24 Arbeiter- Jugend.
fügung itehenden Säle und durch die Stimmittel des Redner3
zu ziehen. . E35 liegen Beweiſe vor, daß 500 bis 600, ja über 1000
Teilnehmer an einem Vortrags8zyklus von Anfang bis Ende mit
Intereſſe dem Vortragenden folgten.
Ander3 liegt es beim Unterricht35tkurſfu38, einer
dritten Form des Vortrages. Hier muß die Teilnehmerzahl be-
grenzt, joaar eng begrenzt werden. An einem Uniterricht8kurfus
ſollten ſich ni<t mehr als 80, höchſtens 50 Gonoſſen und Ge-
noſſinnen beteiligen. Wie ſchon der Name befagt, handelt es
fich bei einer ſolchen Veranſtaltung um „Unterricht“. Der Vor-
tragende traat nicht nur vor, ſondern er foll den Vortrag dur
ragen beleben. Am beſten iſt der Unterricht, wenn er nach der
eniwickelnden Methode gegeben wird: der Lehrer läßt die Reſultate
gleichſam durc< die Schüler ſelbſt finden, indem er von Bekanntem
ausgebt und durch fortwährende Fragen und durch gelegentliches
Helfen mit den Schülern vom Leichteren zum Schwereren auf-
ſteigt. Nach dieter Methode können freilich nur die „geborenen
Schulmeiſter“, von denen es eine ſtattliche Reihe auc< in den
Kreiten unſerer redneriſch tätigen Genoſſen und Genoſſinnen gibt,
unterrichten. E38 liegen auch in dieſer Beziehung überraſchende
Beweiſe vor. Genoſſen, die ſi< früher nie theoretiſc< oder praktiſch
mit der Bädagogit beſchäftigt hatien, bekundeten in Unterricht3-
kurjen ein erſtaunliches pädagoqiſc<e8s Geſhi>, ſo daß die Teil-
nehmer an ihren Kurſen voll de3 Lobes über dieſe vortreffliche
Methode ſind. Aber gerade dieſe Methode macht die erwähnte
Beſchränkung der Teilnehmerzahl notwendia. Ferner iſt es rat-
jam, in die Unterrichtöfurſe nur eine erlejene Av3wahl von Teil-
nehmern zu entſenden, =-- möglichſt jolche, die ſich in Vortrag3-
zyktlen und dur< privates Studium ſc<on eine gewiſſe Grundlage
Des Wiſſens erworben haben. E53 liegt nahe, daß bei Unterricht3-
kurfen von den Teilnehmern auc< mündliche und ſchriftliche Ar-
beiten angefertigt werden, was ſowohl der Befeſtigung des be-
handelten Stoffes al38 auch der Uebung im mündlichen und ſchrift-
lihen Gedanfenau3Sdruc> dient, Allerdings muß der Lehrer jich
ver Mühe unterziehen, die ſchriftlichen Arbeiten durchzuſehen und
zu korrigieren.
Unterricht8fkurje laſſen ſich meiſtens nicht in drei bis fünf
Abenden erledicen; ſie erfordern eine eingehendere Behandlung
des Stoffes, die mindeſten3 8 bis 10, nach Moglichkeit aber auch
bis zu 20 und noch mehr Abende in Anſpruch nimmi. Während
de3halb ein Vortrag38zyklus wohl an auswärtige Kräfte über-
tragen werden fann, muß für einen Unterrichtsfurjus möglichſt
eine geeignete 2inheimiſche Kraft willig gemacht werden.
In einem ſpäteren Artikel gedenke ich dieis theoretiſchen Be-
' trachtungen über Einzelvortrag, Vortrag38zyklus und Unterricht3-
kur?u3 auf ein beitimmtes praftiſches Beiſpiel anzuwenden.
. "Heinrich Schulz.
Bücher für die Jugend.
Billige und volkstümliche Schriften über Darwin und ſeine Lehre.
In dieſen Tagen, da infolge der bevorſtehenden Darwin-Gedenkfeier
das Intereſſe für Darwin und ſeine Lehre wieder bejonder38 ſtark an-
geregt werden wird, dürfte es wohl angebracht ſein, auf die wichtigjten
volfstümlichen Schriften über Darwin und ſeine Lehre hinzuweiſen.
Zunächſt möchten wir alle diejenigen, die Darwins Hauptwerke
ſelbſt ſtudieren wollen, auf die billigen Au8gaben aufmerkſam machen,
die ſowohl in Hendel38 Bibliothek der Geſamtliteratur
(Halle a. S.) als auß in Reclams8 Univerſalbibliothek
(Leipzig) ecſchienen ſind. GS ſind folgende: Darwin, Entſtehung
der Arten, 2 Bände, die bei Reclam gebunden 1,75 MX., bei Hendel
3 Ml. koſten; ferner Darwin, Abſtammung des Menſdcen,
auch 2 Bände (bei Hendel gebunden 4 Mk., bei Neclam 3 Mk.). Nur
im Verlag von Hendel ſind erſchienen: Darwin, Reiſe eines
Naturforſ<hers8, gebunden 2,50 Mk., und Darwin, Ueber
den AuSdruc>d der Gemütsbewegungen, gebunden 2,50 Mk.
Wer Darwins Werke ſelbſt ſtudieren will, ſollte mit ſeiner Reiſe-
beſhreibung anfangen, dann die Abſtammung des Menſchen und zulctt
erſt ſein Hauptwerk, die Gniſtehung der Arten, leſen, weil dieſes für
den Laien das ſchwierigſte ſein dürfte.
