Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

 
 
 
- anſtaltungen eingeladen werden. Seder ;ugendliche Arbeiter, der 
uns noch fern ſteht, muß die „Arbeiter-Jugend“ zugeſtellt erhalten, 
fei e3 wiederholt in angemeſſenen Abſtänden einzelne Nummern, 
fei e3 eine Zeitlang hintereinander. -die . erſcheinenden Nummern, 
wie denn überhaupt für die „Arbeiter-Jugend“ jo methodiſch agi- 
tiert werden muß wie für die Preſſe der Erwachienen. 
Zu all dieſen Arbeiten ſind unſere jugendlichen Kameraden, 
die ſi uns bereits angeſchloſſen haben, heranzuziehen. Gerade 
mit RUficht auf die Mitarbeit unjerer JIugendgenofen jeſiber 
erden ja dieſe Ansführungen hier gemacht, im Blatie der Zugend, 
in dem immer nur 31U der Jugend, nicht über die Zugend 62- 
fprochen werden ſoll. 'Zugendfameraden, Shr müßt Euch bemerfbar 
maden, wenn man Euch nicht ruft! Jeder von Eu< muß 9as 
Recht beanſpruchen, feine noc<ß fernſiehenden Kollegen beranßoig: 
zu dürfen. Una vonn irgendwo ein Ausſchuß Euch nicht genügend 
2U dieſer Arbeit heranzieht, wenn er gar die Werboarbeit untcr 
Euren Kollegen vernachläſſigt, dann müßt Ihr Eu melden, dein 
Ihr dürft nicht warten, bis man Cu ruft. 
Au dem ! lezten Parteitag in Jena hat ein Redner der Dc>- 
fürhtung Aus3dru> gegeben, daß bei uns zu viel geichutm eiftert 
wiirde. UnS ſcheint, der Genoſſe zätte fich an eine andere Adreſſe 
wenden ſollen. Man hat uns ja unſere Vereine, in denen wir 
unter uns unſere Angelegenheiten betrieben, genommen. Über 
darum braucht nun noch nicht geſchulmeiſtert zu werden, denn zum 
Skhulmeittern gehören zwei: einer, der ſchulmeiſtert, und einer, 
der ſic ſchulmeiſtern laßt. Und wenn ihulmeii tern heißt, einen 
ndern als willenlofe8 Kind behandeln, ſo ſind weder die vielen 
rwachſenen Arbeiter, die ſich unter großen perſönlichen Opfern 
der Sugendbewegung zur Verfügung geſtellt haben, gewillt, die 
Bewegung hberabzuwürdigen, indem ſie ihre jungen Genoſſen a!s 
Entmündigte behandeln, noch ſind die jugendlichen Anhänger Der 
Bewegung gewillt, fich entmündigen zu laſſen. Als mündig aver 
im wahrhaften Sinne erweiſt ſich der Menich, der ein ſelbſt ge- 
ſtetes Ziel mit aller Energie zu erreichen trachtet. Kameraden, 
nicht3 hat CE “ud in Die %yugendbewegu ing gezwungen als Euer freic3 
Wollen! Nun ſorgt dafür, daß Cuer Wollen auch eines Tc R 
findet. In unſerer Beweg gung 1it Geld genug zur Setbſtbetätigun 
der Jugend, auc< wen m wir feine eigenen Vereine haben. Wer 
Ardeit jucht, Arbeit im Dienſte ſeines Jdeal3, findet ie überreid)- 
liq) in unſeren Reihen. Wer mitraten will, wird gehört, wenn cr 
die Stimme erhebt. Auch ohne dur< Vereinsſagungen gebunven 
zu ſein, können unſere jungen Genoſſen im Dienſtes der freien 
Zuge ndbewegung arbeiten. Sie ſollen Anregungen geben, ſollen 
Rritif üben, follern, vorwärt3 drängen, wenn die Bewegung ihrer 
- wegung den Jugendgenoſſen zuſält, it, daß Ke 3% 
“6 
Meinung nah auf dem falſchen Weg iſt oder ſto>t.- 
Dazu“ häben 
ſie ja ihre Vertrauensleute, ihre gewählten Wortführer in den 
Ausſchüffen. Die wichtigſte Aufgabe aber, die in unſerer Bo-= - 
zionierg der prole- 
tariſichen Jugendkultur un:er den uns noh fern ſehenden Klaſſen 
Fameraden find. 
Im Lichte dieſer Aufgabe iſt der Gegenſaß zwiſchen den 
hunderttaufend JSugendgenoffen und den fünf Tallionen ]11gend- 
licher Arbeiter nicht mehr entmutigend, ſondern vielmehr ein An- 
ſporn zum Handeln. Ihr Hunderttauſend ſeid unter Eure! 
Fameraden die Agitatoren, die Vorkämpfer für die freie Jugeni 
bewegung. Dieſe Werboarbeit iſt Cnere Pflicht, aber als BPflie 
im Dienſts de8 Jdeal3 auch Euer ſchönſtes, heiligſtes Rocht. „ne 
jeder dieſe 1 Pflicht, | beanſpruße jeder dieſes Recht, dann wird unc 
Sache nicht zur JI agend DTlfege werden, Sto uns Icmulm eiſtert 
ſ >» 
in jie bleibt, was fie War un; ift: die freie ZUge end 
TC] 
tr ü 
3 
Wer 
““] 
4 
ewenauüng. 
Wie denff vie Sozialdemofratie über 
Frauen- und Kinderarbeit ? 
Von Thereſe Schleſinger. 
e Erwerb3arbeit von rauen und Kindern war in älteren 
"Zeiten eine Ausnahme. In der Fiegel fiel die Aufgaoe 
 
