Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

14 - Arbeiter 
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laſſen, die Propeller beginnen zu arbeiten und, vom Gewicht 
der halienden Mannſ><aften befreit, ſteigt das Fahrzeug in Die 
Qüfte. =- E8 hat lange gedauert, bi8 das Syſtem Zeppelin ſich 
durcgefeßt hatte. Erſt al3 dur< Jlüge von über 1000 Küo- 
meter ſeine Leiſtungs8fähigkeit erwiejfen war, entſchloß fich 
die Militärverwaltung, die in dem Luftſchiff ein brauc<bares 
Kriegsinſtrument ſah, für rund 1 Million Mark den erijten 
„Zeppelin“ anzukaufen. Nicht lange danach, im Jahre 1207, wird2 
der Ballon während eine8 Gewitterſturmes bei Echierdingen zeL- 
tört. Cine öffentliche Sammlung ergab die Summe von ziria 
nicben Millionen und damit war da8 Unternehmen des Grafen 
Zeppelin geſiGert. In ziemlich raſcher Folge entſtand ein „ZcP- 
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velin“ nach dem anderen. Paſſagierfahrten für Leute mit gropem / 
Geldbeutel wurden unternommen, und alle Welt glaubte, daß in / 
ein paar Jahren der Luftozean: von Luftichiffen wimmeln wirde 
Namentlich unfere Kriegsſchreier fabelten das Unglaublichſte über, 
die „neue Waffe“ zuſammen. Ihr. Geſchrei haite Erfolg, und ims j- G 
deutſ<en Seerez2etat ſind neuerdings ganz niedliche Summen; cin- 
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? FENp: 
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„Jugend 
Tine erhebt ſich und legt tapfer an: 
„Und an Jeſum Chrijium, Gottes eingeborenen Sohn, unſeren 
Herrn, =“ 
„Ja, aber glaubſt du denn nicht, daß di Gotti geſchaffen hat 
ſamt aller Kreatur ?“ 
Das iſt gegen die Wera9or 
fährt ihm, indem er in ug 
Bacbar zeigt: 
„Da38 glaubtjader Guſiapvp hier!" -- 
edung, dentt Tino ärgerliß, und c3 ent- 
airübter Uebergeugungstreug auf Jeinen 
„“ women, > Wi . 
„-“* i Renſch und Uffe." 
.. Von Gg. Engelbert Graf. 
7 Kur) die Dorfftraße fommi vonr Bahnhof. her in eleganter 
y jtadtiſcher Kleidung und vornehmer Haltung ein Serr. Nett- 
gierig jteden die Yachbarn die Köpfe zuſammen. „Sc laß 
 
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geſtellt, um die Erfindung im Dienſt des MäilitariSmus zu vcr- | mich hängen, wenn das nicht Schniepekohl8 Aelteſter iſt. Gul dod) 
werten. Aber die Bäume unſerer „Luftpatrioten“ ſollten nicht jo 
ſchnell wie ſie's dachten in den Himmel wachſen. Cin eigenartiger 
Unſtern ſcheint über den Luftſhiffen zu walten, und im Laufe Der 
leßten Jahre haben ſich auh vie größten: Rhantaſten Lavon Uber- 
zeugen müſſen, daß von einem voliommenen Qufiff bei feinem 
der vorhandenen Syſtems die Rede ſein kann. 
Doch gleichviel: es iſt etwas Gewaltiges um den Forticriil 
der Tc<hnif. Der alte Ikarostraum 1ijt zum größten Zeil Wirk- 
lichfeit geworden. An uns muß e8 ſein, dic Menſchheit zu Kultur- 
höhen hinaufzuführen, in denen e3 unmöglich) iſt, daß jede 1egen= 
bringende Erfindung gleicß zum Mordwerkzeug au8genußt wird. 
Die Forderung der Arbeiterklaſſe lautet darum aus auf diciem 
Gebiete: | 
Die Tehnikinden Dienſt der Kultur! 
EGrwin Neumann 
Ps 
2 4» 2. 
Religionsunfterricht. 
