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Eingetragen in die Poſt- Zeitungsliſte.
Nr. 2
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Wie fommen wir vorwärts?
amd ic Frage, was wir zu tun haben, um vorwärts 3 fommen,
yy mag wmanden unterer Leſer jonderbar anmiiten.
wir vorwärts fommen, iſt ja eine Tatſache, iſt erfreuliche
VBtirklichkeit, iſt etwas, das außer Trage ſteht. Die Zahl unjerer
Anhänger wird immer größer, von Woche zu Woche kommen neue
Heine hinzu, der Abonnentenſtand der „Arbeiter-Jugend“ geht
danernd in die Hohe. Dabei iſt das Tempo unſerer Vorwäris3-
bewegung durd<aus gleichmäßig, bat nie geſchwantt, jeitdem die
Bewegung exiſtiert. In jedem ihrer Jahre8berichte konnte die
Zentralſtelle für die arbeitende Sügend von neuen Erfolgen auf
allen ArbeitsSgebieten. der Bewegung berichten, Und wenn man die
Zahlen vergleicht, in denen die Erfolge ſich ansdricken, wird man
auch etappenmäßig dieſen gleichen Schriti und Tritt in unferem
Vormarſch verfolgen können.
Dazu kommt der innere Ausbau der Bewegung, von dem in
voriger Nummer an dieſer Stelle die Rede geweſen iſt, die Wög-
Uchfeit neuer Arbeit in neuen Formen, ein Ausblick, der gleichfalls
dazu angetan iit, das Herz jedes unſerer Kameraden in freudic ger
Genugtuung über die Gegenwart wie über die Zukunft unjerer
Sache hsher ſchlagen zu laſen. |
Freude und Gemigtunig indeſſen, fo berechtigt auc) dieſc Be-
üble angeſichts der Entwickelung unterer Bewegung ſind, Frezide
ind Genugtuung allein dürfen unfere Stimmung nicht beſtreiten,
wenn wir vor unfere Arbeit treten. Die Situation hat auch ihre
gehrfeite, und auch dieſe Kehrſeite unjerer freien Jugendbewegqung
iſt ja auf dem leißten Porteitag der deutſchen Sozialdemokratie
ansqiebig beleuchtet worden. Da hat einer unferer Freunde an
der Hand der Abonnentenziffern der einzelnen Orte feſtgeſtellt, daß
dur<aus nicht überall jenes erfrenliche Durchſchnitts5tempo Ine
Gehalten worden iſt; einzelne Orte ſind langſamer vorwärts-
ceſchritten, einzelne ftiligeſtanden; ja an verjä Hiedenen - Stellen iſt
der Stand unjerer Abonnenten, der do< immer der zuverläſſigſte
Regel der '"Bewequng iſt, zurücgegangen. Tragiſch zu nehmen
von der Warte der Allgemeinbewegung ſind ja jolc<e Erſcheinungen
nicht; ſie ſind noch nicht einmal überraſchend, denn jede8 große
Veer hat, md zumal beim ſtürmiſchen Verdringen, Schlappe zu
verzeichnen. Immerhin werden ſich die Orte, die gemeint waren,
die öffentliche Annagelung zur Notiz genommen haben, und cs iſt
nicht daran zu zweifeln, daß ſie das nächſte Mal, wenn wieder
Gencralmuſternung geballten wird, Tritt werden gefaßt haben.
Geradezu grotesf aber iſt's, wenn nun gewiſſe Gegner, geſtüßt
auf dieſe Kritif aus unſeren eigenen Reihen, ſolche für die Ge-
jamtbewegung belangloſe AuSnahmen wiiſt verallgemeinern und
von eineni Stillſtand, ja von einem Rückgang der freien Jugend-
veivegung zu phantaſieren wagen! Sogar ein Pfarrer von der
jonit jo nüchternen Hamburger Richtung gibt ſich dieſem ſüßen
Wahn hin. Nun, wohl bekomnm's den Herrſchaften! Ein Beduine
würde ſagen: „Der Hund vel die Karawane zieht vorüber.“
Die Kehrſeite unſerer Freude. an dem Erreichten ſieht nach
einer anderen Richtung als ;ne Kritif auf dem Parteitage. Fünf
Millionen jugendlicher Arbeiter und Arbeiterinnen gibt es, gering
gerechnet, in Deutſchland! Wenn wir demgegenüber bloß hundert-
tauſend Anhänger der freien Jugendbewegung muſtern, fo be-
deutet da38, daß das Erreichte im Vergleich zu dem, was 10 er
reicht werden muB, gering iſt; daß die weitaus ſchwierigſte und
umfangreichſte Arbeit auf unierem Felde noch vor uns liegt. Da-
dei iſt es wahrlich nicht der Bli auf die bürgerliche Ingend-
Berlin, 17. Januar
können Jene,
Denn daß.
