Arbeiter-Jugend
| 153
meine Abſicht, au ihn zu ſchreiben. Vor dem ECEintreſſen ſeiner
vintwort fann ich nirgends hinreifen.“
„Wir haben auch keinen ſehnlicheren Wunſch, als daß Sie
der Straße folgen, für die Sie ſich ſelber entſcheiden, aber wir
ind nicht bevollmächtigt, Ihre Briefe nach Lhaja zu befördern;
darüber entſcheidet allein der Gouverneur. Er iſt c8 alſo, mit
dan Sie unterhandeln müſſen; Sie müſſen perſsilich mit ihm
zuſammentreffen. Daher begeben wir uns
wurde, einen ausführlichen Brief an den Statthalier von Safa,
des Inhalts, daß ich derſelbe Hedin Sahib fei, der im vorigen
Jahre hier acweien fei, daß wir ohne böſe Worte und in aller
Jreundſc<haft beichlofen hätten, zuſammen nach Semofu zu ziehen,
daB ich nicht nach Ladaf, jondern direkt nach Indien reiſen wolle
und daß mir Lie Darin beſtimmen könne, auf welchem Wege dies
zu geſchehen habe. Der Brief wurde verſiegelt und mit einent
reitenden Kurier abgeſchickt. Dann plauderten
morgen gemeinſchaftlich naß Saka-dſong. .
„Fein, mein Herr, überall hin, aber nicht
nad) Saka-dſong! Sie wiſſen, daß mein Kara-
wanenführer dort ſtarb und dort begraben
iegt. Es widerſtreitet meinen Grundſägten,
einen Ort zu beſuchen, wo ich einen treuen
Diener habe begraben müſſen. Nach Saka-
diong bringen Sie mich nicht, auch wenn Sie
ganz Tibet aufbieten.“
„Wenn es Ihnen ſchmerzlich iſt, Saka-
diong wiederzuſehen, werden wir gewiß nicht
darauf beſtehen. Wollen Sie ſtatt deſſen die
wüte haben, uns nach Semoku am Tjangpo
auf der Taſam 311 folgen, das wir in nur zwei
Tagereiſen nach Südweſten erreichen können ?
Zh werde an den Gouverneur ſchreiben und
ihn bitten, dort mit Jhnen zuſammenzutreſſen.“
„Gut, ich werde morgen mit Jhnen nach
<Zemotu ziehen.“
„Danke. Jc<h werde den Gouverneur glei
dur< einen Eilboten unterrichten, damit Sie
nicht in- Semofku zu warten brauchen. Aber
jagen Sie mir, weShalb ſind Sie eigentlich
und ſcherzten wir wieder miteinander, und noch .
che die Sonne unterging, waren wir 19 intim,
als ſeien wir ſchon von der Kinderzeit her be-
freundet. ECS war, al3 hätten wir in diejem öden
Tal ein Rendezvous verabredet und freuten
uns jekt, einander nicht verfehlt zu haben!
Daß die Tibeter vergnügt waren, it
leicht beareiflih. Sie hatten ja, als dieie
ſelbe Sonne aufging, nicht ahnen können, daß
ſie no< vor Abend einen io guten Fang
niachen würden! Der glückliche Ausgang ihrer
VDeiſſion fonnte ihnen nur Borteil bringen;
ſic würden vom Gouverncur gelobt und im
Nang befördert werden. Aber auch ic emp-
fand ungeteilte Freude. Meine Freiheit war
freilich zu Ende, aber in Wirklichkeit war jie
ja nur eine außerordentlich nervenzerrüttende
Gefangenſ<aft geweſen. Jett erſt fühlte 1ch
mich vollfommen frei und nicht mehr als Ge-
fangener in meinem eigenen Zelt; jene jämmer-
liche Geheimzellein Abdulsterims Zelt brauchte ich
nun nicht mehr zu benugen. Die Tibeter lachten
herzl ih über meinen zerlumpten, beriußten
wiedergekommen? Sic reiſen und reiſen in
Tibet umher, werden ſtets ausgewieſen und
fommen immer wieder? HSaben Sie im
vorigen Jahre, als Sie gezwungen wurden, das Land auf dem
"Wege nach Ladak zu verlaſſen, denn noc: nicht genug davon be-
fommen? Und nun tauchen Sie wieder mitten unter uns auf!
