Full text: Arbeiter-Jugend - 1.1909 (1)

 
 
284 - Arbeiter - Jugend. 
ziebend, wie fie iſt, hat natürlicy diefer neuen Rechtslage - jofort 'Jahresbeitrage des -Verbandes8,- ſo treten deſſen ſtatutariſche Beſtim- 
Rechnung geiragen und dic Polititf aus ihren Vereinen und öffentlichen 
Veranſtaltungen ſtreng verbannt. Erreicht abex hat ſie mit ihrer 
Geſeßesliebe nichts, wie das in lekter Nummer mitgeteilte Urteil de3 
Raumbuüurger Oberlandesgerichts beweiſt. Die Gerichte „ſtellen“ einfach 
„feſt“, daß alles, was in unſeren Vereinen und Verſammlungen ge- 
irieben wird, Politif ſei, umd ſo bringen ſie es natürlich im Hand- 
unidrebhen fertig, die proletariſche JIUgend außerhalb des GeſcRcs zu 
jrellen, 
Dafür wird jekt wieder ein bezeichnendes Beiſpiel, das jich dem 
Naumburger Urteil wörtlich zur Seitc ſtellen kann, aus BreSlau 
gemeldet. Dort waren bekanntlich vor längerer Zeit mehrere Vorſtands- 
mitglieder der Jugendorganiſation zu Geldſtrafen verurteilt worden, 
weil ſic Perſonen unter 18 Jahren in ihren Verein, dor ein politiſcher 
ici, aufgenommen haben. Dice Urteile hatten zur Folge, daß der Bre8=- 
lauer Polizeipräſident die Jugendorganiſation auflöſte, da fic geſch- 
widrige Zivecke verfolge. Gegen dieſen Streich wurde vas Verwaltungs- 
reitverfe hren eingeleitet. Dex Termin vor dom Bezirksausſchuß hat 
m rglich ſtattgefunden. 
Vor: dem Verireter der Jugendorganiſation wurde beſtritten, daß 
in ven Verſammlungen dor Organijation jemals PRolitif getrieben 
:poxden ſei. Der Verein vezweke auf feinen Fall eine Ginwirfung 
auf gotiſche Angelegenheiten. Zudem habe der Verein zur Zeit, als 
Dor Rrvzeß eingeleitet wurde, beſchloſſen, auch die wirtſchaftlichen 
Fragen us feinen Verhandlungen auszuſchalten und ſich lediglich mit 
ude nſchaftt ichen unt fünftleriſchen Fragen zu beſchäftigen. 
Der Vorirceierx ves Polizeipräſidenten verſuchte, mit Artifeln aus 
alten Wummern d2* „Volfsiwacht“, des „Vorwärts“, dex „Arbeitenden 
zuagend“" und „Arbeiter-Jugend“ den angeblichen politiſchen 
Charakter der Jugendvereine nachzuweiſen. Auch cinige Verſe aus 
dem Jugendliederbuch wurden verleſen. Schlicßlich foll auch aus dem 
Berichte des Parteivorſtandes an ven Parteitag in Leipzig hervorge“en, 
daß die Jug“mndorganiſationon cinen Teil der Partei bilden. 
Troßdem der Verteidiger darauf hinwies, daß die „Arbeiter-Jugend“ 
qar nicht cin Organ dex Jugendorganiſation, ſondern cin ſelbſtändiges 
Unternehmen ſei, und der Verein mit dem Licderbuche, das einzelne 
VWeitglieder boſißen, nichts zu tun habe, wirde der Ginſpruch der Jugend- 
organmſation abgewieſen und die Auflöſung der Organiſation für rcc<ts3- 
gültig ertilart. 
Gegen das Urteil wird Reviſion aingemeldei verden. 
or 
 
 
 
 
 
 
 
