Arbeiter -Juc end.
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zu frohem Spiel, bis er ſeinen H2zerhaufen hatte. Dann lehrte er
ihmen jene Körperübungen, die der Jugend eine Freude ſind, er gab
ihnen Re>, Pferd, Barren, Springel. Ex lehrte ſie Ringen und .
Schwingen und war bei allem darauf bedacht, die Entwickelung von
Ceichtem zum Schweren, das brüderliche Eintreten aller für alle, die
Pebung des Mutes, der Geiſte8gegenwart und der allſeitigen Gewandt-
beit zu fördern. Dazu ſchuf er ihnen die Turnfahrt, verbunden mit
firogem Geſang und verſchönt durch einen unerſchöpflichen Strom von
Sogen, Geſchichten und ſitilichen Grundſäßen, die ſeinem Munde ent-
guollen. So ſchaffte ex aus Schülern und Studenten und unter
meuer Mitarbeit ſeiner ältefien Anhänger einen Betrieb, in dem die
Sugend Berlins ſpielend das lernte, was den Erwachſenen fehlte.
Sahn3s Turnkunſt ward ſo eine gern beſuchte Schule, in der der Un-
gelenke beweglich, der Schwache kräftig, der einſeitig BVerbildete all-
ſeitig entwidelt und der Zaghafte mutig wurde. Dabei erwuchs ein
ncues Geſchlecht, friſch, fröhlich, frei und vorwärts drängend, wie es
der Meiſter gewollt hatte, um für den Staat, der ihm vorſchwebte,
Streiter und Bekenner zu finden. Die wunderbar2 Macht der Turnz=
fünft war bald zu erkennen an den Tauſenden, die nach kurzer Zeit
i:i ganz Deutſchland den Lehren des Meiſters folgten, die lernend oder
lchrend in feinem Sinne tötig waren und hernach als Lütßower mit
“x Büchſe, als Burſchenſchafler mit dem geiſtigen Schwert gegen die
«rhaßte Tyrannei de8 Auslandes und für ein einiges neues Deutſch-
lcnd auftraten.
Jahn3 Ziele ſind nicht unſere Ziele, ſeine Zeit iſt nicht unſere Zeit.
Es iſt hiex nicht nötig, den Unterſchied zwiſchen der begeijierten Jugend
von dazumal und der von heute, zwiſchen jenen Bourgeo1isfindern und
unſeren Arbeiterſprößlingen aufzuweiſen. Wir wijſen, daß andere
wirtſchaftliche Verhältniſſe andere Wirkungen haben und andere Ziele
ſceßen lehren. Aber wir wiſſen auch, daß Körper und Geiſt de8 Menſchen
heute wie 9or hundert Jahren in allem Weſentlichen gleich find.
Darum hat die Art, in der Jahn eine Jugend kräftigte, erzog und be-
. geiſterte, auh heute nog Wert für Leute, die, wie wir, eine Jugend
| körperlich und geiſtig ftärfen, behende machen und für bohe Ziele be-
geiſtern wollen. Dazu kommt noch, daß die Jugend von heute weit mehr
al3 die Jugend von 1806 zum Gegengewicht gegen das Verſiken in
Schule und Werkſtatt, zum Schuß gegen einſeitige Entwiedelung oder
Verkfrüppelung der allſeitigen Stärkung und Sc<hmeidigung der Glieder
ſowie des Antriebes zu friſchem Mut und frohen Wagen bedarf. Alles
in allem: Wer die Arbeiterjugend erziehen will, darf die Kunſt des
Alten im Barte nicht außer acht laſſen. Freilich ijt die Turnfunſft, die
wir meinen, nicht die ſteife, halb militäriſche Dreſſurturnerei mit Frei-
übungen ſowie ohne Kür und Spiel, welche die pr3ußiſche Volksſchule
bietet. Wir lehnen auc< die Auswüchſe des Jahnſchen Syſtems ab,
E die das Streber erzeugende und eingelne von der Maſſe bevorzugende
E Wotturnen darſtellt. Aber das Turnen im Jahnſchen Sinne, das alle
| Spiele, die nicht roh ſind, alle Ge-ätübungen in Kür und Riege, den
K Goſang und die frohe Wanderfahrt verſchönt durch gegenſeitige Lehre
|E und Hilfe, wie brüderlichen Zuſammenhalt aller, das braucht ein Verein,
ß der die Jugend entwickeln und erziehen will.
