Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

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Arbeiter-Jugend 
 
 
 
uns umtoſen, eben 
durd) dieſc Unſjicht- 
barfeit, die uns 
ewige Ruhe vor- 
gaukelt. Löcher in 
der Luft können 
auf mannigfache 
Weiſe entſtehen. 
In allen Luſt- 
wirbeln, in denen 
die Luft aus der 
itte des Wir- 
belS5s nac<4 den 
Seiten fließt, ent- 
ſteht im Zentrum 
des Wirbel8 ein 
luftverdünnter Be- 
zirf, ein Loc in 
der Luft. Kommt 
ein Flugzeug in 
Quftwogen, wie ſie 
beſonders an der 
Grenze zwiſchen 
zwei verſchieden 
fließendenLuſtſtrö- 
men entſtehen, 19 
kann eS ſich wie ein 
Schiff von denWel A65. 1. Ein Waſſerfall im Luftſtrom. Originalzeihnung de3 Verfaſſers. 
len auf und nie- 
der wiegen la)jen. 
Iliegt e3 aber infolge ſeiner Eigengeſchwindigfeit in gerader Linie 
piße, 79 fließt die Luftmaſſe mit der 
„ 
von Wellenſpiße zu Wellen) 
Welle unter ihm in38 Wellental hinab, und es gerät zwiſchen den 
beiden Wellenfämmen freiſchwebend in ein Loch in der Luft, durch 
da8 e8 in da8 Wellental hinabfällt. 
Nach dieſem Fall prallt e3 genau wie ein Schiff, deijien B11q 
fich aus den Sturmeswellen herausgeboben, auf die nachfolgende 
Tas Schiff auf See 
anrollende Welle mit ganzer Gewalt auf. 
latſcht gegen die Welle, daß 5a8 Waſer 
nach allen Seiten ſprit und die Giſcht 
über das ganze De> hinwegiprühti. Ge- 
nau fo latſcht der Neroplan, wenn er 
in ein Wellental der Luſiwogen hinein- 
gefallen, gegen die nächſte Welle an. 2 (an 
hört dieſes Aufklatſchen der Aeroplan- 
flügel troß Motorgeknatter und Propoellor- 
geſurr und ſagt, der Acroplan fei von 
einer Klatſchböe getroſſen. 
Wie jeder weiß, weht der Wind in 
Stößen, ſo wie das Waſſer des Veeores3 
in Wogen brandet. Der Wind „hoult“ 
in Abſtänden, wenn er um die Dächer 
fährt; ſtoßweiße fährt er uns ins Goſicht 
„und reißt uns den Hut vom Kopf. Durch 
dieſe einzelnen Windſtöße entſtehen Löcher 
in der Luft. Wenn in einem Eiſenbahn- 
zUg, der gleichmäßig langſam fährt, die 
Maſchine plößlich ſtoßweiſe mit Boll- 
dampf anzieht, reißt der Zug in der Mitte 
auseinander, und es entſteht eine Lücke 
in der Wagenfolge. Genan ſo bilden ſid) 
hinter ſol<en Windſtößen Lü>en, die nicht 
Thnell genug von den nachfolgenden 
Luftmaſſen ausgefüllt werden können, 
alfo Löcher in der Luft, die ſchon 
manchem Flugzeugführer Verderben ge- 
bracht haben. 
Wir waren durd) das Loch in der 
Quft glücklicherweiſe nur in die Tiefe ge- 
fallen. Weld) ein verändertes Bild bot 
ſich unſeren Bliken! Steil und zac>ig 
reckten ſich) die Gipfel eines Gebirgs8zuges 
empor. Dur<h den Fall waren wir 
bis auf Berge8tiefe hinabgeſunken und 
ſchwebten über den Vorhöhen einer ſteilen 
Bergkette, die ſich wie ein Wall vor uns 
auftürmte. Wir wollten in mäßiger Höhe 
den Gebirg8kamm Überqueren. Zu dieſem 
Zwe mußten wir aber wieder höher- 
ſteigen. Dod) was nüßte unſer Wille? 
Wie von cinem reißenden Strom ge- 
zogen, näherten wir uns ſc<neller und 
 