Aus der reichen populären Literatur, die über den Darwini3mus
vorliegt, ſeien für heute nur folgende kleineren und beſonder8 billigen
Wexke empfohlen: Bölſche, Charles Darwin, Nr. 32-35 der
Biographiſchen Volk8bücherx, die in R. Voigtländers Verlag in Leipzig
erſchienen ſind. Das Büchlein iſt unſtreitig die beſte populäre Darwin-
biographie, die wir in Deutſchland zurzeit beſigen. Gine ganz billige,
ſchon vor zirka 20 Jahren erſchienene, troßdem aber noch leſen3wertc
Darwinbiographie ift eine unter dem Titel „Darwin“, ſein Leben,
jeine Lehre und ſeine Bedeutung, als Band 17 in der
„Wiſſenſchaftlichen VolkSbibliothek“ im Verlag von S. Scnurpfeil in
Leipzig erſ<ienene kleine. Schrifi, die unter Benußzung einer Broſchüre
des berühmten Botanikter38 A. de Candolle3 von Albert Südekum
verfaßt worden iſt. Sie koſtet nur 20 Pf. Eine ebenfall3 recht billige
und furzgefaßte populäre Darſtellung von Darwin38 Leben und Lehre
liegt ſchon ſeit fünfzehn Jahren in einer „Charle8 Darwin“
betitelten Broſchüre von Harald Höffding, dem befannten däniſchen
Ethifer, vor. Das äußerſt flüſſig und leicht verſtändlich geſchriebene
Sie iſt in B. Heymanns Verlag, Berlin, erſchienen und koſtet nur
50 Rf. |
Cine ausführlichere Darſtellung der Darwinſchen Lehre gibt Av e-
ling in feiner Darwinſ<hen Theorie, die in Siuttigart bei
3. H. W. Dieß erſchienen iſt und gebunden 2 Mk. koſtet. Das mit
14 [chrreiche Abbildungen verſehene Buch, da38 beſonder38 eingehend
auch die Übſtammung des Menſchen behandelt, iſt aufs beſte zu empfehlen
und dürfte in keiner Arbeiterbibliothe? fehlen. Von populären Scriften,
die fic) mit Teilproblemen des Darwini3mus3 beſchäftigen, ſeien ſchlicß-
lih no< genannt: Bölſche, Abſtammung des Menſchen,
und Bölſche, Stammbaum der Tiere, die beide zu den be-
Fannten 1 Mk.-Heften des um die Verbreitung naturwiſſenſchaftlicher
Lildung ſo hochverdienten KosSmoSverlag8 gehören. Eine beſonderc
Empfehlung beider Bücher erübrigt ſi< wohl. Endlich möchte ich, weil
es auch hierher gehört, noh einmal auf das in der vorigen Nummer
beſprochene Buch von W. May, Die Anſichten über die Ent-
ſtehung des Lebens, empfehlend hinweiſen. MN. H. Bacege.
Glaubensbekenntnis.
1 Von Fr. Theodor Viſcher.
Wir haben keinen
Lieben Vater im Himmel. .
Sei mit dir im reinen!
Man muß aushalten im Weltgetümmel
Auch ohne das. -
Was ich alles las
Bei gläubigen Philoſophen,
Loc>t keinen Hund vom Ofen.
Wär einer droben in Wolkenhöhn
Und würde das Schauſpiel mitanſehn,
Wie mitleidslos, wie teufliſch wild
Tier gegen Tier und Menſchenbild,
Menſc< gegen Tier und Menſchenbild
Wütet mit Zahn, mit Gift und Stahl,
Mit ausgeſonnener Folterqual,
Sein Vaterherz würd es nicht ertragen,
Mit Donnerkeilen würd" er drein ſchlagen,
Mit kauſend heiligen Donnerwettern
Würd' er die Henkerknechte zerſchmettern.
Meint. ihr, er werde in anderen Weiten
Hintennac<ß Bös und Gut vergelten,
Ein grauſam hingemordetes Leben
Zur Vergütung in ſeinen Himmel heben?
O, wenn ſie erwachten in anderen Flurcn,
Die zu Tod gemarterten Kreaturen:
„I< dante!“ würden ſie ſagen,
„Möcht es nicht noch einmal wagen.
Es iſt überſtanden. Es iſt geſchehen.
Schließ? mir die JAugen, mag nichts mehr ſehen.
Leben iſt Leben. Wo irgend Leben, | |
Wird es auch eine Natur wieder geben,
Und in der Natur iſt kein Erbarmen,
Da werden auch wieder Menſchen ſein,
Die könnten wie dazumal mich umarmen --
O, leg' ins Grab mich wieder hinein!“
Wer aber lebt, muß es klar ſich ſagen:
Durch dies Leben ſich durchzuſchlagen,
Das will ein Stü Robheit.
Wohl dir, wenn du das haſt erfahren
Und kannſt dir dennoch retten und wahre
Der Seele Hoheit. .
In Seelen, die das Leben aushalten
Und Mitleid üben und menſchlich walten,
Mit vereinten Waffen
Wirken und ſchaffen
Trotz Hohn und Spott,
Da iſt Gott.
eran 000
Zum
Veraniwortlich für die Redaktion: Kar1 Korn. -- Verlag: Zentralſtelle für die arbeitende Jugend Deutſchland3 (Fr. Ebert). =- Druck: Vorwärt38 Buchdruckerei und Verlags-
anſtalt Paul Singer & Co.
Sämtlich in Berlin.