8geſchmiſſen.. Und da38 ſoll der liebe Gott jelber jo ar
geordnet haben, daß der lumpigc Kerl mit dem Auto fährt und
meine Schweſter jekt in die <emiſche Fabrik zur Arbeit geb:
Wie ih ein Schreiner wurde.
(Fortſezuz.)
ZU roB feiner Frömmigkeit war mein Meiſter ſehr roh. Noch heute
„? , widert es midh an, wenn ich daran denke, wie brutal er, war er
* einmal ſchlecht gelaunt, ſeine Kinder behandelte. Mitten im Tiſc<h-
aebet oder im Rojenkranzbeten |c<lug er oft mit der Fauſt oder mit
einem Holzſtü> auf die am Tiſch ſtehenden oder knieenden Kleinen lo.
Er ſc<lug zu, wenn eines der Kinder nicht andächtig genug war oder
wenn eimes das Gebet nicht laut genug herleierte. Oft wirkte das nicht
nur abſtoßend, ſondern auch komiſch. So wenn er zum Beiſpiel mitten
in der Gebetsformel: „Gegrüßt ſeiſt Du, Maria, Du biſt voll der
Gnaden!“, plößlich innehielt, auf ein Kind hinſprang und mit den
Worten: „Willſt g' ſcheit beten, Du Bankert!“, roh dazwiſchen haute.
Der fromme Mann war überdies ein ausgemachter Prahlhans.
Er wax Veteran von ſechsundſec<zig und ſiebzig, ſoll aber, wie man
jagte, nicht an den Feind gekommen ſein. Die Kricegserlebniſſe, die er
immer wieder in der gleichen Uebertreibung erzählte, waren mir förm-
lich zuwider, obwohl ich ſolhe Geſchichien ſonſt ſehr gerne la3. Jh
glaubte meinem Meiſter ſeine Sprüche nicht, weil ich ojt Gelegenheit
hatte, zu beobachten, daß er ein Haſenfuß war und daß er ſich feig
benahm.
Er hatte eine alte Mutter, die immer kränklich war; zumeiſt konnte
ſie nicht gehen. Mich dauerte die kleine runzliche Alte ſehr, weil der
grobe Meiſter ſie jehr ſchlec<ht behandelte, Nie ließ er den Arzt kommen,
und wenn die Meiſterin, die beſſer war al8 ihr Mann, der Alten einmal
ein Extraſüpplein kochte, ſc<impfte dex Rohling. Das alte Mütterlein
lag in einer ganz tleinen, ungeſunden, muffigen Kammer neben dem
Stall. Jn dieſem Raume waren auch die Farben untergebracht; Lacke
und Oele wurden dort in Blechbehältern aufbewahrt. Es herrſchte eine
entſezliche Luft in dieſer Kammer. Der Geruch der Farben und Oele
miſchte ſic mit dem Geſtank der Jauche, die vom Stall her oftmal3
vurd den ſchlechten Fußboden drang. Oft, wenn ich dahinten zu tun
hatte, weinte die Alte und klagte mir ihre Not. Sie hatte die harn!-
lofe Leidenſchaft, Zu>ker zu eſſen. Der Meiſter gab ihr niemals welchen.
Er gab ſeiner Mutter weder kräftiges Cfien, no< ließ er den Arzt
fommen; wohl aber ſorgte er dafür, daß ſie der Pfarrer öfters beſuchte.
C3 war nur merkwürdig, daß ſich der Meiſter nicht genierte, den Pfarrer
in dieſen unſagbar öden, ungeſunden und ſchmußigen Raum zu führen.
Noc:< mehr aber wunderte ich mich darüber, daß der Geijtliche nicht
veranlaßte, daß die Kranke aus dieſer Umgebung entfernt wurde.
Wenn ich mitunter Trinlgelid bekam, kaufte ich Zu>er und ſtecie
ihn der Alten zu. Manchmal mußte ic der Alten auch von meiner
Mutter etwas bringen. Als der Meiſter eines Tages dahinter kam,
durffe ich die Kammer nicht mehr betreten. Er holte nunmehr die
Farben und Lade ſelbſt, und ich war genötigt, der Kranken unſere
Mitleid83broken heimlich von außen durc das Fenſter zu ſte&en. Tas
alte Mütterlein drüfte mix immer mit ihren knochigen Fingern die
Hände und ſagte, daß ſie fleißig für mich beten wolle.
Gine3 Tages kam der Meijtexr ganz verſtört in die Stube reſp.
Werkſtatt geſprungen und teilte mit, daß die alte Frau im Sterben
liege. Er entnahm einer Truhe ein ileines ſilbernes Glödc<en, das
er anſcheinend ſHon zurechtgelegt hatte, und begab ſic damit ans
Sterbebett ſeiner Mutter, um dort mit dem „SeelenglöF<hen“ den
„Böſen“ (den Teufel) zu verſcheuchen, damit er nicht die entweichende
Scele der ſterbenden Mutter in Beſik nehme. (Dieſer abergläubiſ<e
Brauch herrſc<te übrigens allgemein bei den Katholiken in unſerem Dorfe.)
Der Meiſter war alſo um das Seelenheil ſeiner Mutter mehr be-
ſorgt, als um das Wohlergehen ihres Leibes, ſolange ſie noch levte.
Tod in der Nacht machten wir der toten Greiſin einen ſchönen Sarg-
Der Totenſchrein wurde gekehlt und mit allerhand Zierrat verſehen.
Der Meiſter ſparte daran zu meiner größten Verwunderung nichts, 119
am Grabe weinte der ſonſt ſo Herzloſe bittere Tränen.
Da38 waren ſo einige meiner Totengeſchichten.