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Arbeiter-Jugend
von - „ichlechten Deutſc<en“ vielerlei Abſtufungen, vom früheren
ländlichen Volksſchüler, der nur die Mundart
Ipricht und kaum ein einziges Wort ohne Fehler ſchreibt, bis eiwa
zur höheren T Tochter, der da ſchriftliche Fehler „nur“ alle zehn
Zeilen paſſieren, während ihre Sprachmängel ſogar dem größten
Teil derer, dic jich gebildet nennen, gar nicht einmal aufzufallen
pflegen. Aber jie, die faſt Deutſch Fann, und er, der e3 gar nicht
kann, find beide geſchieden von den Sprachmächtigen, die da
wi ſ7 en, was gut und böſe iſt in der Sprache. Zu dieſen Wiſſen-
den nun zu gehören, die Sprache ganz in die Gewalt zu bekom-
men, fie al8 Werkzeug de8 Verſtande3 handhaben zu lernen, das
muß das Sireben jedes aufgeflärten und fortſchritt8hungrigen
WMenj Iden | ein.
Zu ven neunzehn Zwanzigſteln, die ihre Mutterſprache nicht
beherrſchen, gehören wohl alle Jugendlichen, die aus der VolkZ3-
ihule Ffommen. Nur ausnahms38weije mag einer von ihnen ganz
Ichtiges Deutich zu ſprechen oder gar zu ſc<reiben imſtande ſein.
Dann iſt das aber nicht der Volksichule zu danken, ſondern be-
onders günjiigen Umjitänden außerhalb der Schule, vor allem
at va dein Cinfluß der Eltern, wenn dieſe zufällig einmal im Be-
nge einer gewiſſen Bildung jind. Von jolchen vertc<hwindenden
Ausnahmen müſen vir natürlich abjehen.
Wenn alſo der Jugendliche den Wunſ< hat,
volitiſchen Aufflärung und Schulung auc< feine allgemeine Bil-
DUNG ZU pflegen, jo muB er mit in erſter Linie das Werkzeug der
Gedanfen, dic Sprache, beherrſchen lernen. Ja, auc<h gerade zur
Gewmnung volitiſcher Erkenntnis und politiſcher Kenntniſſe iſt
Die aAlgenleaunt Bildung und, als ihre Grundlage, die Spracbge-
wandtheit und Sprach) cherheit von allergrößter Bedeutung. Selbſt
dor JUg ondliche, der nicht den Beruf in ſich fühlt, durc<h die Schrift
„in die Kämpfe feiner Klaſſe einzugreifen, wird doch beim münd-
tichen Gedankenaustau1<, 16i e38 in vffentlicher Rede, jei e8 im
Geipruch, ganz anderes leiſten, wem er der Sprache wirklich
mächtig ilt. Das gilt ganz beſanders im Hinbli> auf den Wort-
Fampft mit jogenannten gebildeten Gegnern. Man muß nämlich
die beiſpielloſe Roheit des gebildeten Bürgertums kennen, die den
ungebildeten Arbeitern den dieſes Bürgertum in die dürftige
Volksichule verbannt) ob feiner Sprachfehler verachtet und ver-
vöhnt. Bei einer öffentlichen Ver janunlung in Marburg an der
Qahn erlebten wir e8 vor einigen Jahren, daß ein Arbeiter, der
in der Disfuſſion auftrat und häufig Sprachſchniter beging, von
den zahlreich amvejenden Studenten, aljo von den Gebildetſten
dor Gebildeten, einfach nicdorgewichert vurde, Bei jedem Fehler
erhob fich briüilendes Gelächter, und auf den mehr und mehr ver-
logen werdenden Arbeiter (er j<ämte fic wohl und mit Recht,
mit dieſen Burſchen ein gemeinſames Vaterland zu haben) jauſten
homie Zurufe von allen Seiten hernieder. Man kann micht
einn ENDEN, es Habe fich um Studenten gehandelt, um dumme
Vungen (deren politiſche Unwiſſenheit kürzlich dur<ß eine Umfrage
io id lagend ermwicten wurde), "ms erwachſene Gebildete würden
fich anvers8 benehmen. Im Gegenteil, die Sprahiſchnißer des Ge-
noſſen Adolf Hoffmann, der ja auch aus der geprieſenen deutſchen
Volfsichule hervorgegangen iſt, wurden im Preußiſchen Landtag
mit derſelben rüden Heiterkeit begrüßt, wie die de8 erwähnten
Arbeiters in der Marburger Verfammlung. Die erwachſenen
„Edeiſten und Beſten“, die "Zunfker, jind dem Nachwuch8 des ge-
Lilbeten Bürgertums 'vollfomnen gleichwertig.
