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Arbeiter- Jugend
zu vergeſſen, durc< die Errihtung von Jugendheimen wurden
dicſe Aufgaben erfüllt. Gemeinſame Konferenzen der hald in
größeren Bezirken vereinigten Ausfchüſſe dienten dem Austaujch der
gewonnenen Erfahrungen, gemeinſame Jugendtage der Pflege Der
fameradichaftlichen Geſelligkeit und Solidarität. AU das, was
unſere zahlreichen Sugendausſcün e heute leiſten, was ſie auf-
gebaut haben, all die ſchönen und fegen Sreichen Cinrichtungen, DIC
im Intereſſe der arbeitenden Jugend beſtehen, iſt die Frucht der
hinter uns liegenden zehnjährigen Entwicelung der freien
JUgendbewegung.
Tauſende und Abertaufende junger und älterer Kräfic
waren dieſe zehn. Jahre allzeit geſchäftig am Werke. Wit rattlojem
Fleiße und beiſpielloſer Opferwilligkeit wurde Bauſtein fiix Bau-
ſtein herbeigetragen, um das Gebäude aufzurichten, das heute
unſere freie Jugendbewegung darſtellt. Und darum, all ihr
jungen Arbeiter und Arbeiterinnen, dic ihr die Träger der ſtolzen
Bewegung ſcid, haltet feſt an eurer Ueberzeugung und ſorgt mit
Cinfekung al eurer jugendlichen Kraft und Begeiſterung dafür,
daß eure Sache auch die ernſte Zeit des Krieges ſiegreich überſteht
und ſtärker und gefeſtigter als vorher das unter jo günſtigen Vor-
»eichen begonnene Werk forticken kann!
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Unſere Bewegung unter dem Kriegszuſtand.
Bed och jiehen wir im Beginn des Weltkriegs. Niemand vermag in
„€ diefer Stunde den Umfang der Opfer, den er auch unjercm
& GE Volke zumutet, oder die Folgen de8 ungeheuren Creigniſjes ZU
iberbliden.
Deutlicher ichon als die Wirkungen der Waffen treten die wirt-
i<aftlichen Begleiterſcheinungen des Krieges in Erſcheinung.
Denn auch die ſelbſtgeſchaffenen Organiſationen der Arbeiter, auf
denen die Möglichkeit ihres Klajſenaufſtiegs beruht, find aufs ärgſte
bedroht. Zuinal der jüngſte Zweig der Kulturbew=zung des Proletariats,
Richard Weimann.
unſere Jugendbewegung, die zu unſer aller Freude gerade .
in den lezten Jahren nach innen und außen jich 19 prächtig entwidelt
hat, wird von dem gegenwärtigen Kriegszuſtand in ſhlimme Mitleiden=
Ichaft gezogen. Eine große Zahl älterer Freunde iſt unſerer Jugend
entzogen, ſteht unter den Waffen oder leiſtet Samariterdienſte. Juſt
in dem Augenbli>d, da die Jugend der Führung am üöringendften bedarf,
iſt ſie auf ſich ſelbſt geſtellt und ſoll nun Zeugnis ablegen, was ſie aus
Gigenem zu leiſten vermag.
Bewegung iſt in ihre Hand gegeben. Hier, in der ſtillen, bewahrenden
und aufbauenden Tätigfeit, deren Früchte erſt in der Zukunft reifen
werden, hat das junge Proketariat feinen „Waffendientt“ zu leiſten.
Wo aber der Krieg und ſeine Begleiterſcheinungen in den Reihert
unferer Funktionäre Lücken geriſſen haben, da müßt Jhr, Jungen und
Mädchen, in die Breſche ſpringen. Die Bildungsarbeit der proletariſchen
IZugendbewegung darf am allerwenigſten in dieſer Zeit der Vernichtung
„Treue zu halten.