! Nur Turnen iſt vom Uebel, nur geiſtigen Zielen nachſtreben auch,
8 abcr die Verbindung der geiſtigen Selbſterziehung mit der förperlichen,
5 02 iſt das, was der guten Jugendorganijation nottut.
. G. Adlexr-Kiel.
L
p
. Bücher und Bibliotheken für die arbeitende
; Jugend.
| ES iſt nahezu erſt eine Errungenſchaft des 20. Jahrhunderts,
B des „Jahrhundert38 des Kindes“, daß man ſich der Herſtellung
B guter Jugendbücher und der Einrichtung guter Jugendbibliothekon
5 zugewandt hat. |
8 Wie in ſo vielen anderen Dingen, ſind wir auch hierbei in
8 Deutſchland nicht in der „Welt voran“, ſondern hinter anderen
E Sändern weit zurüd. Was8 man in England und Amerika längſt
8 in muſterhafter Weiſe eingerichtet hat: Jugendbibliotheken,
B vugendleſezimmer, Vorträge über gutc Bücher für Kinder u. a. m.,
8 das iſt in Deutſchland faſt überall noch das Ziel frommer Wünjche.
“ E3 iſt nicht zu verkennen, daß durc< die raſtloſe Tätigkeit
M einiger. hervorragender Shulmänner in Deutſchland ſeit einem
w Jahrzehnt eine anſehnliche Zahl von neuen Jugendbüchern her-
E vorgerufen worden iſt, daß vieles vortrefflihe Alte und Ver-
M8 ivol'ene aus der deutſchen Literatur wieder ausSgegraben und der
M ugend zugänglich gemacht worden iſt. Wie ſteht 23 jedoch mit
Ber Verbreitung dieſer Werke in den breiteſten Schichten des
88 volte32
vB Sehr viele diejer Jugendbücher ſind jo teuer, daß Arbeiter-
8 'iicrn gar nicht daran denker. können, ihren Kindern eine kleine
5 Bücherſammlung anzulegen.
In Amerika übernehmen die Gemeinden die Fürſorge für
die geiſtigen Intereſſen der Kinder, indem in den aus Gemeinde-
mitteln unterhaltenen „Freien öffentlichen Bibliotheken“ große
Jugendbüchereien angelegt werden. Bei uns fehlen in den meiſten
jogenannten „Volk8bibliothefen“ Jugendbücher ganz und gar;
im den Schulbibliothefen ſieht e8 meiſt nicht viel beſſer au8. Dieſc
Sqzulbibliothefen enthalten größtenteils völlig wertloſe Bücher,
jogenannte „vaterländiſche“ Erzählungen, frömmelnde Ge-
Ihichthen und allerhand andere8 dunimes Zeug. Es gibt ſogar
manche Schulbibliothek, die ganz gefährliche Schundromane ent-
halt, 3. B. dic Erzählungen des Herrn Karl May. Solange die
Schule jolche Shmarren in ihren Büchereien duldet, kann ſie
natürlich nicht mit Nachdruck gegen „Buffalo Bill“, „Nik Carter“,
„Sarl Stülpner“ und andere Sumpfpflanzen zu Felde ziehen.
Wenn man ſc<on davon überzeugt iſt, daß die Schundliteratur
Geiſt und Gemüt vergiftei, dann muß man auh zugeben, daſ
e3 ziemlich aleich iſt, ob man mit Karl May-Geſchichten oder
blutrünſtigen Detektiivromanen vergiftet wird.
So wie die Dinge nun heute in Deutſchland liegen, iſt kaum
anzunehmen, daß wir in abſehbarer Zeit eine großzügige Ge-
meinde- oder Scdulbibliothefenbewegung befommen werden.
