Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

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Die Eiſenbahnkaiaſtrophe. 
Tarl: Sat denn der Kinobeſißer ganz allein zu beſtimmen, 
wa3 aufgeführt wird? 
Onkel: Natürlich hat er das, und der denkt nur an ſeine 
Einnahme. 
Karl: Kann man denn dagegen gar nicht3 machen? 
Onkel: Einiges wohl. Unſer hiefiges Gewerkſchaftskartell 
ward in der nächſten Zeit in einem Kino jede Woche eine Muſter- 
vorſtellung geben. Da werden die Aufnahmen aus der Natur, 
aus dem Wirtſchaft8leben der Völker die Hauptfache ſein. Wean 
plant auch öder iche Kinobühnen, deren Programm von. jach- 
verſtändigen und gebildeten Männern kontrolliert würde. Wirk- 
lich iſt auch ſchon ein Gemeindelichtſpielhaus8 zu Eickel im Land- 
kreis Gelfenkirc<en eröffnet worden. Und in Stettin iſt ein 
ſiadtiſches Kinematographentheater im Entſtehen begriffen. 
Karl: Ei, da3 iſt ja ſehr ſI<hsn. Aber, lieber Onkel, ein 
bißchen Ulf und Kunſtſtücke und dergleichen dürfen doch auc< dort 
vorgeführt werden? Sonſt ijt'3 ja wie in der Schule. 
Onkel: Aber gewiß, mein Junge! Nur nicht3 Unwahres, 
nicht8 Ordinäres und nichts, wa38 ſich dur< Worte oder durch 
Gemälde beſſer darſtellen läßt! Die Hauptſache wird für das 
Kino immer die Wiedergabe der bewegten Dinge im Menſchen- 
Leben und in der Natur jein. Friß Elsner. 
Fe 
Kinematkographiſche Tris. 
(Aieliergeheimniſſe einer Kinofabrik.) 
27 m Kinematographentheater werden häufig Aufnahmen vor- 
3 geführt, „über die man nur in3 höchſte Erſtaunen geraten 
tann. In jüngſter Zeit, wo in allen Städten der Welt 
zahlreiche Kinematographenthater entſtanden ſind, die dem ſcha1- 
luſtigen Bublifum immer wieder Neue8 und abermal8 Neze3 
bieten müſſen, iſt man darauf verfallen, auch die merkwürdigſten 
Dinge vorzuführen, die natürlich nur unter Zuhilfenahme be- 
jonderer TZ Tricks „aufgenommen werden können und ganz unwahr=- 
ſicheinliche Vorgänge zeigen, ſo zum Beiſpiel der Film „Die ver- 
zauberte Tiſchlerwerkſtatt“. Er zeigt eine Tiſchlerwerkſtatt. Man 
ſieht Werkzeuge von ſelbſt arbeiten. Dieſe Wirkung wird fol- 
gendermaßen erzielt: Der Operateur, d. h. der Mann am photo- 
graphiſchen Apparat, regelt den Gang ſeines Apparates durch 
ein clettriſche8s Syſtem von folher Genauigkeit, daß er nur ein 
Bild bei Leder Drehung der Kurbel aufnehmen kann. Der 
Inſzeneur, der Mann, der die Aufnahme arrangiert, zieht die 
Säge oder den Hobel um einen oder mehrere Millimeter zurück; 
er ſelbſt entfernt fich, und der Apparat nimmt da38 Bild auf. So 
gebt e3 weiter, fo daß der Apparat am Schluſſe der Aufnahme 
 
fortlaufend die einzelnen Lagen der einzelnen Gegenſtände auf= 
genommen hat, und zwar genau jo, al3 ob ſie durc<. die Hand des 
Tiſchler38 in Bewegung geſebkt worden wären. Läßt man dann 
die Bilder mit normaler Sc<nelligkeit auf . der Leinwand er- 
ſcheinen, dann erſcheinen alle Lagen der Werkzeuge ohne- Unter-. 
brehungen, und man erzielt die Täuſchung, daß alle Werkzeuge 
von ſelbſt arbeiten. 
Arbeiter-JIugend 
. Aehnlich und ſehr wir 
kungö8voll iſt auch die magiſch 
Kaffeekanne, die wie durd> 
Zauberwort, ohne daß einc 
Hand ſie berührt hätte, plöß- 
lich fich vom Tiſche erhebt, 
über die Taſſe ſchwebt und 
dieſe mit Kaffee füllt. Bei 
der Aufnahme wird der Griff 
der Kanne an einem Faden 
befeſtigt und die Kanne mit- 
tel8 des Fadens in die Höhe 
gehoben, To daß ſie über der 
Taſſe ſ<webt. Auf der Photo- 
graphie wird der Faden weg- 
retuſchiert, ſo daß man ihn 
nicht ſieht. -- Auf einem 
anderen ilm ſieht man eine 
Henne, die ein Ei legt. Aus 
dem Ei ſchlüpft ein Kücken 
heraus; gzufehends raſch 
wächſt das Kücken, legt 
ſelbſt wieder ein. Ei, und ſo 
entſfiehen vor uns in raſcher 
Volge Dußende von Kücken 
und Eiern. Wie der Beſiter 
des Hühnerhofes erſcheint, 
ſchlägt er: die Hände über 
deim Kopf zujammen. Schnell greift er mit den Händen die 
Kücden, preßt ſie zu einem einzigen zufammen, ſte>t diejes wieder 
in: das Ei und das Ci in die Henne hinein. = Wie Fommt eine 
 
ſolche Aufnahme zuſtande? Keine Henne läßt ſich beim CEierlegen 
zuſehen. GC3 wird de8halb zunächſt eine Hennsg aufgenommen 
und da3 Ci an einem Bindfaden [fo hinter ihr vorgezogen, daß 
e3 ausſieht, al38 ob die Henne das Ei geleat habe. Hierauf wird 
in einem künſtlichen Brutapparat das Ausſ<lüpfen eines Kückens 
aufgenommen. Dann werden fich bewegende Kücken in ver- 
ihiedenen Altersſtadien aufgenommen. Die einzelnen Filmauf- 
nahmen werden jo aneinandergeklebt, daß e8 ausſicht, als ob einc 
ununterbrochene Folge von Vorgängen ſich abſpiele. Nam legt 
die herangewachſfene Senne auf die ſf<mon genannte Weiſe ein oder 
mehrere Eier, und da in einem Brutapparat immer gleich fünfzig 
und mehr Eier vorhanden ſind, aus denen faſt ununterbrochen 
Küden ausſc<hlüpfen, jo iſt e8 leicht, das AuSſchlüpfen beliebig 
 
Der Flug über den Ozean,
	        
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