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u Arbeiter-Jugend |
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baben, ſie von der -freicen Jugendbewegung - fexrnzuhalien. Wenn wie
Arbeiterjugend turnen will, weiß ſix, 'wo fie hinzugehen hat. - Und ſte
wird in ihrem Mißtrauen gegen dieſe Art Jugendfürſorge der Fort-
bildung3ſchule beſtärkt, ſeit befannt geworden, daß der Turnunterricht
der Fortbildungsſ<ule der arbeiterfeindlichen deutſchen Turncrichaft
ausgeliefert üt. - |
De
Wie man die Luſt zur Fortbildungsſchule weckt.
In Dresden kam ein 17jähriger Fortbildung3ſchüler unregelmäßig
zum Unterricht. Als er einmal anderthalb Stunden ſpäter erſchien, er-
hielt cin Beamter der Wohlfahrt3polizei den Auftrag, ihn das nächjte
Pal vorzuführen. Dieſer Beamte ſchien der Anjicht zu Jein, daß mit
einem ſo jungen Waannc nicht viel Federlefens gemacht werden brauche.
Er eröffnete ihm deshalb, daß er ihn feſſeln müſſe, wenn er nicht gut-
willig mitgebe. Der junge Mann wollte aber allein zum Unterricht
acben und ſprang DdeShalb durch das Fenſter, um ſich der unerbetenen
Begleitung zu entziehen. Er wurde feſtgenommen. Seiner gefeſſelten
Vorführung ſeßte er dadurch Widerſtand entgegen, daß er ſic an der
Türklinke feſthielt. Durch die Balgerei kamen beide zu Fall, wobei fich
dex Beamte den Fuß verſtauchte. Der gegenwärtig in der Arbeitöantftalt
befindliche junge Mann hatte ſich nun vor dem Dre3dener Jugendgericht
wegen Körperverleßung und Wideritand38 gegen die Staatsgewalt zu
verantworten. Er foll die Verleßung des Beamten abſichtlich dadurch
bervorgerufen haben, daß er ihm ein Bein ſtellte. Die BeweiSaufnahme
ceraab nicht8, was dieſe Annahme redhtfertigte. Das Gericht ſprach ihn
desShalb von der Körperverleßung frei, verurteilte ihn aver wegen Wider-
jtand8 zu 2 Wochen Gefängnis, wobei no< mildern berückſichtigt
wurdc, daß der Bcamte ihn gereizt hätte! -- Das iſt nun der „Segen“
der Jugendgcerichte, und ſv wird in Dre8den für die Foribildungsſchule
Propaganda gemacht, --
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Die Freie Jugendsrganiſation Berlins kein politiſcher Verein.
Bekanntlich iſt vor einiger Zeit die Freic Jugendorgamiſation in
Bcrlin vom dortigen Polizeipröſidenten aufgelöſt worden, weil fie ein
politiſcher Verein fei, der entgegen den gefeßlichen Beſtimmungen
Jugendliche als Mitglieder aufnehme. Gegen dieſe Verfügung hat Der
Vorſtand der Organiſation die Entſcheidung im ſogenannten Verwals-
tungsſtreitverfahren angerufen, und ehe dieſe Entſcheidung gefallen,
arbeitet die Freie Jugendorganiſation, zum Nuten der Berliner Axr-
beiterjugend, ruhig weiter, wie jie vor dem Auflöſungs8befehl d<e3
Polizeipräſidenten gearbeitet hat.
Neben Iiefer Haupt- und Staatsaktion iſt gegen die Vorſtand3mit=
glieder des Vereins noch ein „ordentliches“ Strafverfahren eingeleitet
worden wegen Nebertretung de3 VereinS3geſetßes8, weil ſie ſich geweigert
haben, die Statuten einzureihen und die Vorſtandsmitglieder anzu-
geben. Der Vorſtand der Organiſation hält ſich nicht für verpflichtet,
fjelchem Anjinnen nac<hzufommen, da die Freie Jugendorganiſation eben
ſtalutengemäß keine Politik treibt und jene Verpflichtung nur politiſchen
Vereinen obliegt. E8 hatten ſich de3wegen fünf Vorſtand3mitglieder vor
dem Scsffengericht Berlin-Mitte zu verantworten. Sieg wurden ver-
teidigt von den RechtSanwälten Wolfgang Heine und Dr. Kurt
NRotenfeld. |
Außer der ſchon erwähnten Uebertretung wird den Angeklagten auch
die Aufnahme von Perſonen unter 18 Jahren in den angeblich poli-=
tijchen Verein zum Vorwurf gemacht.