Selbijit wenn fie fäme, würde ſie einen ſo ſtreng bürgerlich-vater-
ländiſchen Charakter tragen, daß die freie, denfende Jugend des
arbeitenden Volkes keinerlei Nutzen davon hätte.
Was bleibt alſo zu tun?
Nichts anderes als planmäßige Selbſthilfe. Die Arbeiter-
organijſationen müſſen auf der ganzen Linie dazu übergehen,
Jugendbibliothefen einzurichten.
Zn welcher Weiſe das geſchehen fann, davon im nächſten
Aufſjaß. H. Hennig.
Bureaukratiſch-kapitaliſtiſche „Jugend-
wohlfahrt“.
Der bürgerlichen Geſellſchaft brennt das Feuer auf den Nägeln.
Immer drohender erhebt der „Umſturz“ ſein Haupt. immer weiter rückt
das Heer der „vaterlands8lojen Geſellen“ vor. Das Wort vom „Niedor-
reiten“ hat wohl heute bereit3 der als Irrium erfannt, der es einſt
in die Welt geſeßt. . . .
Auch die Jugensd.des Proletariats ertennt immer mehr die gae-
jelſchaftlichen Zuſammenhänge der beſtehenden Zuſtände. Sie jieht ein,
daß die Armut die Quelle des Reichtums iſt, und daß die Macht der Be-
ſißenden nur ſo lange andauert, als die Beſizloſen noch nicht einig und
geſchloſſen zueinander ſtehen. Auch dice Arbeiterjugend wird röter und
roter.
„Was iun?“ ſpricht Zeus. Man ſucht die jugendlichen wie die ex-
wechſenen Arbeiter zu zerſplititern, möglichſt viele von ihnen auf die
Seite der herrſ<enden Klaſſen zu ziehen. Man betäubt den Geiſt der
wehrloſen Schulkinder unter dem Vorwande der Religion mii abge-
ſI<hmadten Fabeln, die in ihnen den Wahn erregen ſollen, daß ſie eint
in einem „beſſeren Jenſeits“ für alle irdiichen Mühen und Leiden
entſchädigt werden würden. Man verkleiſtert ihnen das Gehirn mit
„patriotiſchen“ Geſchichtslügen, die alle Segnungen der Kultur. auf Die
herrſchende Dynaſtie zurückführen; man gründet für die Schulcntlaſſenen
„4Iriſtliche"“ Jüngling2- und Jungfernvereine, führt jie jogenannten
Nugendtiubs zu -- kurz, man ſucht ſie auf jede Weiſe über ihre wahren
Intereſſen zu täuſchen.
Mit Jahres3beginn iſt von dieſer Seite ein neues Jugendorgan ins
Leben gerufen worden, faſt gleichzeitig mit der „Arbeiter-Jugend“, aber
offenſichtlich dazu beſtimmt, entgegengeſeßte Ziele zu verfolgen, eine
neue Waffe der Herrſchenden gegen die klaſſenbewußte „junge Garde“
zu bilden. Während die „Arbeiter-Jugend“ rücſichtslo8 kämpfen will
gegen die Verdummung und Ausbeutung des proletariſchen Nahwuchſes,
iſt in der neuen „Zeitſ<hrift für Jugendwohlfahrt“"“)
von dieſer Wohlfahrt, der einzigen, die der arbeitenden Jugend not
tut, ſo gut wie nichts zu fimden. .
Schon die Namen des Herausgebers und der Mitarbeiter ſagen uns,
daß dieſe Jugendzeitung nicht dazu geeignet iſt, fich als JIntereſſenver-
treterin des jungen Proletariats au3zugeben. Herausgegeben wird jie
von Herrn Regierung38rat Dr. Lindenau, alſo einem hohen
Beamten, und auch faſt ſämtliche Mitarbeiter, die ihre Kraft der -
„Jugendwohlfahrt“ widmen wollen, ſind Beamte. Boſfonder3 ſtark iſt die
preußiſche Regierung und ſpeziel das preußiſche KultuS-
miniſterium vertreten und das -=- ſagt genug! Von dieſer
Seite iſt der Arbeiterſchaft, und ſpeziell der Arbeiterjugend, noch kein
*) Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin.