Full text: Arbeiter-Jugend - 2.1910 (2)

 
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Eingetragen in die Poft- Zettungsliſte . H 
| Nr.2 26 | 
„Berlin, 1 7. Dezember | 
it 69. AUE Zuſe Vorwärts .. . oe . 
ndenſtraße e Zuſchriften vdie- ; “ 7 
„Reda tion ſind zu richten an Karl Korn, 1910 um 
| Lindenſtraße 69, Berlin SW, 68 SEEN 
 
"Die bürgerliche Jugendbewegung. 
wine beiſpiellos wüſte Hezze hat 'neuerding3 gegen die freie 
KY, Zugendbewegung eingeſeßt. Die Organiſationen der arbei- 
- „tenden. Jugend werden der Reihe nach: aufgelöſt, obwohl ſie 
' ſich ſtreag an das Vereinsgeſeg halten: und ausſchließlich wirt- 
"ſchaftliche und bildende Zwecke verfolgen. Die Veranſtaltungen 
unſerer Jügendausſchüſſe wern. mit Polizeigewalt verhindert, - 
- obwohl auch die Ausſchüſſe peinlichſt bemüht ſind, den. Fußangeln 
 
und Selbſtſchüſſen aus dem Wege“ zu gehen, die der proletariſchen 
- JFugendbildungsarbeit durch den Wortlaut und die landeSübliche 
Anwendung der Geſetze gelegt ſind. Schon wird in den Organen 
der Wrudcer und Tunker unverfroren der Ruf nach Ausnahmege- 
ſeen wider. die proletariſche Jugend erhoben, wiewohl in der 
Praxis der- Gerichte und Polizei unſere Jugend längſt unterm. 
Standrecht ſteht. und Ausnahmen, die zur Regel. geworden ſind, 
- wahrhaftig nicht durch GeſeßeSparvagraphen 'bemäntelt zu werden. 
brauchen. Das Ausnahmegeſetz gegen die freie. Jugend iſt da. 
- und wer noc< daran zweifelt, gehe nur auf-die andere Seite des 
Weges und ſehe ſich mit eigenen; Augen an, wie es die-Jugend- 
| organiſationen der Gegner treiben. . Für die frommen Jugend-. 
- vereine gibt es keine verein8geſeßlichen Fallſtricke; nach HerzenSs=- 
„Iuſt können ihnen ihre Leiter Politik vormachen. Natürlich: dieſe. 
gPolitik“ iſt ja gegen die Roten gerichtet, “und gegen die Roten 
- iſt den Kindern Gottes alles erlaubt. Und nicht nur die Frommen 
- werden auf die freie Jugendbewegung losgelaſſen mit Waffen, 
"die der freien Jugend ſtreng verboten ſind =- auch die patriotiſchen 
Jugendvereine 'oder die Jugendabteilungen patriotiſcher Vereine 
- von Erwachſenen können ſoviel Politik verüben, als ihnen irgend 
beliebt. Geht man doch neuerdings vielfach ſ9 weit, die Fortbil- 
n dungsſc<hule der Deutſchen Turnerſchaft auszuliefern, und welche - 
Sorte Politik die Deutſche Turnerſchaft vertritt, ſollte doch nach- 
- gerade gerid) t5notoriſch jen 
- Mit Reitſche und Zuckerbrot juchen die Sachwalter des 
Klaſſenſtaates die Zugend der Arbeiterſchaft zu kurieren, wie ſie 
mit Peitſche und Zuckerbrot die Väter „der Arbeiterjugend“ von- 
ihrem Drang nach Kultur und Freiheit zu kurieren gedacht hatten 
in jeney entſhwundenen Tagen, da das Proletariat no< in den. 
Kinderſchuhen. ſeines Klaſſenbewußtſeins ſtete. Nur daß .im 
Falle des Jugendproletariat3 Peitſche und Zuderbrot nicht hinter- 
einander demſelben Opfer des offiziellen Liebe8Swerbens vorgehal- 
- ten. werden, fondern von vornherein an die beiden entgegenge- 
fekten Lager verteilt ſind: die Peitſche den troßigen Anhängern - 
der freien Zugendſache, das Zuerbrot für die Poſaunenengel der 
Paſtoren- und Kaplansvereine.- 
Wer im einzelnen wiſſen will, wohin der Qurs ſteuert, ſei auf 
die ſoeben erſchienene, von. der Zentralſtelle für. die arbeitende 
- Jugend. Deutſchlands heraus8gegebene Schrift: Die bür ger- 
| liche Jugendbewegung von K. Korn hingewieſen, die 
in beträchtlich erweitertem Umfange das Referat wiedergibt, das - 
ihr Verfaſſer auf der Berliner Jugendkonferenz dieſes Jahres ge- 
halten hat und das laut. Beſchluß der Konferenz im Druc . 
erſcheinen ſollte. Jeder. in der Jugendbewegung tätige Ge- 
| noſſe jollte ſich in den Beſitz. der Schrift ſeen. Aber auch die 
- Jugendlichen ſelber werden. aus ihr mannigfache, Belehrung 
- ſchöpfen können, ſowohl über die Gefahren, die ihrem Vorwärts8- 
- ſtreben. von gegneriſcher Seite drohen, als au< über die Not- 
wendigkeit, ihre Alter3genoſſen, Lehrkameraden und jugendlichen 
