Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

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Arbeiter-JIugend 
 
Auf welche Weiſe wird nun das Modell, und zwar entweder. 
das urſprüngliche Tonmodell odor der Gipsabauß in den S 
Übertragen? 
Man benußt zu dem ZweE> eine Punttiermajchine, die freilich 
nur dort verwendet werden fann, w9 die Ausführung in Stein 
dieſelben Srößenmaße erhalt wie das -Modell: 
maichine ermöglicht e8, mit mathematiſcher Sicherheit am Stein 
die Punkte feitzuhalten, die beſtimmten Punkten am Modell ent- 
ſprechen. Sie beſteht aus einem Geſtell mit einer in Kugellagern 
Drehbaren Meßnadel, das abweoch! „Ind an da3 Modell und an den 
zu bearbaitenden Stein gebracht wird. Um Verjäiebungen“ und 
Ungenauigfeiten auszuſc<licßen, werden am Modell wie am Stein 
icharfe Spitzen und genaue Vertiefungen angebracht, in. die gewiſſe 
Hülſen und Spißen der Punkticrmaſchine jeveSmal paſſen mütien. 
Sas der Stein zunächſt an Maſſe zuviel hat, wird mit Hilfe von 
Meißel, Bohrer und Schlägel fortgehauen, bis genau. der. Punkt 
ELL eicht iſt, auf den die Nadel der Panktiermaſchine hinweiſt. Sind. 
alle Bunte des Modelles am Stein jeſtgelegt worden, 19 iſt die 
Wir erwahnten ichon in unjorem vorige: 
Seiedergabe vollendet. 
Schichten der Künſtler dem 
Auaß, daß das Arbeiten der lekten € 
Sandwerfer nur Jelten überlatten wird, da er hier wieder | 
in die Aklion Untritt. Denn von dem Charakter DCS ſchien VPeilli= 
meters hängt die Wirkung de8 Ganzen ganz weſentlich mit ab. 
SONnen aud; Die Maße jich) nicht ne wejentlich ändern, liegen 
die ormwirfungen aud) fon jeſt; ig nängi e3 doD. von der Be= 
arbeitung der allerlezten Sicht dE 99 das Werk einen lebendigen 
Eindruck machen wird oder ob es nur cben wie behanener Stein. 
wirkt. 
Haufig tritt -dor Fall ein, daß die Ausführung in Stein 
größer werden 1oll als da8 Modell. Dann kann die Vunktier- 
maichime nicht mehr verwendet werden. An ihre Stelle tritt ein 
Berſfahren, die Entfernungen zwiſchen beſtimmten Punkten des 
Modelle3 mit mehreren Zirfeln zu meſſen. Zu dieſem. Verfahren 
braucht man zwei Meßlatten, deren eine die Höhe de8 Modelles, 
deren andere die Höhe der beabſichtigten Steinans8führung Hat. 
Beide tragen eine Einteilung in hundert Teile. Wenn man am 
Veodell cine Entfernung gemeſſen hat, ſtellt man das Maß an 
der fleineren Moßlatte feſt, nimmt in den Zirkel das ent] 'prechende 
Maß der großen Latte und überträgt dieſes auf den Stein. 
Die wichtigſien Entſtehung3arten eines plaſtiſchen Kuntjt- 
werkes hätten wir kennen gelernt. Cine freilich fehlt noh: der 
Guß eine3 Bronzewerke3, etwa cine3 großen «hernen Reiter- 
dentmale8. D«a38 iſt aber cine Fomvlizierte Geſchichte, die wohl 
dine beſondere Betrachtung erfordert. Wir werden aljo darauf 
zurücdfommen und dann auch no< einige weniger wichtige Arten, 
wie das Holzichneiden und das Arbeiten aus dem Stein ohne 
Bunftiorung, fürz behandeln. 
SE 
Sonnenaufgang. 
Das war ein Sonnenaufgang! Roi wie Blut 
War Feld und Steg vom Feuer übergoſſen. 