Expedition: Buchhandlung * Vorwärts, - Paul
Singer G. m. b. H., Lindenſtraße 69. Alle Zu-
ſchriffen für die Redaktion find zu richten
an Karl Korn, Lindenſtraße 3, Berlin SW. 68
1914
bewegung, der uns Feuer unter die Sohlen machi. Was wir, ge-
nieſſen an dieſer 5 Millionen-Aufgabe, noc< nicht erreicht gaben.
nat Ausnahme vielleicht der katholiichen Jugens-“
vereine in gewiſſen engbezirkfien Gegenden Deutichlands, über-
baupt nicht erreichen. Die Hauptaufgabe unſerer Ausſchüſſe liegt -
deShalb weniger im Kamp? mit den gegneriſchen Jugendvereinen -
als in der Gewinming des eigentlichen, aroßinduſtriellen Jugend-
proletariais, an das die- bürgerliche "Bewegung Überhaupt nicht
heranfommt. Unſere Jugendaustchüſſe dürfen fich darum nicht
auf den -Snnendienſt beichränfen, 8. bh. nur darauf bedacht jein,
wie ſie die vorhandenen Ginrichtungen unſerer Bewegung möogalichtt
vollfommen ausbauen. Nicht minder wichtig iſt die Aufgabe,
iminer neue Anhänger heranzuziehen. Die Bropaganda,
die Anitation muß neben der Bildungsarbeit, von der heute
nicht geredet werden ſoll, ein weſentliches, mit allen verfügbaren
Fruftein zu förderndes Ziel der Ausſchüſffe fein. Gewiß, anmch die
vorhandenen Einrichtungen, wenn ſie moglichſt werivboll und au-
ziehend ausgeſtaltet werden -- alfo ein Jugendheim, in dem die
Jugend ſich zu Hauſe fühlt, Wanderungen, bei denen der z3roh-
jinn an der Spiße marſchiert, Vorträge, die imi Gegenſtand und 1
ſeiner Behandlung den iugendlichen Sörer feſteln, Feſte, die wirt-
lich Feſte der Iugend find =, alls dieſe typiſchen Einrichtungen
ind Veranſtaltungen znferer Jugeitdarbeit werden, ic voll-
fommener fie ſind, deſio wirfung5voller zugleich) als Werbemittel,
nnierer Bewegung dienen. Aber auch die Gewertichaften und die
Parteowereine verlaſſen ſich nicht darauf, da die Klaſſengenoiten
die vein Weg zu thneon gefunden haben, chon erfennen mw xen,
welche wirü<afilichen und kuliurellen Vorteile ihnen d3 gel
werden, UND daß jie dann bei ihnen bleiben; ſondern nie alls ß aben
umfangreiche L Vorkfehrungon getroffen, un ven fernitehenven Ge
oſten auch den Wegzuihnenzu zeigen.
Die freie Jugendbewegung muß auch hierin die Lehren dor
allgemeinen Arbeiterbewegung fich zunukße machn. Wies das im
einzelnen geſcheben foll, iſt bier nicht der Ort, eingehend aus-
einanderzuſekon. Dafür haben wir ja überall in unſeren Nus-
ſhiſſen-die älteren Arbeiter, die auf anderen Gebieten der aroßen
Kuilturbeweqmung des Proletariats methodiſ< die Erfahrungen ge-
fammelt haben, welch? ſie jezt der Sache unſeres proletariſchen
Nachwuchſes zugute kommen laſſen. Die Bedingungen Der Agi-
tation ſind auch, je nach der wirtſchaftlichen, politiſchen 1u1d
ſtammespfychologiſ<en Geſtaltung der verichiedenon Ge bie
Deutſchland8 zu verſchieden, als daß ſie in Regeln gefaßt werden
fonnten. Yur eines ſoll hier erwähnt werden, weil es die umtt-
gängliche, für alle Gebiete geltende Vorausfckung jeder wirlunqs-
vollen Werbearbeit ausmaht: Wenn ein Anusſc<huß erfslareich
arbeiten foll, muß er vor allem fein Arbeitsfeld genau kennen.
Sein Arbeitsfeld iſt überall die Gefamtheit der jugendlichen Nr-
beiter am. Orte. Es iſt de8halb durchaus notwendig, daB jeder
Jugendausſc<huß ein möglichſt lückenloſes Verzeichnis der jugend-
lichen Arbeiter und Arbeiterinnen zur Hand hat. Dieſes Ver-
zeichnis zu beſchaffen, iſt vielleicht manch erorts eine ſcmnrere, aber
es iſt nirgends eine unaunsführbare Aufgabe, denn die Ausſchuß-
mitglieder ſind doch Arbeiter, die mit ihren jugendlichen Kollegen
an der Arbeitöſtätte den ganzen Tag zuſammen ſind, und was ſiv
ſelbſt nicht auSrichten können, dafür haben ſie in der Arbeiterſchaft
de38 Ortes genügend Bekannte und Helfer. Sind die jugendlichen
Arbeiter feſtgeſtellt, ſo muß. an jeden einzelnen perſönlich heran-
getreten werden. Jeder Jugendliche Arbeiter muß nicht e in mal,
ſondern wiederholt, womoglich regelmäßig zu unſeren Ver-