Mitarbeiter der. ſreien Jugendbewegung zuzuführen. 
- beitern gegneriſchen. Vereinen an. 
fluſſung durc< die konfeſſionellen und patriotiſchen 
freunde“ entreißen, ehe ſie endgültig der Sache des Proletariat8, 
Teil der Schrift gewidmet. 
ſteiglicen Wall Halt zu machen braucht. 
So erfreuliche Fortſchritte duch die freie Jugendbewegung 
- unter den gewerblich tätigen Schalentlaſſenen macht, ſo gehören 
doc< nod viele Tauſende von: Lehrlingen“ und jugendlichen Ar=- 
Wollen wir dieſe der Beein-- 
ihrer Klaſſe, entfremdet und. zu künftigen Mitgliedern der <rift-. 
lichen oder gelben Arbeiterbewegung gedrillt ſind, ſo müſſen wir 
. vor allem um die Bedeutung -und das Weſen der gegneriſchen 
Jugendvereine Beſcheid wiſſen. Dieſer Information Hſt der erſte 
'Die einzelnen großen Gruppen der- 
bürgerlichen Jugendbewegung, - die katholiſchen Jugendvereine und. 
Kongregationen, die evangeliſchen. Jüngling3vereine in ihren ver 
ſchiedenen Spielarten von der orthodoxeſten Rechten bis zu den“: 
neueren. Gründungen - der - liberalen Theologen, die vielfachen 
-Formen der ſogenannten interkonfeſſionellen- Jugendfürſorge, . dazu- 
die loſen Veranſtaltungen der Lehrling38horte und .-Feierabende, 
- werden der Reihe nach vorgeführt, ihre Organiſation geſchildert, 
ihre Unterſchiede nach den verſchiedenſten Geſichtspunkten, zu er- 
faſſen geſucht; auch. die vorhandenen weiblichen: Vereine. werden 
bei jeder Gruppe berücfichtigt. | 
So: unüberſehbar danach“ anch: auf den erſten Bli die Am | 
hängermaſſen der verſchiedenen . Richtungen der bürgerlichen. " 
Jugendbewegung, beſonders ihrer. kornifeſſionellen Abteilungen, er H 
ſcheinen mögen, ſo- ergibt doch: eine Unterſuchung der örtlichen: 
Verbreitung dieſer Vereine ſowie der ſozialen Schichtung und der. 
Altersſtufung ihrer. Mitglieder, daß die Auſgabe, die. "unſerer 
Jugendbewegung in bezug-auf Propaganda und Agitation geſtellt 
iſt, durc<aus nicht untö8bar iſt, durchaus nicht vor einem unüber- 
Vielfach müſſen die 
Leiter jener Vereine ſelbſt. zugeben, daß- ihre Bemühungen an - 
dem eigentlichen, dem . großinduſtriellen Jugendproletariat 
ſc<eitern. W 
zuſehen ermöglicht erſt die auch in unſerer Broſc<üre gehandhabte 
Methode der ſozialiſtiſchen Geſellſ<aftskritif, die hinter den 
geiſtigen Erſcheinungen immer die ſozialen Urtfachen zu ermitteln - 
Tücht. 
Brauchen wir un8 ſo. von der bürgerlichen Jugendbewegung 
troß ihres gewaltigen Umfanges nicht ins Bockhorn jagen zu | 
laſſen, ſo haben wir andererſeits doch keine Veranlaſſung, den 
Gegner zu unterjchäßen, und die Kornſche Broſchüre gibt denn = 
auch vielfach Fingerzeige, was wir von jenen zu lernen haben. 
"Von noc< größerer Bedeutung für unſere geſamte Augend- 
arbeit iſt aber der zweite Teil der Broſchüre. Hier werden die 
Genoſſen Darlegungen und ein Tatſachenmaterial Finden, das - 
- den meiſten: von ihnen vollfommen neu jein wird. Aus den kon-. 
feſſionellen und den bi8herigen interkonfeſſionellen Jugendvereins- 
und Jugendfürſorgebeſtrebungen hat ſim in „Jüngſter "Zeit eine 
neue Bewegung entwicelt, die ſtaatliche Jugendpflege, 
die auf dem Felde de8 Kampfes um die Jugend das erſtrebt, was 
auf wirtſ<aftlichem und politiſchem Gebiete längſt im Werden 
begriffen iſt, den Zuſammenſchluß ſämtlicher Intereſſentengruppen 
Des Klaſſenſtaates zum gemeinſamen Vorſtoß gegen die Arbeiter- 
bewegung, in dieſem Falle die proletariſche Jugendbewegung. | 
Den Verſuch, das Proletariat der Erwachſenen, ſei es durch 
Lockungen, ſei es durc< Drohungen, ſeinen Klaſſenintereſſen und 
Yeinem kulturellen Aufwärtsſtreben abtrünnig zu machen, hat man 
als hoffnungslo3 aufgegeben. Nun gilt es, bei der proletariſchen 
- Jugend zu“ retten;:was zu retten iſt. Geboren aus der Einſicht in 
die Unzulänglichkeit der konfeſſionellen Jugendbewegung, Hehl 
| „Jugend- | 
Weshalb ſie aber ſcheitern müſſen, dies klar ein=
	        
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