 
immer ſchneller 
dem Gebirge. Wir 
waren in einen 
Luftſtrom gera- 
ten, den das Ge- 
birge anſog, und 
der uns mit wad» 
fender Sdnclle 
“an dieſes heran- 
30g. Jmmer ſchär- 
fer hoben ſich die 
Zacken der Felien- 
wand vom Hin- 
melSgrunde vor 
uns ab. Mir 
ſchien, als müß- 
ten wir unfehibar 
an vieſen ſteincr- 
nen Wänden zer- 
Tſhellen. Abermein 
Führer fannte 
dieſe Gegend; er 
hatte oftmals die- 
fen Kamm üÜber- 
guert. Ich hiclt der 
IAteman. Cs konnte 
fich. nur noch un 
Minuten, um Se- 
funden handeln, 
und wir waren 
zer?chellt an den ſteinigen Hängen! Aber der Luftſtrom praülte 
nicht gegen die Gebirg8wand an. Wie die Felſen unter uns immer 
höher ſtiegen, fo ſtieg auc< er, hob den Apparat genau entiprechen 3 
der Gebirg3form auf zur Höhe, und wie die Wogen eincs Waſier- 
falls ſtrömte er, den Aeroplan al3 Nachen tragend, Über den 
  
Abb. 2, Im Wirbel. 
Samm des Gebirges hinüber, um auf der Gegenteite in die Tieke 
hinabzurauſchen. Das Herz ſtand mir ſtill, als wir wenige Meter 
über den Steinen des Gipfel3 das Gebirge überflogen, oder beter 
geſagt, über das Gebirge geſchleuder? 
wurden (Abb. 1). 
Jegt erſt riß zu meinem Ctaunen 
der Pilot das Höhenſteuer empor. Cr 
wußte, daß erſt jet, nachdem er ven 
Gipfel paſſiert, die Stelle der Gefahr kan. 
Wie nämlich die Weilen eines Waſſerfalls 
in weitem Bogen über ihren Abhang hin- 
überrauſchen, fo daß zwiſchen der Feljen- 
wand und dem Waſſerfall ein freier Raum 
entſteht, in den man oft ſogar eine Brücke 
einbauen kann, um unter dem Fal himn- 
wegzugehen, ſo entſteht auch unter den 
Gefälle eine3 Gebirgöluftſiromes ein luſt- 
freier Raum, der ſiark anſaugend wirkt 
und fo einen heftigen Wirbel hervorruft. 
Der Föhn der Alpen iſt cin ſolcher, durd) 
Saugkraft auf der windſtillen Gebirg3- 
ſeite erzeugter Talwind. Außerdem bricht 
ſich der fließende Bergſitrom der Luft au? 
der Gegenſeite des Berges zu cinem Luft- 
fall, in dem er in Strudeln und Wellen 
hinabwirbelt, genau wie der ruhige Strom 
' eine8 Fluſſes dur) den Waſſerfall ge- 
brochen wird und in tauſend Wellen auf- 
gelöſt herniederrauſcht. 
Wie der Abſtieg von einem Gipfel 
gefährlicher iſt als ſcine Beſteigung, 18 
droht dem Aeronauten erſt auf der Gegen- 
feite eines Berges die Gefahr, wovon 
der berühmte tragiſch-heroiſc<e Simplon- 
flug de3 unglücklichen Chavez Zeugnis 
ablegt. Dieſe Wirbel auf der windſtillen 
Gebirgsſeite gehören zu den gefährlichſten 
ihrer Art. Mit großer Saugkraft reißen 
ſie den Apparat an ſich heran, wirbeln 
ihn im Kreiſe umher, und wenn er in 
ihren luftverdünnten Innenraum geraten. 
iſt, ſo fällt ex durc< dieſes Lo< in der 
Luft wie cin dur<hſc<hoſſener Vogel in die 
Tiefe (Abb. 2). 
Die Erfahrung des Führers bewahrie 
un3 vor dieſem Sci>ſal. Glücklich ei1t- 
rannen wir der Gefahr, und wie der Adler 

	        
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