Es ſtand der ferne Wald in ſtarrer Glut, 
Die Fichtenſtämme lohten, lichtumfloſſen. 
Und ich allein in all dem Weltenbrad 
Mit wachem Herzen und mit wachen Sinnen. 
Ich hob dem Licht entgegen meine Hand 
Und ließ die Glut durch meine Adern rinnen. 
Da ſagen ſie, ich fordre allzuviel, 
Wo rings ſich graue Dämmerungen breitcn. 
Ich aber ſehe auf mein hohes Ziel 
Und pfeif' auf eure Alltagsmöglichkeiten. 
Ich weiß: dort hinter dunkelgrauer Wand 
Kämpft ſchon die Sonne gegen Nachtgewalten, 
Ihr breites Schwert durchſchnitt den Wolkenrand, 
Bald wird den Sieg ſie ganz in Händen halten. 
Wer ſtreitet denn, daß wir im Dämmern ſind? 
Daß wir vielleicht dur< dunkle Täler müſſen? 
O, fühlt doch nur: es iſt der Morgenwind, 
Der eure matten Augen klar will küſſen. 
Laßt doch die Schatten graue Schatten ſein, 
Die machtlos ſich zu euren Füßen legen. 
Ihr aber ſollt des jungen Tags euch freun, 
Denn 7 jeder Schritt führt eue) dem Licht entgegen. 
Emma Dölg, 
Stein 
Dieje -Punktier- 
„Richtſchnur (eine „Norm“, 
- man jielle jich. einmal einen Redner vor. 
en danfengänge, über die er ſich vorher gar nicht flar war; ſie ſ<lmmn- 
elbit 
“.. vor. “ Doch die Elemente dieſer. Wiſſenſchaft (Zahl, 
ujw.) .. der Menſch ſich auch erſt felbit geſc<affen. 1 
3wei ganz gleiche Dinge? Wo abſolut richtige Kreiſe uſw., außer in 
at findliches 
grünt mich. en B 
deren Farbſtoff, ein Reiz ausgeht, der mein Auge trifft, ins Ge- 
- Philoſophie. 
IV. Logil. 
er Jame „Logit“ iſt kaum jemand unbekannt. Doch [Gwebt 
den meitten nur Jo dunfel vor, daß logi1< gleich richtig iſt 
Ky weiter reichen die Kenntniſſe“ nicht.“ Wir geben hier einige 
flärende Bemerkungen. n 
Aller Anfang iſt ſchwer; 
Müßiggang iſt aller Laſter Anfang. 
. Alfo: ift Müßiggang ſchwer! 
Das iſt Unſinn, nicht wahr? Ja, Wo liegt Der Jehler? Offen- 
bar it -dariip ein „logi icher“ „Fehler; &S. iſt ein Trugſchluß oder 
Fehlichluß. Die Logik muß in berichtigen; ſie iſt die Wiſſen- 
GAREN von den Geſetzen de3 richtigen Denkens. 
Die. Sogit gebt aljo n icht ſo vor, wie der I Deonkprozeß, der Vor- 
gang Ze < Denken3 in uns, jondern jie ft nur ein Maßſtab, eine 
jagt der Philojopb), um das Re] nltat zu 
Das „wirkliche“ Denken vollzieht fich ganz anders --- 
Er centwickelt oft Gc- 
benrteilen.- 
Rein logi geht man aber in der M (othematif 
Linie, KK LVS 
Wo abt 8 
merten. ain ihm. 
Gedanfen? 
Mit „Denken“ 
tun. Man könnte jagen: 
15 der ganze Weg. =- 
und „Erkenntnis“ hat es alfs die Lomk zu 
Denken iſt dor einzelne Schritt, Erfennt- 
Allem Denken vorauf geht die „Einheit de3 Bewußtiein3"“, das 
dente“. ft dieſe nicht da, kann fich ver Denkende nicht „ZU= 
zerflicßt alle8; Wahres und 
„1 H. 
jammenreißen“, nicht fonzentr JIeren, 10 
Falſches geht bunt durGeinander. 