Der Angeklagte Maſchke gab ein Bild von der Tätigkeit und den Be-=
ſtrebungen der Freien Jugendorganiſation. Er führte eine Reihe“ von
Tatſachen an zum Beweiſe dafür, daß die Organiſation lediglich ge-
ſelige Beſtrebungen, Bildung8zwe>de und daneben die Vertretung der
wirtſchaftlichen Jntereſſen ihrer Mitglieder verfolgt, jede politiſche Be-
tätigung oder Grörterung aber peinlich vermeidet. Er betonte, daß die
Organiſation ſeit fünf Jahren beſteht, ohne daß die Polizei Anlaß zum
Ginſchreiten gegen ſie fand. Erſt jeßt ſei die Organiſation al3 eine
politiſche bezeichnet worden, obgleich ſie ihren Charakter in keiner Weiſe
geändert habe. :
Die Staatzanwaltſchaft legte zum Beweiſe ihrer Behauptung, daß
dic Organiſation politiſch ſei, eine Anzahl der verſchiedenartigſjten Druck-
jachen vor, Zeitungsartikel, Parteitags3protokolle, Flugblätter uſw., deren
Verleſung mehrere Stunden in Anſpruch nahm. Schließlich beantragte
er 20 Mk, Geldſtrafe pro Mann. -
Recht5anwalt Heine beantragte Freiſprehung. Er führte unter
anderem aus: Politiſche Vereine .im Sinne de38 Reichsverein3g2ſoeBe3
jind ſolche, die eine Ginwirkung auf politiſche Angelegenheiten bezwedcn.
Nach der herrſchenden Rechtſprechung ſind politiſche Angelegenheiten nur
jolche, die den Staat unmittelbar betreffen. Gin Verein kann nur dann
als politiſch angeſehen werden, wenn er beabſichtigt, auf eine Aenderung
der Geſeße und Einrichtungen des Staate38 hinzuwirken. Jedem Verein
kann e3 paſſieren, daß er gelegentlich auf das politiſche Gebiet hinüber-
greift. Dadurch wird er noch nicht zu einem politiſchen Verein. Was
hier über die Freie Jugendorganiſation vorgetragen worden iſt, beweiſt,
daß ſie keine politiſchen Zwede 'verfolgt. Ihr Zwe iſt, ſoweit fie den 7
Jugendſchuß betreibt, ein gewerkſchaftlicher, in der Hauptſache aber ver.
- folgt fie Bildung3zwede.
Der Verein iſt beſtrebt, die Arbeiterjugend |
die ja weniger als die Jugend anderer Stände unter dem ſchüßenden |
Cinfluß der Eltern ſteht, vor den verderblichen Einflüſſen, die de. Y
jungen Leuten begegnen und ſie unter Umſtänden auf die Bahn dcs VB
Berbrechens bringen können, zu bewahren, ſie zu bilden und zu edler
Goſelligfeit anzuhalten. Auf einer Jugendkonferenz hat kürzlich ein
Vertreter des Polizeipräſidiums geſagt, es ſei für die Grziehung dr
Jugend am beſten, wenn man ihr freie Hand laſſe. Das war alle:
dings ein Vertreter aus der ſozialen Abteilung de3 Polizeipräſidiums,
von der dies Verfahren gegen die Jugendorganiſation natürlich nicht
ausgeht. Wenn die Jugend es ſelbſt in die Hand nimmt, fich vor ver.
derblichen Ginflüſſen zu ſchüßen, dann ſollte man ſolche Beſirebungen
loben und fic zu fördern ſuchen, aber nicht ihr Schwierigkeiten machen
unter dem Vorgeben, es handele ſich um politiſche Beſtrebungen.
Recht3anwalt Roſenfeld wie8 dann im einzelnen nach, daß den Ün-
geflagten nichts von politiſcher Betätigung nachgewieſen ſei. Das Urteil |V
erging dahin: Aus dem verleſenen Drucſachenmatcrial bat das Gerit |
nicht die Ueberzgeugung gewinnen können, daß der Verein eine Gin-
wirkung auf politiiche Angelegenheiten bezwe>t. G3 wird von den An.
geflagten glaubhaft verſichert und durch das Statut beſtätigt, daß der
Verein die Geſelligkeit pflegt, die Bildung fördert und den Alkohol-
genuß bekämpft. Da3 ſind ſehr verſtändige Sachen, die nur gebiltigt
werden können. Daneben bekämpft der Verein auch die <riftlic>::
Junglings8vereine, doeh daraus geht nicht hervor, daß er mit ein»
pelitiſchen Partei im Zuſammenhang ſteht. Es iſt nichts vorgebrac“,
was die Anklage ſtüßen könnte. DeSs8halb wurden die Angeklagten frei-
geſprochen.
