Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

292 
Arbeiter-Zugend 
 
 
Meter hat und auc) ungefähr zehn Meter ho<h iſt. Der Boden dieſes 
Naumes liegt in der Höhe jenes Betonfriejes, den man außen um 
das Gebäude herumlaufen jieht, und der mit Sinnſprüchen 
Scheerbart3, die wir noch näher fennen lernen werden, gejqmüdt 
iſt. Von dieſem Kuppelſaal führen dann andere Treppen in einen 
tiefer zelegenen und niedrigeren Raum, der alfo unter dem Gla3- 
jaal und hinter den Wänden liegt, die wir auf der Abbildung des 
Aeußeren hinter den jenfrechten Betonſtüßen im Schatten erfennen. 
ein Kalel- 
n diejem Raume inden wir aMerlei Tarbenwunder: 
Doſkop und eine Ka8kade. 
Rechts und links von 
dem kleinen Waſſerfall 
führen Treppen abwärts, 
die uns dann in das 
Treie entlaſſen. Dieſes 
Treppenſyſtem iſt außer- 
ordentlih wichtig. E3 
zeigt un8, daß wir uns 
in einer gewiſſen Leben- 
digkeit und auf einem 
ganz beſtimmten Wege 
durc< das Hau3 ſollen 
führen laſſen. Und das 
lehrt ja ſchon ſehr deut- 
lich, daß dieſes erſte 
Gla8Shaus eben kein 
Wohnhaus iſt, ſondern 
ein Ausſtelung3pavillon, 
"deſſen Schäße und Schön- 
heiten vor uns auS8ge- 
breitet werden ſollen. 
Cin Ausſtellung3pa- 
villon! Aber keiner von 
der jonſt üblichen Art. 
Die meiſten Pavillons, 
die wir auf den Au8- 
ſtellungen finden und 
nachgerade zur Genüge 
fennen, zeigen uns ein 
beliebiges Aeußeres mit as 
Säulen, Faſſaden, Giebeln und Figuren, und fie gleichen fich 
wie ein Ei dem anderen, auch wenn der eine Schiffsmodelle der 
andere Maſchinen oder Papierprodukte oder Metallarbeiten ent- 
hält. Bei dem Gla3haus iſt e3 ander3. 
nach iſt diefes Glas8haus ein Pavillon, der von einigen der wichtig- 
iten und größten Firmen der deutſchen GlaSinduſtrie gebaut wurde, 
um ihre Erzeugniſſe dem Publikum der Kölner Werkbundau3- 
ſtellung vorzuführen. Aber man hat dazu nicht den üblichen lang- 
weiligen Weg einge] ichlagen, ein beliebiges Haus zu vauen und 
darin ſchrantweiſe oder in Tabellen oder 
in Vitrinen und Rahmen dieſe oder jene 
Einzelheit aus dem Betriebe und von 
den Erzeugniſſen au3zuſtellen, ſondern 
man hat ſich von dem Architekten über- 
zeugen laſſen, daß es unvergleichlich 
jhöner und wirkjamer iſt, wenn die 
Materialien bei dem Bau de3 Hauſes 
jelbſt verwertet werden, ſo daß nicht 
nur das Innere die GlaSinduſtrie re- 
präſentiert, ſonderndas ganze Haus, 
außen nicht minder wie innen. Auf 
dieſem Woge kann der Ausſteller zeigen, 
was ſein Material wirklich zu leiſten 
vermag, weil er ja ein regelrechtes 
Probeſtü> mit ihm ablegt. - 
Nun haben die Ausſteller das Glück 
gehabt, an einen Architekten zu kommen, 
der über ſehr viel Phantaſie und Er- 
findungsgabe verfügt. Für dieſen Künſtler 
blieb das Glas nicht ein Gegenſtand, 
der nun re<t und ſchlecht auSgeſtcllt 
werden mußte, jondern mit einer wahren 
Leidenſchaft war der Architekt hinter 
allen Reigen des Glaſe3 her. Er ent- 
dedtie ſo immer neue Möglichkeiten 
ſeiner Verwendung und Ausnußung. 
Spiegelglas und Prismen, farbiges 
und weißes Gla3, Glaskac<heln und 
GlasSmoſaiken, Glasfenſter und Gla8- 
ſmalte, Glas8kugeln und GlaSperlen 
z0g er zur Mitwirkung heran; ſtets 
juchte er die Reize aller dieſer Formen 
 