Nber ſelbſt wenn der Jugendliche, wie auf die ſchriftliche, fo
auch auf die mündliche politiiche Betätigung verzichtet, ſo bedarf
er voc, wofern er eben überhaupt den Trieb zur Weiterbildung
bofikt, i<Mon fir die paſſive, für die nur empfangende Beſchäfti-
gu 14 mit politiſchen agen einer möglichſt großen Gewandtheit
im Gebrauch und vor allem im Verſtändni3 der Sprache. Er
befommt nicht mehr, wie in der Schule, jeden Saß vorgekaut
und erklärt; er bekommt nicht mehr die einfachen und leicht ver-
ftändlichen, überdies einander in ailen Klaſſen ziemlich gleich
bleibenden Leteſtücke der Schulbücher vorgo2ſekt; er darf ſic) auch
nicht mehr auf das Leſen von leicht geſchriebenen Erzählungen
beichränfen, die Leſtenfalls dem Verſtändnis der „reiferen Jugend“
angepaßt, das heißt nämlich immer no< ſehr Findlich gehalten
jind. Sondern der bildung3hungrige Jugendliche muß lernen,
ernſthafte Schriften zu leſen, ernſthafte Reden zu hören. Die
jeßt ſhon vieljährige Entwickelung der Arbeiterbewegung, und
beſonder3 der deutichen Arbeiterbewegung, hat in der Geſtalt
und im Gehalt unſerer Reden und Schriften gewiſſe Ueber-
heferungen, gewiſſe Vorausſekungen geſchaffen, deren Kenntnis
jedem aufgeklärten Arbeiter nofwendig iſt. Darüber hinaus aber
erfordert die beſtändig .wechſelnde wirtſ<haftliche und politiſche
Lage, wie vom Redner und Schriftſteller die Fähigkeit, in Wort
und Schrift immer auf8 neue zu den Einzelfragen Stellung
zu nehmen, 1o aud) vom leßten Mann des laſſenbeivußten
Rroletarierheeres die Fähigkeit, in den Verſammlungen, in den
Vorträgen, in den Zeitungen, in den Broſchüren uſw. den je-
jeine3 Dorfes
neben feiner
Deng
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weiligen Ausführungen mit gutem Verſtändni3 zu folgen. Das
iſt gewaltig ſ<wer für einen armen Kopf, der acht oder neun
Jahre lang faſt nur mit bibliſcher oder vaterländiſcher Geſchichte
vollgeſtopft worden iſt. Zwiſchen den Leitartikeln eine3 beliebigen
General oder Lokalanzeiger3 und denen. unjerer Parteipreſſe beſtcht
ein grundſäßlicher Unterſchied in jeder Hinſi<t. Unſfere Blätter
jind micht zur Unterhaltung und zur Befriedigung der Neugierde
da; jie ſind beſtimmt zur Aufklärung, zur Belehrung, zur poli-
tiſchen und allgemeinen Bildung. Demgemäß iſt ihre Lektüre
kein Zeitvertreib, keine Zerſtreuung, ſondern eine geiſtige Arbeit.
Und da8 um ſo mehr, je ſchwerer die Lektüre dem um ſeine
Bildung ringenden Proletarier fällt, je mehr er ſelbſt um das
BVerſtändni3 der äußeren Form, um da3 Verſtändnis des ſprach-
ſichen Ausdrüds zu kämpfen hat. Die Schwierigkeit wächſt bei
dem Cindringen in wiſſenſc<aftliche, beſonder8 politiſch-wiſſen-
Ichaftliche, und in künſtleriſche Werke.*
Doch dies alle3 war den Letern der „Arbeiter-Jugend“ wohl
Taum erſt noc<4 zu beweiſen. Höcſten3 vielleicht im Zuſammen-
hang re<ht eindringlich und in ſeiner ganzen Vedeutung klar
zu machen. Um ſo mehr iſt es nötig, die no< nicht für die
„Zugendbewegung gewonnenen Jugendlichen darauf hinzuweiſen.
Aber wir müſſen dieſen wie den ſchon aufgeklärten jungen Prolc-
tariern zugleich die Frage beantworten, die ſie alle auf den Lippen
haben werden: Wa3 follen wir tun, um Deut/ſ< zu
lernen? (Schluß folgt.)
*) Für die Wichtigkeit der Sprachbeherrſchung im Leben3fkampf nu:
ein Beiſpiel: Gin Mann hatte geäußert, die Alter83= und Invaliditäts.
verficherung bezwed? nur die Beſchaffung von Pöſt<en für Militäxr-
anwärter. Der Mann wurde angeklagt. Als der Richter ihn fragte.
ob ex dieje Behauptung aufrechterhalten wolle und ob er wirklich glaut Ky
vaß die Verſicherung aus dieſer Abſicht errichtet ſei, antwortete dcr
Angeklagte ganz ireuherzig und <riumphicrend: „39 habe Ja nich
gejagt, das jei die Ubſicht, ſondern nur, das würde bezwedi.“
Der Mann wurde deswegen verurteilt! Sr hatte Le3wecden“ mii
„pewirkfen“ verwechſelt, was der „weltfremde“ Richter nicht be-
merkte.
es
Der Lenz iſt da!
Der Lenz iſt da. Auf Baum und Strauch
iegt ſchon ein zarter grüner Hauch.
In allen Zweigen drängt und ſchwillt
ein Sehnen, ungeſtüm und wild.
Das rec>t und ſtre>t ſich nun zum Licht,
bis aus vieltauſend Knoſpen bricht
ein reicher Blütenſegen wieder
und jubelnd ſchmettert ihre Lieder
die Lerche wieder in die Luft.
Du aber, Menſc<, von Glanz und Duft
und goldnem Sonnenſchein umfloſſen,
ſtehſt zagend noc< und unentſchloſſen,
als glaubteſt du das Wunder nicht,
das doch lebendig zu dir ſpricht
- vom Wirken heimlicher Gewalten,
- die eine neue Welt geſtalten,
mit einem Mal geſprengt den Bann,
der ſie zu lange ſchon umſpann.
O, glaube nur an deine Macht,
und wolle nur, dann weicht die Nacht
aus deiner arbeitsmüden Bruſt,
und friſcher Mut und Daſeinsluſt
ſtrömt dir von neuem durch die Glieder,
in deinen Augen leuchtet wieder
die alte Hoffnungsfreudigkeit.
Mit deinen „Fäuſten ſiegbereit
zerſprengſt du deiner Sklaverei
unfel'ge Feſſeln, machſt dich frei,
und bauſt dir auf dem Trümmerfeld
der alten =- eine neue Welt. Kart Petersſon,