Man kennt nun ſchon ſeit alter Zeit „Elemente“ de38 Denken3, 
da8, worauf alles Denken zurückgeführt werden kann: Begriff, 
Urteil, Schluß. Begriff iſt eine „Einheit der Betrachtung“. 
A1u5 zahlloien Merkmalen wählt man die weſentlichen aus. JIrgend- 
cin Beiſpiel: der Begriff „Apfel“. Nenne ih als feine Merkmalc: 
rundlich, jaftig, geſtielt, Is genügt das micht; da3 kann auch eine 
Birne und anderes ſein. Der Begriff Apfel iſt erſt dann beſtimmt, 
wenn feine weſentlichen Merkmale fehlen. Wir ſchen wohl, mit 
jolchen oft jehr i<wierigen Begriffsbeſtimmungen (z. B. Menſch, 
Welt uw.) beginnt erſt wirkliche Wiſſen] <aft; alle3 vorher 
Phantafieren. 
No“ ſ<wieriger wird die Sache aber dadur<, daß cin Bc- 
griff nur durch die Sprache wiedergegeben werden kann. Da 
nun kein Menſ< genau jo denkt wie ein anderer, jo entſtehen unt 
Begriffe die größten Streitigkeiten, weil jeder fie anders verſteht. 
Wie oft bemerkt man nach einer jtundenlangen Zänkeret: eigent 
lich meinten wir ganz das! elbe.“ Endlich iſt auc: die Sprache hinter 
dem Gedanken zurüt. Zum Beiſpiel jagt man: Die Sonne aeht 
auf. In Wirklichkeit dreht fich die Erde. Oder: Der X Baum qaräimt. 
Grünen iſt hier ein intranſitives8 Zeitwort; c3 müßte aber tranjitiv 
fein, den vierten Fall a EgIeTen, und jener Saß lautet: Der Baum 
Denn wir nehmen ja an, daß von den Blattern, 
hirn geleitet wird und im Bewußtiein die Empfindung „grim“ 
„auslöft. 
Die Begriffe werden nun eingeteilt nach Klarheit, Deutlich- 
Feit u1jw., vor allem aber naß Inhalt und Umfang. Inhalt eimes 
Begriffs iſt die Geſamtheit der darin gedachten Merkmale (zum 
Beiſpiel beim Parallelogramm: Viere> und Parallolheit der Wegen- 
jeiten). Umfang des Begriffs iſt die Summe der Gegenjtände oder 
Vorſtellungen, die in ſein Gebiet fallen (in unjerom Beiſpiel: 
Quadrat, Rhombus, Rechtes und Rhombo1d). Cs gibt ferner Art- 
cgriffe, Gattungsbegriffe ujw 
Wir müſſen uns erſparen ZU entwicdeln, 'wa3 ein Urteil ift 
wie man die Urteile inteilt ujw. E38 mag nur darauf hingewieſen 
werden, daß ein einziges Wort nicht bloß ein Begriff, jondern auch 
ein Urteil jein kann. Ih „rufe zum Beiſpiel empört: Lump! 
Von den Formen de8 Schluſſes <-crwähnen wir hier noch die 
beiden bekannteſten Arten, die Induktion und den Syllogi8mus. 
Die Induktion (inducere, latein. = hineinführen) I<licßkt vom 
Beſonderen auf das Allgemeine. Beiipiel: 
Gin geworfener Stein, Holz, Tier , . 
Stein, Holz, Tier uſw. ſind Körper. 
Folglich: Alle geworfenen Körper fallen zur Erde. 
Die Naturwiſſenſ<aft wendet dies Verfahren viel an. 
. fallen zur Srde. 
Der Syl- 
logiSmus8 ſ<ließt aus zwei oder mehreren Nrleiten, und zwar voni 
Allgemeinen anf das Beſondere, zum Beiſpiel 
Wenn e3 geregnet hat, ſos iſt es naß. 
Nun hat e3 geregnet. 
Alfo iſt e2 naß. 
E78 
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