finanzielle Pflicht der Bewegung gegenüber nicht erfüllen fönnen,
Der Schutz aller Errungenſchaften unſerer
ſo unermeßlicher Kulturwerte eine Unterbrechung erfahren. Was nicht
verloren iſt, darf nicht verloren gegeben werden! Noch nie hat ſich die
proletariſche Jugendarbeit ſo notwendig gezeigt wie in dieſer Zeit der
Not und Verwirrung. Den gewaittigen Ereigniſien, die täglich auf den
Menjichen einſjtürmen, vermag nur fiandzuhalten, wer innerlich gefeſtigt:
iſt und ſich einen klaren Kopf bewahrt hat. Dieſem Bedürfnis nad)
lärung entſpringt auch das gegenwärtig [9 jtarf unter unjeren Jugend-
genoſſen zutage tretende Verlangen nach kfamcradſ<haftlihem Verkeyr
mit Gleichfühlenden und Gleichgefinnten. Kleinere Zuſammenkünfte
unſerer Freunde und Freundinnen follien darum jetzt fo oft wie nur
irgend möglich, jedenfalls häufiger al8 in normalen Zeiten, veranjtaltet
werden. Klärende Ausſprachen über zweifelhafte Fragen und die MSg-
lichfeit zur Betätigung echt proletariſchen Solivdaritätsgefühls wird
unſeren Jungen und Wädchen das Herz leichter machen und den Blick
ſchärfen, auf daß ſie weder Mutloſigfeit nog Taumel erfaßt. Die
gegebenen Stätten dor Pflege jugendlicher Kameradichaftlichfeit und
proletariſchen Bildungsjirebens8, unſere Jugendheime, jollien deszalv
Tag für Tag geöffnet ſein. Wo fein Jugendheim vorhanden iſt, da
findet man wohl in der Wohnung eines älteren Freundes der Jugend
eine Gelegenheit zum Zuſammenſein. Auch die übrigen Veranjſtal-
tungen, vornehmlich die Ausflüge und ſolche, die dem Frohſinn ver
Jugend Rechnung tragen, dürfen nicht vernachläſſigt werden. Der auf
ven Gemütern laftende Dru> dieſer ernſten Zeit darf nicht noch kümitlich
verſtärft werden. Unſere? Jugend ſoll erhobenen Hauptes mit frohem
Mute der Zufunft entgegenſchreiten und ſich allem leben8hemmenden
Peſſimigmus fernhalien! Freitich: Frohſinn beißt nicht Ausgelaſſenhei:.
FÜr Feite und Luſtbarfeiten werden unſere jungen Freunde und FLeUN-
dinnen aber eib feine Neigung zeigen.
Vox allem aber gilt es jet, Solidarität zu üben und
Da3 Solidaritätsgefühl, das von jeher die
organiſierte Arbeiterſchaft ausgezgeichnet hat, muß auch bei ihrer Jugend
jekt, in den Zeiten der Not, hilfreiche Taten auslöſen. Jeder und jede
fiebe dem nächſten Genoſſen und der Kameradin nach beſten Kräften
beit Kleinliche Händel ſeien verbannt! Jeder und jede diene der gc=
meinjaimen Sache! Auch die Jugendgenoſſen, die ohne eigne Schuld ihre
ſollen
bei allen Veranſtaltungen uns herzlich willfommen fein. Beſonders aber
iſt die Verbreitung dex „ALrxbceiter=-Iu 8 end“ gegenwartig die widh-
tigte Aufgabe unſerer Jugendausſchüfje. Die „Arbeiter-Jugend“ foll die
Bewegung geiſtig zuſammenhalten und das Band zwiſchen den Kameraden
und Kameradinnen immer feſter fnüpfen helfen. Sic, das Banner der
proletariſchen Jugendbewegung, da3 von der Jugend felbit gehißt wurde,
bochzuhalten und mitzuhelfen, daß die Schar, die dieſer Fahne folgt,
troß Krieg und Not wachſe und immer mächtiger werde: darin müſſen
unſere Jugendgenoſſen und Kameradinnen nach wie vor eine Ehren-
ſache erblixen. Wer ſich unter dieſem FriedensSbanner der künftigen
Generation jammelti zum ſelbttlofen Wirken für unſere Sache der Ge-
jittung und Bildung, wer in der Betätigung opferwilliger Menſchenliebe
alle Kräfte einſekt, der hat Gelegenheit Dic Fülle, jich auch fern vom
Kampfplaß als Held zu erweiſen. Max Peters3.
m
Das erſte Trinkgeld.