 
TIE) T525,2 
HBZSIEE Uus der Jugendbewegung - >= Ls 
Eine neue gewerkſchaftliche Jugendſektion. 
Die 1leßic Generalverſammlung des Verbandes der Sattler und 
Portefeuilſex überwies dem Zentralvorſtand cinen Antrag zur Be- 
rüdjichtigung, wonach innerhalb des Verbandes eine Lehrlings8- 
abteilung geſchaffen werden ſollte. Dex Vorſtand hat nicht nur 
dem Anirage ſeinc Zuſtimmung gegeben, ſondern ging noch darüber 
hinaus, Ex arbeitete cin Statut aus, wonac< neben den Lehrlingen des 
Sattlcr- und Portefcuillerverbandes auch die jugendlichen Hilfsarbeiter 
unter 17 Jahren dieſor Abteilung beitreten können. Am Sonntag, 
den 5. Dezember, fand im Berliner Gewerklſchaft8shauſe cine gemein- 
ſchaftliche Konferenz des Ausſchuſie3, Vorſtandes und der -Gauleiter ſtatt, 
welche fich u. a. eingehend mit dem Vorſchlage des Vorſtandes beſchäftigte 
und ihm auch zuſtimmte. Die Lehrlings- und Jugendabteilung wird 
mit dem 1. Mürz 1910 ins Leben treten. Sie foll durch fachliche Au8- 
bildungskurfe, wiſſenſchaftliche Belehrung in Wort und Schrift und 
Pflege der Geſelligkeit ihren Mitgliedern in der geiſtigen und körper- 
lichen Fortentwidelung behilflich ſein. Außerdem foll bei eintretender 
Krankheit den Mitgliedern, ſowie im Falle ihres Ablebens ihren An- 
gehörigen eine materielle Unterftühung zuteil werden. 
Der ivöchentliche Beitrag wurde auf 10 Pf, feitgeſobt. Hat der 
Lehrling feine Lehrzeit beendet oder hat der jugendliche Hilfsarbeiter 
das 16. Lebensjahr überſchritten, ſo erliſcht feine Mitgliedſchaft in der 
Jugendabteilung und die 328 Verbandes beginnt. Dic bis8her ge- 
leiſteten Beiträge werden beim Uebertritt in Verbandsbeiträge umge- 
rechnet. Die wöchentliche Krankenunterſtüßzung beträgt 3 Mk. und 
fommt im Falle der Krankheit bei mindeſtens 26wöchiger Neitglicdſchaft 
und Beitragsleittung auf dice Dauer von 10 Wochen, bei mindeſtens 
52wöchiger Mitgliedſchaft und Beitragsleiſtung auf die Dauer von 
20 Wochen zur Auszahlung. Im Falle des Ablebens eines jugendlichen 
Mitgliedes wird ein Sterbegeld von 15 Mk. nach 26wöchiger, von 25 Mk. 
nach S2wöchiger Beitragsleiſtung an die Angehörigen de8 Verſtorbenen 
gezahlt. Nach beendeter Lehrzeit bezw. nach vollendetem : 16. LebenS3- 
jahre des jügendlichen Hilfsarbeiters fann das Mitglied, ſobald c3 
mindeſtens 52 Beiträge geleiſtet hat, eine Reiſe- und Arbeitsloſenunter- 
ſtüßung bi8 zu 24 Mt. erheben. Entſprechen die geleiſteten Beiträge 
in der Jugend= und Lehrlingzabteilung und die des Verbandes. einem 
' nungen in Kraft. 
Iichen das achttägig erſcheinende 
Außer dieſen Unterſtüßungen erhalten die Jugend. 
Verbandsorgan und die alle 14 Tage 
 
