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erfenntni8, in der Hen>ell die ſeiner Dichterſ<haft von Haus aus
geſekßten Schranken niemal3 zu überſpringen vermöchte, wäre manch
anderen unterer neuzeitlichen Lyriker zu: gönnen. Aber 1inner-
halb der Empfindungsdichtung umſpannt ſeine Begabung (von
der Miſchart der Ballade abgeſehen) ein weite? Reich bis zum
gen Spottgedicht, zu deffen wirkungskräftigſten Vertretern
er zuhlt.
Jett hat Karl. Hen>ell die Höhe de3 ManneZalter3 erreicht.
Man fann kaum glauben, daß fein dichteriſches Schaffen abge-
ſchloſſen ſein ſoll. Noch iſt, jo ſcheint e3, bei ihm das Ringen um
eine Weltanſchauung nicht abgeſchloſſen; und wenn nicht alles
täuſcht, werden wir von Karl Hendkell noch manches Wort felbſt-
erfämpfter Leben3weiSheit, in edle, künftleriſche Form gegoſfen,
zu hören bekommen.
Seute aber gilt'3, ſich de3 von dem Fünfzigjährigen ſc<on
Geſchaffenen zu freuen. Unſerer Jugend wird der junge Hencell,
der Dichter au38 den achtziger Jahren, der ein kühner Neuerer
und: Revolutionär war, beſonder3 naheſtehen. Und danken wird
ſie's ihm, daß er in dem ergreifenden: Gedicht: Die kranke Pro-
ſctarierin, die hehre Miſſion: gefeiert hat, die dem proletariſchen
Jungvolf geworden iſt: |
Der Knabe, den dein Leib gebar,
Den du mit Kummer aufgeſäugt,
Zieht hoch voran der Heldenſc<har,
Die alle Not von hinnen ſcheucht.
Sein blaue8 Auge glänzt voll Kraft
Im Lichtmeer einer ſchönern Zeit,
Die Giſenhand umſpannt den Schaft
Der purpurnen Gerechtigkeit.
Max Poens38gen-Alberty.
I?
Wiſſenswertes von der Sprache.
| Weidmannsſprace,
Da38 Wort Weidwerk mit ſeinen Verwandten erſcheint beſonders
geeignet, uns die wunderbare Wandlungsfähigkeit der Sprache in der
Bedeutungz3entwicdelung ihre3 Wortſchaße3 deutlich vor Augen zu jtellen.
Wer ſollte heute meinen, daß die Wörter Gingeweide, Vieh-
weide und Weidwerk zuſammengehören, und doch find ſie des=
ſelben Urſprungs und gehen auf ein und denſelben Grundbegriff zurüc.
Dieſe3 Wort Weide lautet althochdeutſch weida, während der Name
de3 Weidenbaums8 wida iſt. Jenes bezeichnet zunächſt: Futter, Speiſe;
daher Eingeweide, eig. die genoffene Speiſe, der Inhalt von
Magen und Darm, dann die mit Speiſen gefüllten Gedärme, endlich
verallgemeinert: die Weichteile der Bruſt- und Bauchhöhle (Herz, Leber,
Zunge und Gedärme). Au die Jägerausdrücke Weide für die Uejung
(d. 9. Nahrung) des Fafan3 und des Rebhuhns8, auch des Hajen, und
Weidlöffel oder Weidmeſſer für die Zunge von Hirſch oder
Reh haben dieſe älteſte Bedeutung beibehalten. Das Wort bezeichnete
jodann den Futter ort, davon die Bezeichnungen: Viehweide,
Weidegrund, Weidefläche u. a; in übertragenem Sinne ge= .
hört auh Augenweide und Ohrenweide hierher. Gndlich galt
unfer Wort auch für das Suchen von Futter und Speiſe, alſo das Jagen
und zwar urſprünglich ſo allgemein, daß man auch den Fiſchfang mit
darunter einbegriff; ſpäter ſchränfte man es in dieſer Beziehung auf
die Jagd ein, an die man bei Wörtern wie Weidwerk, Weid-
mann (früher auch Weidner, jezt nur noch als Familienname er=
halten), Weidtaſche, Weidmeſſexr u. a. allein noch denkt. Auch
weidlic bedeutet eigentlich: jägermäßig, wurde dann aber von der
Gemeinſprache verallgemeinert zu: friſch, tüchtig, gehörig; vergl. 3. B.
weidlich ſchwißen. .
Drei Jahre ſind oder iſt e3 her?
Heißt e3: „No< nicht viele Jahre ſind e3 her, daß . . .“, oder:
„Noh nicht viele Jahre iſt e8 her, daß . . .'? -- Das „ſind“ iſt fehler-
haft; denn auf die Frage: wie lange iſt e3 her? ſteht der vieric Fall: „es
iſt einen Monat her, daß ex zu mir fam“, „es ijt einen Tag her“, „es
ijt faum einen Augenbli>k her“. GErträglicher wäre e3, Wenn c3
ohne „her“ hieße: „Noch nicht viele Jahre ſind c38, daß . « +“. Aber da3
klingt mehr franzöfiſc) al3 deutſch. " .
- Vom Kaffee. .
Kaffee und Rechtſchreibung =- zwei der unentbehrlichſten Dinge.
Aber ſich mit der Rechtſchreibung des Wortes Kaffee zu beſchäftigen, das
halten viele für ſehr entbehrlich. Es gibt wenige Wörter, die ſv ſelten
richtig geſchrieben werden wie dieſe3: Kafe, Cafe, Kaffe, Caffe, Kafe,
Kafee, Cafee uſiv. Am meiſten verſündigen ſich die Schildermaler bei
diejem Worte, und beſondere Schwierigkeiten macht ihnen bei der fran-
zVſiſchen Schreibweiſe der Akzent: wie oft verwechſeln ſie ihn und
Ichreiben Cafs, wie oft mit dem Kürzung3zeichen und ſchreiben Cake;
und wie oft ſeßen ſie dies Häfen dann auch hinter das Wort: Cate!
Die Schreibung Cafe oder Cafe iſt übrigens nur noch anzutvenden, wenn
das Wort im Sinne von „Kaffee ha u 3“ ſteht und wenn Michel3 faljche
Gitelfeit dieſe deutſ<e Bezeichnung nicht geſtattet; lächcrlich aber
Arbeiter- Jugend
wirkt die Schreibweiſe Cafehaus, weil wir das Nahrungsmittel ſelbſt
„Kaffee“ ſ<reiben müſſen, und ni<t „Cafe.
.*
Steter Tropfen höhlt den Sieiän. |
Das müſſen wir uns auc< bei jo manchem ſchier unausrottibar
ſcheinenden 'Sprachſchnißer ſagen: Steter Tropfen höhlt den Stein, und
endlich werden Jie es denn doch wohl merfen und die Dummheit nicht
immer wieder machen. Zeigte da neulich einer an: „Gin ſeiten arbeit3-
freudiger Fachmann jucht die kaufmänniſche Leitung . . . zu üÜber=-
nehmen.“ Sollten die, j9 in Verlegenheit um einen kaufmännijchen
Fachmann waren, den „ſelten Arbeitsfreudigen“ wörtlich genommen
haben, dann dürfte ihm fein einziges Angebot zugegangen ſein. Und
wenn nicht, dann hat er nicht jelten, fondern außerordentlich großes
Glück gehabt. Möchten wir doch dieſer felten richtigen Anwendung von
„jelten“ al3 Umjiand8wort immer ſeltener begegnen!
F=
Das arme Gericht. | -
„Das Gericht wolle erfennen, daß der Beklagte jei ſchuldig, mir
für die von mir für ihn an die in dem von ihm zur Bearbeiiung Üüber-
nommenen Steinbruche beſchäftigt geweſenen Arbeiter vorgeſchofſjenen
Arbeitslöhne Grjaß zu leiten.“ So lautet das Klagebegehren eines
NRecht8anwalies aus jüngljier Zeit. Das arme Gericht, das aus dieſem
JÜrdievonmirfürihnandieindemvonihmfauderwelich lug werden muß!
Am richtigjten wäre e3, wenn 235 dem Rechtz3anwalt darauf ſc<riebe, ex
jei es der Würde der deutſchen Sprache und der Würde des Gerichtes
1<uldig, jich für die von ihm an dem für ihn zur Anbringung von Klage-
begehren zuſtändigen Gerichte anzubringenden Klagebegehren der Dienite
eines des Deutſchen nicht unfundigen jungen Mannes zu bedienen, der
ihm für Das für die von ihm für ihn für jeine Kunden in Anwendung
zu bringenden Schriftſätze erforderliche verſtändlihe Deutich mit im
beiten Sinne wohlgemeintem Rate an die Hand zu geben die Fähigleit
und Möglichfeit hätte. Denn es bleibt dabei: Wurſt wider Wurtkt!