Der unfere Raum im Glashaus. 
Dem praktiſchen Zwe> - 
 
Der Kuppelraum im Glashauſe. 
zur ſtärkſten Wirkung zu bringen. So läßt er über den Boden, 
auf dem die Gla3perlen und Glasbroc>en liegen, das Waſſer der 
Ra8fade ſprudeln, läßt er auf der Shlußwand zwiſchen den beiden 
Türen, die zuletzt in das Freie hinausführen, die Wunder eines 
mit einem Scheinwerfer projizierten Kaleidoſkopes ſpielen, de jjen 
FÜlungen aus farbigem Glas beſtehen. 
Aber nicht nur darauf ging der Architekt aus, die jihmüdenden 
Reize de38 Glaſe8 in da3 hellſte Licht zu ſtellen -- dieſem Zwece 
dient zumeiſt der untere, niedrigere Raum (Abbildung 1), jondern 
mehr nod) darauf, zum 
erſten Male zu zeigen, 
daß wir im Glaſe auch 
ein wundervolles Ma- 
terial zum Bauen 
haben. Da3 ſoll in 
erſter Linie der Kuppel- 
faal zeigen. Dieſer 
große Raum beſteht, 
von den 
Betonrippen abgeſehen, 
ausSſchließlich aus Gla. 
Gla3 iſt der Fußboden, 
Gla38 ſind die Wände, 
und Glas find die Wan- 
dungen und Stufen der 
Treppen, die von ihm 
in den kleineren Raum 
hinabführen. Jeder, der 
in den Kuppelraum ein- 
tritt und überhaupt für 
Schönheit empfänglich 
iſt, wird von dem wun- 
derbaren Cindru> be- 
geiſtert ſein. Dasiſtwirk- 
lich einmal etwas Neues, 
das iſt ein Raum, wie er 
nirgend38 ſonſt exiſtiert 
in dieſer Reinheit und 
Leichtigkeit und in diefer 
| berrlihen Einheit des 
Lichtes. Dieſer Saal wirkt ſtrahlend und leuchtend, wie ein Juwel 
und doh voller Milde und Wärunte. Natürlich iſt dieſer Raum nicht 
als Ausſichtszimmer gedacht. Nicht darin etwa liegt der Reiz, daß 
wir nun alles. ſehen fönnen, was draußen vorgeht; vielmehr ſind 
die Wände undur<ſi<tig Warum wir dann nicht bei dem 
Backſtein bleiben? . and was das Gla3 überhaupt hier joll, wenn 
es doch nicht durchſichtig iſt? Ja, das eben iſt ber Wiß. Das Glas 
hat no< ganz andere Reize, ais wir, die wir es nur als Fenſter- 
I<heibe in unjeren Haul ern fennen, uns ahnen laſſen. Der Wert 
des Glaſes erſchöpft ſich nicht damit, 
daß man hindurc<hſehen kann ; das iſt 
nur die eine Eigenſchaft des Glaſes, 
die wir in unſeren Dienſt geſtellt 
haben. Das Gla3 iſt an ſi< ein 
Material von einziger Schönheit, und 
auch wenn wir nicht hindurchſehen 
können, hat es als Wand, als Um- 
ſchließung eines Raumes eine unab- 
ſichäßbare künſtleriſche Bedeutung. Und 
- dieſe zu erkennen in ihrem ganzen Um- 
fange, das lehrt zum erſten Male das 
Gla3haus in Köln. Niemals find Bac- 
ſteinwände ſo voller Leben, ſo innerlich 
reich wie dieſe GlaSwände, durch deren 
Pris8men das Lichtin wundervoller Schön- 
heit ſtrahlt. Wer mit offenen Sinnen in 
dieſem Naume geſtanden hat, der verſteht 
Paul Scheerbart8 ſchwärmeriſche Be- 
hauptung : „Ohne einen Glaspalaſt iſt 
das Leben eine Laſt“. Dieſer Spruch ift 
„mit einigen anderen = "Das bunte Glas 
zerſtört den Haß“, „Das Licht dringt 
durch das ganze AU und iſt lebendig im 
Kriſtall“ = in den Fries über den 
Stüßen in den Beton eingemeißelt. 
Kopfſhüttelnd leſen das die Philiſter 
und Banauſen, die natürlich vor jeder 
revolutionären Tat, in der Kunſt 
ebenſo wie in allen anderen Gebieten, 
eine gewiſſe Angſt nicht los werden, 
und die nicht ſo viel Geiſt und Friſche 
haben, um die ſchönen und luſtigen 
tragenden 
Kd rs 
x %-. 
 

	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.