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Arbeiter-Zugend
Meter hat und auc) ungefähr zehn Meter ho<h iſt. Der Boden dieſes
Naumes liegt in der Höhe jenes Betonfriejes, den man außen um
das Gebäude herumlaufen jieht, und der mit Sinnſprüchen
Scheerbart3, die wir noch näher fennen lernen werden, gejqmüdt
iſt. Von dieſem Kuppelſaal führen dann andere Treppen in einen
tiefer zelegenen und niedrigeren Raum, der alfo unter dem Gla3-
jaal und hinter den Wänden liegt, die wir auf der Abbildung des
Aeußeren hinter den jenfrechten Betonſtüßen im Schatten erfennen.
ein Kalel-
n diejem Raume inden wir aMerlei Tarbenwunder:
Doſkop und eine Ka8kade.
Rechts und links von
dem kleinen Waſſerfall
führen Treppen abwärts,
die uns dann in das
Treie entlaſſen. Dieſes
Treppenſyſtem iſt außer-
ordentlih wichtig. E3
zeigt un8, daß wir uns
in einer gewiſſen Leben-
digkeit und auf einem
ganz beſtimmten Wege
durc< das Hau3 ſollen
führen laſſen. Und das
lehrt ja ſchon ſehr deut-
lich, daß dieſes erſte
Gla8Shaus eben kein
Wohnhaus iſt, ſondern
ein Ausſtelung3pavillon,
"deſſen Schäße und Schön-
heiten vor uns auS8ge-
breitet werden ſollen.
Cin Ausſtellung3pa-
villon! Aber keiner von
der jonſt üblichen Art.
Die meiſten Pavillons,
die wir auf den Au8-
ſtellungen finden und
nachgerade zur Genüge
fennen, zeigen uns ein
beliebiges Aeußeres mit as
Säulen, Faſſaden, Giebeln und Figuren, und fie gleichen fich
wie ein Ei dem anderen, auch wenn der eine Schiffsmodelle der
andere Maſchinen oder Papierprodukte oder Metallarbeiten ent-
hält. Bei dem Gla3haus iſt e3 ander3.
nach iſt diefes Glas8haus ein Pavillon, der von einigen der wichtig-
iten und größten Firmen der deutſchen GlaSinduſtrie gebaut wurde,
um ihre Erzeugniſſe dem Publikum der Kölner Werkbundau3-
ſtellung vorzuführen. Aber man hat dazu nicht den üblichen lang-
weiligen Weg einge] ichlagen, ein beliebiges Haus zu vauen und
darin ſchrantweiſe oder in Tabellen oder
in Vitrinen und Rahmen dieſe oder jene
Einzelheit aus dem Betriebe und von
den Erzeugniſſen au3zuſtellen, ſondern
man hat ſich von dem Architekten über-
zeugen laſſen, daß es unvergleichlich
jhöner und wirkjamer iſt, wenn die
Materialien bei dem Bau de3 Hauſes
jelbſt verwertet werden, ſo daß nicht
nur das Innere die GlaSinduſtrie re-
präſentiert, ſonderndas ganze Haus,
außen nicht minder wie innen. Auf
dieſem Woge kann der Ausſteller zeigen,
was ſein Material wirklich zu leiſten
vermag, weil er ja ein regelrechtes
Probeſtü> mit ihm ablegt. -
Nun haben die Ausſteller das Glück
gehabt, an einen Architekten zu kommen,
der über ſehr viel Phantaſie und Er-
findungsgabe verfügt. Für dieſen Künſtler
blieb das Glas nicht ein Gegenſtand,
der nun re<t und ſchlecht auSgeſtcllt
werden mußte, jondern mit einer wahren
Leidenſchaft war der Architekt hinter
allen Reigen des Glaſe3 her. Er ent-
dedtie ſo immer neue Möglichkeiten
ſeiner Verwendung und Ausnußung.
Spiegelglas und Prismen, farbiges
und weißes Gla3, Glaskac<heln und
GlasSmoſaiken, Glasfenſter und Gla8-
ſmalte, Glas8kugeln und GlaSperlen
z0g er zur Mitwirkung heran; ſtets
juchte er die Reize aller dieſer Formen
Der unfere Raum im Glashaus.