Und wer mir in unverjtändlicem Deutſc< ]<hreibt, der verdient, daß
ich ihm mit gleichem diene.
*
Mobilarverkauf,
Wie oft muß man ſo leſen: Mobilar! Und heißen muß es:
Mobiliar, denn e3 kommt aus dem mittellateinijichen mobiliare. Alſo,
wenn man das Fremdwort anwendet, dann auch gleich richtig! Aber --
wir können wirklich deutlicher jein und dafür Jagen: HausSrat, Hau3-
gerät, Fahrnmis (füddeuti<) und Jaließlich auch Möbel.
* .
Orientieren.
KürzlihH wurde in der Zeitſchrift des Sprachverein2 al3 VerdeuT-
ſhung von Orientierung (beim Kirchenbau) „Okung“ empfohlen, das
ausdrudsvoller ijt al38 das verwaſchene Fremdwort. Und wie oit liet
man dicſes troß feiner Verwaſ<enheit heute, wie ſehr iſt es zum Mode=
wort geworden! Gigentlich orientiert nur der Seemann, d. H. er jucht
den Sonnenaufgangspunkt, den Oſten, auch „orientiert“ man mit Fiecht
eine Kirche, d. h. richtet ihren Chor nach Oſien; heute aber „orientiert“
man cinen Bau gar von Süden naß Norden! Heute jagt man Jerner,
eine Regierungs3politif ſei nach dem und dem Geſichtzpunki orientiert,
: Jpricht von einer national orientierten Mittelpariei, meint, die Politik
ſtatt richten,
Verdeutſchungen
ihrer ein volles
umi<hauen“.
müſſe gänzlich neu orientiexrt werden u]w. uſw. --
einrichten, einſtellen ujw. -- Und wieviele
gibt es doch für „Jidh orientieren“! Sarrazin bat
Dußend, darunter „ji umifehen“ und „]1<
: Zu diefen ]tellt ſi< für viele Fälle ganz vortrefflich) „ſiH umhören“.
Das Hauptwort „Umhörung“ ſcheint zwar nicht beſonders empfehlenz-
wert zu jein, aber da3 rüdbezügliche Zeitwori dürfie fjich in ſehr
vielen Fällen als brauchbare und zwe>dmäßige Verdeutichung von
„jich orientieren“ erweiſen. Und ebenſo könnte man Jagen: „JH muß
erſt umhorden“.
. R
Komiſch. .
Kaum ein anderes Fremdwort wird ſo viel fali< angewendet wie
da3 kleine „komiſch“. Da fliegt beiſpiel35weiſe ein Luftſchiff in großer
Ruhe und Sicherheit über un3: ſchon finden das einige Menjchen „ſehr
komiſch“. Ein ernfte3 Bild erregt allſeitiges Auffehen. Es wird Über
das Für und Wider geſtritten, und man hört: „Komiſch, daß der Meitier
das gerade auf dieſe Art dargeſtellt hat.“ In beiden Fällen -- aus
tauſend Beiſpielen ſind nur dieſe zivei herausgegriffen -- fragt man ſich:
„Wo ſte>t denn da das Scerz- und Spaßhafte, was 1ijt denn luſtig
dabei?“ Und dann fällt es uns ein, daß das deutſche Volk wieder bei
Fremden Anleihen macht, obgleich ihm unſere Sprache treffendere Au3=
drüde zur Verfügung ſtellt. Die Menſc<hen lachen über etwas und finden
das „fomiſch“, alfo jpaßhaft -- ſie finden aber auch etwas merkwürdig
und nennen das wieder „komiſch“. Jſt das nun nicht romiſih? Ob man
nicht doch allmählich anfangen wird, über den Sinn der Worte nachzu-
denten?
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Ein biß<en.
E3 gibt gewiſſe Kleinigkeiten in unſerer amtlihen Rechtſ<reibung,
die ſich durchaus nicht einbürgern wollen. Dazu gehört ein bißchen.
Immer wieder ſieht man die Schreibung „ein bisc<hen“. Da es aber
von dem Hauptwort „Biſſen“ kommt, ſo hat man eben die Schreibung
mit ß feſtgelegt, und um der Einheitlichkeit willen ſollte ſic jedermann
dem fügen. Daß es mit kleinem b geſchrieben wird, beruht auf Der
Regel, daß alle umſtand3wörtlichen Wendungen ſo geſ<hrieven werben
ſollen. 7 ,