Jn dem 1vermärkiſchen Bauernvorfe Lunow Hielt der Kantor 
Religionsſtunde. Es wurde noch nach dent alten KatehiSmus unter- 
i 
er, 
Tine Haberland wußte natürlich nichts, nicht einmal die Aniivort 
auf die Fragt konnte er geben: 
„Wa3 foll deine vornehmſte Sorge ſein?“ 
Dem Kantor reißt die Geduld. Tine muß ſich zur Strafe draußen 
auf der Straße vor der Schultür hinſtellen, um über die ernite Frage 
nQGZuICHTEN. | | 
Das iit der Schanvplaß; wer vorbeigeht, der wird Tinen hecholn. 
Da kommt ein hochbeladener Heiwwagen angerumpelt. Oben drauf 
ihwbni der alte Bauer Chriſtian Henning. Er fnurrt den heulenden 
Tine gutmütig an: . 
„Na, wat bäſt du denn utefräten (ausgefrefien) ?“ 
„J> iveet nich, wat mine vornehmſte Sorje ſind ſal 
„J wat! Locp man rin und ſeiß: „Daß ich ven Willen Goites tuo!“ 
Schnell fährt ſich Tine mit dem Aermel über das Geſicht und hin- 
ein achls. 
Grfreut, vaß Tine38 Gedaäachtnis doch noch funftioniert, wicdorholt 
Icx Kantor die ſc<vorwiegende Frage und Tine beantwortet ſic richtig: 
„Daz ich ven Willen Gottes tue!“ 
Der Kantor will ſeinex Freude die Krone aufſezen und richtet 
auch gleich vie nächſie Katechiämusfrage an Tine, welche lautet: Woher 
weißt dit das? =- und worauf die Untwort zu geben iſt: Äus der 
eiligen Schrift und den zehn Geboten, die ich nicht gehalten habe. 
Tine ſc<auderts, aber dann antwortet er mutig und bieder: 
„Ille Chriſt Henning hat mir'38 geſagt.“ 
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! 
Der Kreisichulinſpekior iſt angefagt, und der menſchenfreundliche 
Kanior ſicht in ſeiner Not, den hohen Herrn nur einigermaßen zuU- 
friedenzuſtellen, feinen anderen Ausweg, al8 den umfangreichen Kate- 
hiämus in einzelne Teile zu zerlegen und jedem Schüler nur zwei 
bis drei beſtiminte Fragen zum Auswendiglernen aufzugeben. Gr 
merkt fich bei den botreffenden Fragen die Namen der Jungen vor, 
die die richtige Antwort intus haben, in der wohlwollenden Abſicht, bei 
der Prüfung nur an Hand dieſer Liſte die Fragen zu ſtellen. 
Äuf Tine iſt der zweite Teil des Glaubensbekenntniſſes gefallen: 
Und an Jeſum. Chriſtum uſw. 
Wider alle Geivehnheit aber geht der Schulinſpektor, durch die 
verblüffende und ungewohnte Sicherheit der Antworten veranlaßt, 
ſelbſt zur Frageſtellung. . 
„Grlauben Si2, Herr Kantor," damit unterbricht er dieſen und 
ivendet ſich außer der Reihe an Tine: „Sage mir dein Glauben3bekennt=. 
nis, mein Kind!“ 
.-“ 
bloß, Diejelbe Yafe und gaerade ſo waitſerblaue Augen.“ „Und 
die Schultern zicht er hoh wie ſein Großvater.“ „Und fol< lange 
Ohren haben nur die Schnicpekohl8.“ „Ja, der tut nun groß 
und will uns nicht mehr fennen, der Sochmut3pinſel.“ 
* 
Wir denken uns ven Menichen in eine Affengefellſchaft ver- 
Iclagen und ſpielen nun den neugierigen Zuſc<aucr. Dder noch 
beffer, wir denken uns die Men?tGh eit und die menſc<enähn- 
lichſten Affen zuſammen. Denn es wäre doch falſch, den modornen 
Kultureuropäer als den Normalmenſchen im naturwiſſenſchaft- 
licßen Sinne auszugeben; um das nötige Augenmaß nicht zu ver- 
lieren, müſſen wir neben ihn auch den BuſaQmann von bente 
und den Auſtralneger ſtellen. Schon rein äußerlich wird uns 
dann aiffagen, baß viele gemeinjame Züge beim Menſchen und 
menſchenähnlichen Affen auf eine enge Verwändtichaft hindeuten, 
und daß eme Unmenge von Variationen innerhalb der WMeni<h- 
beit, von BVerſchiedenheiten in Bau und Formen dc3 Körper3, die 
Brüce herſtellen zwiſchen ihm und ſeinen nächſten tieriſchen Ver- 
wandten. 