Lus dem Leben eines Kellnerlehrlings.
Von Emilie Baldamus8. (Schluß.)
DF m liebſten wär2 er hinter dem Gaſt hergelaufen, hätte ihn das
8 Geld wiedergegeben und geſagt: „Warum bezahlen Sie mich,
S wern Sie mit mir nicht zufrieden ſind?“
Er wußte noch nicht, daß die Gäſte das Geld aus Gewohnheit geben.
Er empfand das Geld als Almoſen und cs demütigte ihn. Er hatte doch
mit Freude gearbeitet, um mitzuhelfen, den Menſchen ein paar ange=
iichme Stunden zu bereiten, und nun . . . Plözlich war alle ſeine
Freude dahin; er fühlte fich ſo müde, ach, fo müde. Erſt jekt merkte ex,
daß er 1<on ſechzehn Stunden ununterbrochen auf den Beinen war.
BiSher hatte die Luſt an der Arbeit ihn aufrechterhalten, er hatte von
Müdigkeit nichts gejpürt. Aber die Menſchen lohnten ihn mit Demüti-
gung für feine mit Freuden geleiſtet2 Arbgit, und da38 wirkie wie eine
falte Douche auf ſeinen Eifer, auf ſeine Arbeitsfreudtgkeit. Er klappte
zuſammen, als die treibende Kraft, die Freude, ihm entſchwand.
Da kam der „Ober“ wieder und da winkten auch ſchon andere Gäſte.
Doch er ging ihnen jeßbt nicht mehr jo freudeſtrahlend entgeg2n, er bliäte
müde, nidte gleichgültig.
Der „Ober“ warf einen Bli>d über alle Tiſche und rief:
„FriB, Friß, der Herr dort am kleinen runden Tiſch iſt fort, hat er
gezahlt?“
„Ja, Herr „Ober“, ich habe das Geld angenommen, hier ſind . . .
„Wie, Du haſt kaſſiert ? I< habe Dir doch geſagt, Du ſollſt nicht
fajſjieren.“ :
“
„Der Herr hatte feine Zeit, ex wollie ſchnell weg.“
„Das geht Sich gar nicht3 an,“ jchnauzte der „Ober“. Sie ſtanden
jcßt hinter dem Büfett, ſo daß ſie von den Gäſten nicht gehört und gc-
jehen werden konnten.
„Gib das Geld her!“ |
Seht wurde Fris troBig. Was hatte er denn getan, um [9 grob vom
„Ober“ behandelt zu werden? Wie hatte jener do; zu ihm geſagt?
Die Gäſte kommen, ein paar angenehme Stunden bei uns zu verleben,
und „wir ſind vier Gäſte wegen da“. Er gab aljo dem „Ober“, was er
ihm ſchuldig war, 85 Pfennige.
„Ft da3 alle3?“ fragte ver.
hai doch auch Trinkgeld gegeben.“
„Der Herr hat geſagt, das Übrige gehöre mix, da ich ihn bedieni
babe.“
„Na, jebt Ichlägt'3
„Das iſt ja nur die Zehe. Der Herr
dreizehn! Frecher Bengel, willit Du das Geld
hergeben! Jetzt erhebſt Du wohl auch Anſpruch auf all das Trinkgeld
von den Herren, denen Du heut abend Bier hingebracht hait? Da haijt
Du das Trinkgeld, LauSbub verfluchter,“ und er gab ihm einc ſchallende
Ohrfeige und nahm ihm die 15 Pfennige ab.
E3 war eine widorlic<e Szene, und man hätie einem feilſchenden
Lumpenhändler mehr Sympathie entgegenbringen können als dieſem
trinfgeldhungrigen „Ober“, wie er ſeine Erziehungskünfie an dem Lehr-
ling erprobte.
Mit dieſen traf en Widerſprüchen zwiſchen Worten und Taten wurde
alfo Frits in ſcinen Beruf eingeführt und ihm von vornherein jede
JUuſion, jede Freude an dier Arbeit genommen. Wäre er nicht ſo jung
geweſen und hätte er dic Sache durchſchauen können, jo würde ex ge-
€ T082,
„M2
. I.
a.