 
<rtGeinende „Arbeiter-Jugend“ gratis verabfolgt. 
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(BEY GS Ze Sremdwörter = GSG) 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Arterie (griech.) PulsSader. 
Despoti8mus (griech. despotes = Gebieter, Herr) Gewaltherrſchaft 
Diktator (lat., Ton auf der Mittelſilbe) unumſc<ränkter Machthaber. 
Equipage (franz., ſprich: «kipahſch) Kutſche (mit Geſpann). | 
Foſſil, Mehrzahl: Foſſilien (lat., kos82 = Graben) ausgegrabene ver 
ſteinerte“ Ueberbleibſel von Pflanzen und Tieren der Urzeit. 
Garantieren (franz.) verbürgen, gewährleiſten. . 
Geſte (lat.) Gebärde, Hand- und Körperbewegung als Ausdruc> des Ge- 
fühles. Zeittwwort: Geſtikulieren == Geſten machen. 
Janitſchar (türk., jeni-tscheri = = neue Krieger) türkiſcher Jußſoldat. 
Legende (lat., legenda = das zu Lefende) rforünglich: Heiligengeſchichie 
* Erzählung, Sage. 
Lyrik (griech., 1yra == Leier) urſprünglich: ſangbare Dichtung; jet: Ge- 
ſamtbezeichnung für die Dichtungsgattungen, die Ereigniſſe der Inne1:- 
welt (Stimmungen und Gefühle) behandeln. 
Orthographie (griech. orthos=richtig, graphoin==ſc<hreiben) Rechtſchreibung. 
Populär (lat. populus == Volk) volkstümlich, leicht verſtändlich. 
Reſiznation (lat.) Entſagung, Ergebung. 
Shakeſpeare (ſpri<h Schäfkſpier) berühmter engliſcher Schauſpieldichter, 
1564-- 1616. 
Szene (griech. 8kene = Zelt, Hütte) Schaubühne; ein Aufiritt in einen 
Sddauipiele. . 
Eee e eG = SEE SIERRE ZG RERE 
Un unfere Lejer! 
Vit der nächſten Nummer beginnt die „Arbeiter-Jugend“ ihrei! 
zweiten Jahrgang. Bei dem weiten Bildungsprogramm, das unſere: 
Organ geſte>t iſt, hat ſich der zur Verfügung ſtehende Raum häufig al: 
zu knapp erwieſen. Die Zentrale hat ve8halb beſchloſien, vom nächſte: 
Jahre ab den Umfang des Blattes zu vergrößern, und zivar um eine: 
halben Bogen, fo daß alſo die einzelne Nummer fünftig 16 ſtatt 1 
Seiten umfaſſen wird. Außerdem folleit von nun ab mehr JUmytra- 
tionen beigegeben werden. Von einer LVlusgeſtaltung des Blattes zt 
Zeitſchrift, wie ſic von manchen unſerer Freunde und nicht zuleizt vo? 
der Redaktion lebhaft begrüßt werden ivürde, muß aus SOWIE 1, 
- agitatoriſchen Rücſichten Abſtand genommen werden. Das Blatt jevll 
eine möglichſt weite Verbreitung finden -=- derartige Jugendze] = 
mindeſtens einen neuen Abonnenten zuzuführen. 
Ichriften aber, wie fie von bürgerlicher Seite herausgegeben werdei, 
jind durchweg auf einen beſchränkten, „zahlungsfähigen"“ Leſerkreis 311- 
geſchnitten. Aus dieſem und manchem anderen Grunde kann die 
„Arbeiter-Jugend“, was ihre Ausſtattung anlangt, mit bürgerliche: 
Rugendzeitſchriften nicht. verglichen werden; ſie will aber auch nicht, 
wie manche Kritifer vorſchlugen, ein Untierhaltungs8-, gar ein Familie: 
blatt ſein, ſondern fic wird nach wie vor das Bildungs organ dor 
proletariſchen Jugend bleiben. - 
Natürlich wird die Vergrößerung und Vusgeſtaltung des Blattes 
bei gleichbleibendem, überaus niedrigem Abonnementspreis weſentliche 
Mehrkoſten verurſachen. Die Zentralſtelle und die Redaktion haben des- 
halb gewiß das Recht, von den Leſern eine Gegenleiſtung zu ertvartei1, 
Dieſe Gegenleiſtung, die im JIntereſſe der Leſer und der Jugen?- 
bewegung ſelber liegt, beſteht darin, daß unſere Freunde emſig und Un- 
abläſſig für die Verbreitung unſeres Blattes eintreten. 
Genoſen und Genoſſinnen! Wie Ihr wißt, hat in leßter Zeit die 
vetze gegen die proletariſche Jugendbewegung beſonders heftig ein- 
aeſeßt. Die ſpärlichen Möglichkeiten, die das Vereins8geſeß dem Z11- 
ſjammenſchluß der arbeitenden Jugend, ihrem gemeinſamen Streben 
nach Aufklärung und Bildung gelaſſen, ſollen ihr vollends verſperrt 
werden. Dagegen müßt Ihr Euch wehren, wie jich das Geſamtproletar:ai 
Deutſchlands, Curc Eltern und Vorbildor, gegen ähnliche Unter- 
drüdungen und Verfolgungen geiwehrt haben. Dazu gehört in erſter 
Linie, daß Ihr Eure Preſſe hoc<hhaltet. Werbt unabläſſig, wo jmume 
Ihr .mit Alterö8genoſſen zuſammenkommt, für vie „Arbeiter=; Sugend“. 
Jeder einzelne muß ſeinen Stolz darin ſeßen, unſerem, ſeinem Blatic 
Sorgt dafür, daß in 
abſehbarer Zeit das Wort Wahrheit wird, das der Reichstagsabgeordnete 
3xank auf dem Leipziger Parteitage geſprochen: 
„Wenn wir hunderttauſend neue Leſer für die „Arbeiter-Jug2u>“ 
gewinnen, ſo werden die bürgerlichen Parteien davor mehr Ang 
haben, als vor einer halben Million neuer foziald?mofkratiſcher 
Stimmen.“ | 
Nur ſo könnt Ihr Cuern Gegnern, den Todfeindein Gures Lichi- 
Freiheitsſtrebens8, die richtige Quittung für ihre Hetße, ihre Bet 
"Redaktion der „Arbeiter-Jugend“. 
und | 
folgungen cusſtellen. 
 
 
Verantwortlich für die Redaktion: Karl Korn. 
= Rorlag:. Er, Ebert (Zentraiſtelle- für die arbeitende 'Sugend Deutſchlands). -.- 
anſtalt Paul Singer & Co... 
 
Druck: Vorwärts Buchdruckerei 11. Berlags: 
Sätntlich in-Berlitt, «
	        
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