Ein Curopaer neben einem Shimpanien: welcher Abſtand! 
Dort helle Haut, geringer Haarwiichs, aroße Geſialt; hier dunkle 
Haut, ſtarke Behaarung, aeringe Größe! Aber die YNegervolker 
baben dunfle Haut, die Ainos8, die Ureinwohner von Iapan, 
zeigen ſtarke Behaarung am ganzen Körper, und Zwergfiäumme 
leven im Innern Afrifas, die nur eine dur<ſ<hnittliche Größe 
von 1,40 Veeter erreichen. Andererſeits zeigen einzelne Drang- 
Utanartfen einen auffallend ſpärlicher Haarwuchs: die HSaut- 
färbung wedelt in beſtimmten Grenzen, und was die Große an- 
langt, fo Übertrifft der Gorilla in aufgerichteier Stellung den 
Menſchen. Cin befondere3 Kennzeichen des Menſchen ſind nur 
die Achſel- und Schamhaare, während im Übrigen beim Menſ<emn 
und beim Menſchenaffen fowohl die behaarten, al38 an< dice ſtet3 
haarlos8 bleibenden Körperſiellen übereinſtimmen. Solbſt die AÄn- 
ordnung der einzelnen Saare, die Richtung, in der ſie wachſen, iſt 
weſentlich dieſelbe; 3. B. ſind bei un3 und bei den WMenjc<enaffen 
die Haaripiken ain Dherarm und Unterarm nac) dem Ellbogen 
zu gerichtet. Lange Zeit hat man das Ohrläppchen als menſch- 
liche Eigenart bezeichnet, aber nicht felten fehlt e8 beim Neger und 
bei vielen Frauen; und, wenn aur nur ſc<wach centwicfelt, zeigt 
ces fich beim Gorilla. Jedoch dieie Aeußerlichfeiten allein jolien 
uns noch lange kein triftiger Bewei3 für die verwandtſchaftliche 
Zufammengehörigkeit von WMenich und Affe jein. Sonft müßte 
man ja jeden, der die Schultern hochzieht, zur Familie Schnieve- 
fohl zahlen. -- 
Ein wenig Sprachenkunde foll uns weiterhelfen. Wer als 
Deutſcher me Italieniſch gelernt hat, iſt im Italien verraten und 
verfaufi, und wer in Meſerik oder Tuntenhauſen einen Dorkbub 
auf engliſc< fragt, der wird auf fein Verſtändnis rehnen dürfen. 
Die Sprachen der europäiſchen Nationen ſind heute einander 
fremd, und doch geben ſie auf eine gemeinſame Wurzel zurvu>. 
Der Bau vieler Worte läßt den gemeinſamen Uriprung deutlich 
erfennen. Wir fagen „drei“, der Engländer meint dasſelbe 1ind 
jagt „three“, der Franzoſe ſ<raibt „irois“, der Italiener „tre“, 
jeine Vorfahren, die alten Jömer ſprachen „tres“, und bei den 
Griechen hieß es „treis“. Dic Vokale ſind verſchieden, das Schluß-3 iſt 
in einzelnen Sprachen in Wegfall gekommen, aber gemainjfam iſtallen 
der t-Laut mit nachfolgendem 1; das iſt ſozujagen das Skelett des 
Worves. Und dieſes ſelbe Skelett entdeFen wir bei dem Wort 
für „drei“ im Ruſſiſhen, Shwediſchen, Litamiſc<en, Armeniſchen, 
Berſiſchen und „Indiſchen =-- einer der vielen Beweiſe dafür, daß 
auß dieſe Sprachen mit der unſerigen verwandt jimd. - 
*) Vergl. die Aufſäße in Nr. 23 und 24 des vorigen Jahrgangs.
	        
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