24 . Arbeiter- Jugend
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Ein fühner Forſcher.
ME ir dürfen un38 freuen, wenn in unſerer von kleinlichem
/ % Geſchäftsgeiſt verſeuchten Geſellſchaft ab und zu noch
fühne Leute auftauchen, die ihr Leben für große, die
ganze Menſ<heit angehende Dinge zu wagen wiſſen. Zu 1ihnen
aehören die Männer, die abenteuerluſtig hinaus8zichen, um Pole
zu Tuchen oder fremde, wilde Länder auszukundſ<aftan. Won
einem Jol<en Manne wollen wir heute berichten, von Sven Hedin
nämlich, dem ſchwediſchen Aſienforſcher, in dem no< der Wagemut
ſeiner normanniſchen Vorfahren
zu ſpuken ſcheint. Mit dem
Mute jener Menſchen, deren
Wille unbeugſam aufs Ziel
gerichtet iſt, dur<kreuzte er als
faum Dreißigjähriger von 1894
bis 1897 die inneraſiatiſchen
Wüſteneien bis Peking und
fehrte über Sibirien nah ſeiner
ſIHhvediſchen Heimat zurück.
Jber das Land feiner
Forfiherträume hatte er nicht
erforichen können : Tibet. Cin
vdes, rauhes, unter <inetiſcher
Oberherrſchaft ſtehendes Ge-
biet, in deſſen ewigen Scnee-
wüſten zerlumpte, halbmongo=
liſche Nomaden einſam umher-
ziehen, wo wilde, wegeloſe
Gebirge in den Himmel ragen,
Näuber, Wölfe, Yaks und
Bären hauſen, eine abſolutiſti-
ihc Prieſterfaſte das Volk aus8-
beutet und Europäern den
Sintritt ſtreng verbietet. So
war denn auch Sven Hedin
von ciner tibetiſchen G3forte
aus dem Lande gedrängt
worden, nachdem er auf ſeiner
zweiten großen Neiſe 1900 bi38
1902 durc< alle Schrecken der
afiatiſchenWüſten bi8nach Lhaſa,
der Hauptſtadt des „heiligen
Landes“ vorgedrungen war.
Doc< wenngleich er Tibet in all feinen geographiſchen und
anthropvologiſchen Verhältniſſen m<t hatte erforſchen können, es
waren voc<h wichtige, für die Wiſſenſchaft hochbedeutſame Auſf-
tlärnngen über Land und Leute, die er bei feiner Rückkehr aus der
verbotenen Welt mit nac< Hauſe brachte.
Aber Sven Hedin war nicht ver Mann, der auf Lorbeeren
ausrubt. Er ſaß in ſeiner Heimat und gedachte der großen geo-
graphiſchen JNätfel, die Tibet noFg immer zu löjen bot. Noch
inmer wies die engliſche Tibetkarte zwei große weiße Fle>e, das
heißt unerforſchte Gebiete, auf. Die weißen Flecke wollten ihm
nicht aus vem Kopfe, das Blut der alten Wikinger regte ſich in
ihm, die Sehnjucht nach den Gefahren der unbekannton WildniS8,
nach dem fla>ernden Schein der Lagerfeuer. Und ſo zog er denn,
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finanziell unterſtüßt von cinigen Gönnern und einer an: dem
Unternehmen intereſſierten Kawpitaliſtengruppe, im Herbſt 1906
aufs neue aus, um ſich in die rauhen Gefilde Tibets hineinzuy-
wagen. Ohne den Schuß einer Regierung, ohne Es8korte, drang
cr heimlich über die nordindiſc<he Grenze hinweg mit einer Karg-
wane von mehreren Dußend Männern, Pferden und Mauleſeln
in die Wüſtenei vor. Die Latjttiere müſſen am Zaume über unbo»
fannte, verſchneite Gebirg3päſſe von 5000 Weter Höhe geführt
werden, Kälte, Sturm und Laſten reiben die Tiere auf, faſt an
jedent Tage ſtürzt ein Pferd, um ſic< nicht wieder zu erheben. Und
wenn die Karawane am Morgen
nach 20 oder 30 Grad Nacht-
kälte die Lagerzelte zur Weiter-
reiſe abbricht, bleibt immer ein
über Nacht krepiertes Laſttier
zurüt. Zeitweiſe trennt ſich
Hedin von ſeiner Karawane,
nimmt ein, zwei Männer und
ſein zerlegbares Boot mit auf
den Weg und erforſcht dieſen
oder jenen ſeitlich liegenden
See. Und nur dankt jeinem
unerſ<hütterlichen, mit Geiſtes-
gegenwart gepaartem Wagemut
rettet er mehr als einmal jein
und ſeiner Begleiter Leben aus
plößlich einſezenden Seeſtürmen
und ähnlichen Gefahren.
So gehen Wochen und Vo-
nate in Abenteuern, Mübfal
und Arbeit hin. Der Beſtand
der Tiere ſchrumpft unter ven
Schre>en der faſt grenzenlos
ſcheinenden winterlichen Cin-
ode auf dice Hälfte der «i-
fänglichen Zahl zuſammen,
Naben und Wölfe find ſtändige
Begleiter, und die Karatvancen-
treiber, arme, halbtatariiche,
in Ladakh angeworbene Prole-
tarier, erfämpfen mit ven
maroden Laſttieren täglich
faum no< 15 Kilometcr Weg-
ſtre>os. Bald handelt cs jich
für die tollfühne, unerſchrodune Shar nur no< um83 nackte Leben,
aber unbeirrt macht der For<er täglich Kartenzeichnungen und
Landſchaft3entwürfe, meiſt mit erſtarrten Fingern, über das Kohlen-
been gebeugt. Da endlich -- nach ziveimonatiger, erſchöpfender
Wanderung =- ſtößt Hedins Karawane auf die erſten Jagdgründe
der Cbene und bald auf die erſten Eingeborenen, arme, nomadi-
jierende Tibeter, von denen Hedin zahme Yaks3 als Laſttiere käuf-
lich erwirbt.
Jeßt, da Hedins Zug die ſchlimmſten Sturim- und Schnece-
ichre&en überſtanden und in eine auf der Karte als unerforſcht be-
zeichnete bewohnte Gegend gelangt, droht eine neue Gefahr: die
Austreibung aus dem für Europäer verbotenen Lande. Aber
unſer Held weiß ſich auch hier zu helfen. Den ihm entgegentreten-
Heodins Zelt im 41. Lager in Nordtibet.
JTellboote auf dem Tſanapo, dem hoiligen Strom Tibots,