Wie HFt denn das nur möglich, und weShalb fommen Sie
eigentlich?“
„Weil ih Jhr Land und Ihr freundliches Volk ſo ſchr liebe,
daß ich ohne ſie nicht mehr leben
fann.“ > -
„Hm! E3 iſt ſehr freundlid) .- - |
von Ihnen, ſo zu ſprechen; aber
wäre es nicht beſſer, wenn Sie
ſiatt deſſen Jhr eigene8 Land
cin wenig mehr liebten? Solange
wir keine Reiſen in Jhrem Lande
machen, brauchen Sie auch unſeres
nicht zu durchreiſen. Wir bleiben
daheim; bleiben au) Si e zu Hauſe,
das iſt das beſte, was Sie tun
fönnen!“
' „Solange wie ic noch in einem
Sattel ſien fann, werde id)
immerwiederkommen!SCie
fönnen es dem Devaſchung ruhig
nit einem Gruß von mir beſtellen,
daß die hohen Herrſchaften ſich auf
neue Beſuche von mir gefaßt machen
möchten.“
"Sie lachten vergnügt und
ueten einander an, als wollten
jiv ſagen: wenn er wiederkommen
will, unferetivegen mag er es gern
nia. Und meine Ladakis lachten
*benfaſSs und waren jehr cxr-
iaunt, daß unſer leßter Freiheits-
ig ſo friedlih und ſo Unſtig
«ndekfe. Die Tibeter waren die ganze Zeit außerordentlich liebens.
würdig, höflich und gefügig und ſagten kein einziges hartes Work
über die Mühe, die ih ihnen ſchon wieder. verurſachte. Al3 die
Rode auf die Wollgeſchichte kam, die Abdul Kerim ihnen vorher
woigzumachen verſucht hatte, lachten ſie erſt rec<t herzlich und
erflärten ſie für einen guten Einfall. Sie ſind jelber jo an
Flauſen gewöhnt, daß e8 ihnen imponiert, wenn ein anderer ſie
nit Erfolg hinter38 Licht führt. Sie fanden es auch hö<hſt wunder-
bar, daß wir das ganze Land hatten: dur<ziehen können, ohne
entdeckt zu werder und glaubten, daß ich über geheime Kräfte ge-
biete, um deretwillen man mit mir vorſichtig umgehen müjje!
Nun ſ<hrieb der junge Beamte, der Rintſche Dortſche hicß,
aber Rindor =-- eine Zuſammenziehung beider Namen = genannt
Lobſang, einer der kreuen Diener Hedins.
und fettigen Anzug von grober grauer Sacklein-
wand, in dem ich wie ein Sträfling, im beſten
Jall wie ein Bettelmön< des Orden5 der Kap1-
ziner ausſah. Daß ich darin unbemerkt und unentdeckt dur< ganz
Bongaba hatte kommen fönnen, war ihnen aber verttändlich. Wie
ichön war es jeßt, den ganzen Anzug ins. Feuer werfen und einen
neuen fauberen tibetiſchen anlegen zu können, die Papiere und
Nnſirumente nicht länger in ReisSfſäden vertteden und fich nicht
jeden Morgen das Geſicht, anſtatt zu waſchen, mohrenſchwarz an-
tuſchen zu müſſen! Cobald wir uns
Suän, der „DBergnügungsrat“ der Karawane Hedins, tanzend.
am Abend von unſeren neuen
Zreunden getrennt hatten, mußte
mir Gulan in einer Waſchi<hünel
heißes Waſier bringen. Und nun
folgte in meinem Zelt eine 1chr .
gründlihe Waſchung vom Kopf
bis zum Fuße = und man 1ah
es am Watfier, wie nötig dieſe
Waſ<hung war! Viermal mußte
Gulan friſches heißes Waſer bringen,
che ich mich wieder einigermaßen
rein fühlte.
So endete der 24. April 1908.
Eigentümliche, melandoliſc<e Ge-
danfen ſfürmien auf mich oin,
als ic) mich ſIhlafen legie. Schon
wieder hatten die Tibeter meine
Pläne durchkreuzt = i< weiß
ni<t, zum wievielten Vale!
Meine Zukunft war 1o dunkel wie
nur je zuvor! Aber in meinem
Sci>ſal begann jetzt eine neue
Periode; am 25. ſol ich zu einem
neuen Kapitel erwachen. Das im
Tal herrſchende tiefe Schweigen
wurde nur dann und wann durd)
Vakkar unterbrochen, welcher treu
SEESEN . vor meiner Tür ſtand und die
Tibeter anbellte. Sein Bellen erwe>te das Eho beider Bergwäande
=. es flang, als ob mich drei Hunde bewachten. Und die ewigen
Sterne funkelten wie früher über unſeren einfamen Zeiten.
=>
= Barum und wie ſollen wir Deutſch lernen?
ichtig deitſich zu ſprechen und zu ſchreiben verſteht vielleicht
FÜ dor zwanzigſte Teil unſeres Volkes. Es kommen alfo auf
VF ST oden Deutſchen, der ſeine Mutterſprache wirklich veherrſcht,
neunzehn, die mit ihr beſtändig im Kampfe liegen. Gewiß iſt
nicht alle3, was dieſe neunzehn Zwanzigſtel jagen oder ſ<reiben,
fehlerhaft oder falſch; gewiß gibt e8 innerhalb diejer Veberzahl