Dem Urteil wird jeder vernünftige Menſch, der die Verhältni“":
kennt, zuſtimmen. Der Berliner Polizeipräſident aber hat auf ſeinem
neueſten Feldzug gegen die Berliner Arbeiterjugend eine empfindlic '»
Schlappe davongetragen. Wenn nun das Urteil auch noch von do
höheren Inſtanzen beſtätigt wird, werden die Vorwaltungsgerichte nict:
umhin können, ebenſo vernünftig den Tatfachen Nechnung zu traac:
und die Auflböſung3verfügung des Polizeiprüſiventen muß zurücgezogen
werden.
IN SN SN 3 Madan NCad2]
[ei * Stemdwörter » (25 GS 5;
Antipathie (griech., anti = gegen, wider; pathos = Ergriffenheit) Wider-
wille, Abneigung. Gegenſatß: Sympathie (8v%n = zuſammen) Mii-
gefühl, Zuneigung.
Avancieren (franz., ſprich awangſieren) vorrücken, befördert werden.
Baual (franz. Ton auf der Endſilbe) bedeutungs8los8, alltäglich.
Baſis (griech.) Grundfläcße, Grundlage.
Chef (franz., ſprich ſchäff) Vorgeſetzter.
Chor der (griech.) mehrſtimmiger Gefang; Geſamtheit der Sänger.
Demonſtrieren (lat.) zeigen, anſchaulich machen; eine Kundgebung vor-
anſtalten.
Dirigicren (lat.) lenken, leiten.
Don Quichotte (franzöſiſierte und dong kiſchott geſprochen Form, zum ſpani-
jhen Don Quixote, ſprich! Kichohte) der Ritter von der traurigen
Geſtalt, Held de8 berühmten Ritterromans von Cervantes Saavedra
(1547-1616). |
Emigrant (lat.) Au8wanderer, namentlich die vaterlandsflüchtigen Adligen
- zur Zeit der großen franzöſiſchen Revolution.
Fonds (franz., ſprich fong) Grundſtoc>, Anlage.
Jmponieren (lat.) Achtung einflößen, großen Eindruck macher.
Kolorit (lat., color = Farbe) Färbung, Farbenwirkung.
Konflikt (lat.) Streit, Widerſtreit.
Lyrik (grieh., 1yra = die Leier) Geſamtname für die Dichtung38gattunge,
die Creigniſje der Innenwelt (Stimmungen und Gefühle) behandeln.
Melancholie (grieh., melas = ſchwarz, chole = Galle) „Schwarzgall1-
keit“, Sc<hwerblütigkeit, Schwermut.
Moralität (lat., mores = Sitten) Sittlichkeit, ſittliche Berechtigung.
Omelette (franz.) Eierkuchen.
Peſſimi8mus (lat., pes8imus = der Schlechteſte) Neigung, alles von ver
ſchlechteſten Seite zu nehmen, Schwarzſeherei.
Phantom (griech, Ton auf der Endſfilbe) Trugbild.
Portemonnaie (franz., ſprich PBortmonnäh, porter = tragen, monnaie *=
Münze) Geldbörſe.
Reſignieren (lat.) verzichten, ſich ergeben.
Satire (lat.) Spottgedicht, Spottrede.
Seriös (franz.) ernſthaft.
Stagnation (lat.) Sto>ung, Stillſtand.
Strophe (griech.) Ver3ſat; Abſatz in einem Gedicht oder Lied.
Tedeum (lat., dreiſilbig, te Deum == dich Gott, zu ergänzen: laudam:»
= [oben wir, Anfang3worte des ſogenannten Ambroſianiſchen Lo»9-
geſanges) Lobgeſang.
Trapper (engl.) Fallenſteller, amerikaniſ<her PBelzjäger.
Von dem in dieſer Nummer wiedergegebenen Bild „ Rouget de
Lisle trägt zum erſten Male die Marſeillaiſe vor“ liefert die
Expedition der „Arbeiter-IJugend“, die Buchhandlung Vorwärts (Berlin
SW. 68, Lindenſtr. 69), auf Kunſtdrupapier und in vergrößertem Format
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| Verantwortiich für die Redaftion: Karl Korn. -- Verlag: Fr. Ebert (Zentralſtelle für die arbeitende Jugend Deutſchlands). =- Dru>: Vorwärt8 Buchdruckerei u. Verlags3-
. . - anſtalt Paul Singer & Co, um Sn
Sämtlich in Berlin. - '