Geld zu verdienen, dem Manne zu, und die häauslichen Ar- 
beiten der Frau, wobei ihr die Kinder gelegentlich Helfen 
müßten. Der Hausgalt erforderte vamals viel weniger Geld 
und machte vicl mehr Mühe al3 heute. Die Menſchen wohnten 
nicht jo diet zufammengedrungt. „Die Mehrs zahl lebte auf den 
Gaicde von dem Erträgni8 der Landwirt] Haft, und Jelbfi in den 
Städten beſaßen ſehr viele Tamilien noch ein Stücchen Gemuil- 
und Obſtgarten, konnten Hühner balten, nicht jelien ein Schwein 
aufziehen. m andhmal jogar eine Kuh ein) ellen: und Brotbatäcn, 
Gleiſchpöteln, Seifekochen, Kleider und- vieles andere herftogen, 
was „wir fertig zu taufen geivpohnt find, gebörte zu den Pflichieit 
der rauen. 
Die Sntwidelung der Indu trie bat darin Wande l ageſ<haffen. 
Dieſe vermodte Di e wichtigſten Bedarfsartike [l fo wohlfeil Herze 
ſtellen, daB es nicht m<br lohnte, jie zu Saue zu bverfertig2i. 
Dafür verloren aber die kleinen Bauern 2117D Handwerker di? 
Siche rheit ihrer Exiſtenz. Der Grund und Boden ſtieg 19 fehr im 
Werte, daß der älteſte Bauernſohn feinen jüngeren Geſcwilt orn 
nicht mehr ihr Erbteil auszahlen konnte, ohne Schulden zu 
machen durch die er dann nur zu oft dem Wucherer 3 „itlehons 
 