Dem praktiſchen Zwe> -
Der Kuppelraum im Glashauſe.
zur ſtärkſten Wirkung zu bringen. So läßt er über den Boden,
auf dem die Gla3perlen und Glasbroc>en liegen, das Waſſer der
Ra8fade ſprudeln, läßt er auf der Shlußwand zwiſchen den beiden
Türen, die zuletzt in das Freie hinausführen, die Wunder eines
mit einem Scheinwerfer projizierten Kaleidoſkopes ſpielen, de jjen
FÜlungen aus farbigem Glas beſtehen.
Aber nicht nur darauf ging der Architekt aus, die jihmüdenden
Reize de38 Glaſe8 in da3 hellſte Licht zu ſtellen -- dieſem Zwece
dient zumeiſt der untere, niedrigere Raum (Abbildung 1), jondern
mehr nod) darauf, zum
erſten Male zu zeigen,
daß wir im Glaſe auch
ein wundervolles Ma-
terial zum Bauen
haben. Da3 ſoll in
erſter Linie der Kuppel-
faal zeigen. Dieſer
große Raum beſteht,
von den
Betonrippen abgeſehen,
ausSſchließlich aus Gla.
Gla3 iſt der Fußboden,
Gla38 ſind die Wände,
und Glas find die Wan-
dungen und Stufen der
Treppen, die von ihm
in den kleineren Raum
hinabführen. Jeder, der
in den Kuppelraum ein-
tritt und überhaupt für
Schönheit empfänglich
iſt, wird von dem wun-
derbaren Cindru> be-
geiſtert ſein. Dasiſtwirk-
lich einmal etwas Neues,
das iſt ein Raum, wie er
nirgend38 ſonſt exiſtiert
in dieſer Reinheit und
Leichtigkeit und in diefer
| berrlihen Einheit des
Lichtes. Dieſer Saal wirkt ſtrahlend und leuchtend, wie ein Juwel
und doh voller Milde und Wärunte. Natürlich iſt dieſer Raum nicht
als Ausſichtszimmer gedacht. Nicht darin etwa liegt der Reiz, daß
wir nun alles. ſehen fönnen, was draußen vorgeht; vielmehr ſind
die Wände undur<ſi<tig Warum wir dann nicht bei dem
Backſtein bleiben? . and was das Gla3 überhaupt hier joll, wenn
es doch nicht durchſichtig iſt? Ja, das eben iſt ber Wiß. Das Glas
hat no< ganz andere Reize, ais wir, die wir es nur als Fenſter-
I<heibe in unjeren Haul ern fennen, uns ahnen laſſen. Der Wert
des Glaſes erſchöpft ſich nicht damit,
daß man hindurc<hſehen kann ; das iſt
nur die eine Eigenſchaft des Glaſes,
die wir in unſeren Dienſt geſtellt
haben. Das Gla3 iſt an ſi< ein
Material von einziger Schönheit, und
auch wenn wir nicht hindurchſehen
können, hat es als Wand, als Um-
ſchließung eines Raumes eine unab-
ſichäßbare künſtleriſche Bedeutung. Und
- dieſe zu erkennen in ihrem ganzen Um-
fange, das lehrt zum erſten Male das
Gla3haus in Köln. Niemals find Bac-
ſteinwände ſo voller Leben, ſo innerlich
reich wie dieſe GlaSwände, durch deren
Pris8men das Lichtin wundervoller Schön-
heit ſtrahlt. Wer mit offenen Sinnen in
dieſem Naume geſtanden hat, der verſteht
Paul Scheerbart8 ſchwärmeriſche Be-
hauptung : „Ohne einen Glaspalaſt iſt
das Leben eine Laſt“. Dieſer Spruch ift
„mit einigen anderen = "Das bunte Glas
zerſtört den Haß“, „Das Licht dringt
durch das ganze AU und iſt lebendig im
Kriſtall“ = in den Fries über den
Stüßen in den Beton eingemeißelt.
Kopfſhüttelnd leſen das die Philiſter
und Banauſen, die natürlich vor jeder
revolutionären Tat, in der Kunſt
ebenſo wie in allen anderen Gebieten,
eine gewiſſe Angſt nicht los werden,
und die nicht ſo viel Geiſt und Friſche
haben, um die ſchönen und luſtigen
tragenden
Kd rs
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