 
Lehren des Lebens. 
Kleine Skizzen von Frik Scpp. 
111. 
S7 unge Burſchen waren wir. Unjere Serzen fhlugen warm für das 
Mv fuzialiſtiſche Jdcal. Was uns an tieferer Erkenntnis und an 
. »Y Wiſſen: fehlte, erſebten wir durch Begeiſterung und einen ein weniJ 
großen =- Mund. Sy kam da3 Jahr 1890 „Jeran und damit die erfie 
Feier de3 1. Mai. Natürlich beſchloſſen wir Jungen, am 1. Mai nicht 3. 
arbeiten. Und wir hielten es Ur. Mit Abzeichen auf der Bruſt, vi 
denen zu leſen war? „Acht Siunden Arbeit, acht Giunden Grholung, a n 
Stunden Schlaf“, mit voten Krawatten um den Hals und breite c 
Deomokratenhüten auf dem Kopf durchzogen wir, acht Mann ſiark, vo 
frühen Morgen an die Stadt. Wir warcn auf uns feibit ichr ſtol3 und 
blficten mit giemlicher Verachtung auf alle, die ar eiteten. 
Von nachmittags vier Uhr ab fand eine Feicx auf einem Keller 
vor dem Orte ſtatt. Wir waren natürlich da und ſtiegen mit großer 
Wichtigkeit unter der Menge hberun.. Da kamen wir auch an einen 
älteren Genoſſen. Gr muſterte uns lädgelnd; meinte aber TSlicklich 
ſchr ernſt: . 
„Von außen ſeid SIL 3 ganz, Jungen. Wenn hrs jo auch innen 
werdet, dann fann man ſeine Freude an Euch haven.“ 
Dieſe Worte erſchienen un3 beleidigend. Wir proteitierten lebhaf 
und erflärten dem Genoſſen rund heraus, daß wir, weil wir gefeicrt 
hätten, allein die wirklichen Maifeicxnden ſeicn. Der Alte ſchwieg und 
läßelte. Endlich ſagte er: 
„Fn zehn Jahren fprechen wir uns wicder!“ 
Damit ließ er uns ſtehen. Erſt im Jahre 1905 kam ich ! wieder in 
* die Stadt. Am 1. Mai feierten faſt alle Arbeiter. Die Morgen- 
verſammlung war überfüllt. Nadmittag3 war ein gemeinſchaftlicher 
Ausflug auf da3 ſogenannte Forſthaus, ein Gartenlokal, das eine 
Stunde vor der Stadt mitten im Walde lag. - 
 
 
Sch war einer der erſten, die oben auf dem Forjihaus waren. Da 
wogie nun der Zug von zeitlich Zefleideten M AUEN, Frauen un 
Kinvern herauf durch den Wald, und mädtig ertlangen DIC EN OP de L 
Arbeit, Auf einmal legte id eine Hand auf meine Schul 
rechte mich um. E3 war der all - Genoſſe, jeßt FLaU Und zebe Us iol aber 
in den Augen noh beiliges Feuer. Gr bot mix die Hand. 
„Sichit Du,“ ſprach er, auf die Anfommenden zeigend, „e3 wird 
alle3!“ 
Mir ging e3 wie ein Blih durch den Kopf: und was war aus uns 
aht geworden ? -- Erioſſen batte ſich der eine; der andere war Bankier 
- 
1x 
4 
geworden; der Dritte batte reich geſeiratet, und nun War er Fabri 
beſißor; gleichgültig geworden war der vierte; im feindlichen Lager Sex 
fünfte; verfommen und verloren Dieſer = == Fh fuhr mit Iecx Hat 
über die Stirne. Der Alte aber ſagte leije und jchonend: 
„Ja, c3 wird allc3. Über es muß ſeine Zeit haben, daß e32 heraus 
wachſen fann aus den Herzen. Gin Strohfeuer lodert raid) auf? =- irt 
aber ichnell wieder au3. Aber, wo eine rechte innere. Glut iſt, da wird 
ein Sever darau3, das die Menſchen umſchmiedet und die Welt mit 
ihnen. Doch nun laß uns ein Pläßchen ſuchen. Du wirſt mir viel zu 
erzählen haben.“ 
Id) ging mit ihm. Aber geiprächig war ich nicht an dieſem Tage. 
. IV. 
Im Oktober war ich naß London gekommen. In cinem Weinkeller 
fand ich Arbeit. Dort lernte ich einen jungen Deutſchen fennen, dcr 
bereit3 einige Jahre in England war. Er war drei Jahre jünger als 
ich, aber troß ſeiner „Jugend ein erntter und ſtiller Meni<h. Ob in ſein 
Leben bereit3 harte Mächte eingegriffen hatten? Kurz, es ging von ihm 
nicht3 Freudiges au3; er war finſicr in ſeinem Weſen und voll Traurig- 
keit. Sein Grnſt wurde ihm ganz verfehrt auSgeiegt. Von den Mit= 
arbeitern im Keller wie von den jungen Kameraden im Klub wurde cer 
al3 dc3 betrachtet, was man auf berlincriſch eine „Tranfunze“ nennt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.