Arbeiter» Jugend .
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Weshalb man den Arbeikern das Koalitions-
recht geben müßte.
Von Rudolf Wiſſell.
n demſelben Maße, wie mit Beginn der Neuzeit die Ent-
T wiälung das Handwerk zerricb und Scharen beſitzloſer Ar-
beiter ſchuf, ſchuf ſie auch den Boden für eine ſelbſtändige
Arbeiterbewegung. Zwar hatten auch ſchon die zunftigen Ge-
jellen de38 Miattelalter3 ihren Mann geſtanden gegen ihre Meiſter,
die ihnen den blauen Montag nicht gönnten; auch die hörigen
Bauern des Mittelalters hatten ſich gegen ihre Bedrücer auſge-
lehnt, aber dieſe Bcwegungen, die ſpäter hier geſchildert werden
jollen, ſind doch nicht mit der „zu vergleichen, von der wir im
weitereri hier ſprechen wollen. Ohne Ziel und Nichtung, nur aus
dent Dunftlen Gefühl heraus, daß es fo niht mehr weitergeben
könne, hatte fich die ausgebeutete Maſſe gegen ihre Ausbeuter
gewandt. Kein feſtes Band der Organiſation umj<loß ſie. Nur
die Gemeinfamkeit der Not, der Aus8beutung und des Ausbeuters,
licß fie folidariſch fühlen, denken, handeln. In den AuzSbrüchen
DEr Verzweiflung, in der Zertrümmerung der Maichingen, in den
Hurgerauſſtänden, von denen im letzten Artikel die Rede war,
zeigte fich diejes Solidaritätsgefühl. Von den Machthabern
int Staate wiirden dieſe Ausbrüche der Verzweiflung nicht in
ihren Grundurfſachen rkannt. Man ſah in den durch die wirt]<aft-
liche Entwickelung zur Verbitterung und Verzweiflung getrie-
benen Maſſen nur unruhige, wilde Verſchwörer, nicht die Armen,
Hungernden, die micht aus und ein wußten, die nichts erſtrebten
als einen, ach, fo beſcheidenen Anteil von dem, was ſie mit
Vruühe und Not und ſaurem Fleiß geſchafft hatten. Jede BWer-
ainiqung der Arbeitenden galt den Machthabern als ein ſchweres
Vergehen gegen den Staat. Und dies wurde mit harter Strafe
belegt, wie auch jedes gemeinſame Handeln gegen vie Unter-
nehmer. Den Unternehmern wurde jede Erleichterung und Frei-
heit in der Ausübung de8 Gewerbes gewährt, den Arbeitenden
nuit den Machtmitteln des Staates gedroht. Nach der preußi-
ichen Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 ſollten „Gehilfen,
Gei c«Uen oder Fabrikarbeiter, welche entweder die Gewerbetraiben-
den oder die Obrigkeit zu agcwiſſen Handlungen oder Zugeſtänd-
niſſen dadurch zu beſtimmen ſuchten, daß ſie die Einſtellung der
Arbeit oder die Verhinderung derſelben bei einzelnen oder
mehreren Gewerbetroibenden verobredeten oder zu ſolcher Verab-
redung andere aufforderten, mit Gefängni38 bis zu eimem Jahre
beſtraft werden“. Das galt auch fir Arbeiter, die auf Berg- umd
Hüttenwerken, an Landſtraßen, Eiſenbahnen, Feſtungsbauten und
anderen öffentlichen Anlagen beſchäftigt waren. Die Bildung von
Verbindungen unter den Arbeitern oder Lehrlingen war ohne
polizeiliche Erlaubnis nicht geſtattet. Die Stifter und Vorſteher
jolc<her Vereinigungen ſollten mit Geldbuße bis zu fünfzig
Talern oder Gefängnis bis zu vier Wochen, die Übrigen Teil-
nehmer mit Geldſtrafe bi8 zu zwanzig Talern oder Ge-
fängnis bis zu vierzehn Tagen getroffen werden, falls nicht
die Krim'nalgeſeke eine härtere Strafe vorichrieben. Das eigen-
mädctige Verlaſſen der Arbeit und „grober Ungehorſam oder be-
hbarrliche Widerſpenſtigkeit“ ſollten mit Geldbuße bis
zu Zwanzig
Talern oder Gefängnis bis zu vierzehn Tagen beſtraft werden.
Dieſem Beiſpiele Preußens im Erlaß der Koalition8verbote
folaten die übrigen Staaten Deutſchlands bald nach. Damit
war dann glücklich dafür geſorgt, daß aus ſich ſelbſt heraus die
Arbeiter faum etwas zur Beſſerung ihrer Lage tun konnten. Au)
ohne die Koalition5verbote wäre das iIchon ſchwer geweſen, denn
jo fehr auch die Arbeiter inſtinktiv ihre Zuſammengehörigkeit
empfanden und ſich ſolidariſch fühlten, fo wenig klar war noch
ihre Einſicht in den Zuſammenhang der Dinge, io häufig auch
Ichaiterts die AusSübung der Solidarität an den tatiächlichen Ver-
hältniſfen. Selbſt wenn ſie foklidarri< handeln wollten, die Not,
der Hunger trieb ſie nur zu bald wieder in die alte ron. Wenn
ſie die Arbeit nicht machen wollten, dann ſtanden ja Tantjende
und Nbertaufende draußen vor den Toren, die gern an 1hre
Stelle traten, die noch ſchlechter daran waren als jene, die arbel-
teten, die nichts zu beißen hatten und gern nahmen, was andert
nicht wollten. Der Dunger vernichtet alle Solidarität, namentlich
in Menſchen, deren geiſtiger Horizont nur bejchränft iſt. Und
das war er leider nur zu jehr bei den Maſſen. Wo ſollten ſie auch
die Zeit zur Bildung hernehmen!
Die Schar der Arbetts8lojen war es, die mit zermalmendem
Dru> auf den Löhnen der Arbeitenden lattete. die dem Unter-
nchmer immor und immer wieder die Möglichfeit gab, Abzüge
zu machen, in dem Maße, daß den Männern mir Frauen- und
Kinderlöshne gezahlt wurden, die ihm geſtattete, die Arbeitszert
nach Belieben zu verlängern, überhaupt den Inhalt des Arbeits-
vertrages nach ihrer Willfür zu diktieren.
Die Wirkungen dieſer Verhältniſfe habe iM im lebten Artikel
geſchildert; ſie zwangen Ichließlich auch den Staat, zumimnſitn dor
Arbeiter dinzugreifen, Vorichrifken über die Beichäft'aumm der
Zrauen, Kinder und der Jucgendlichen, über die Barzahlung der
Lohne, über die Arbeit3zeit 1i1w. zu erlaſſen. (Schluß folgt.!
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Begeiſt'rung, Himmelstochter! laß dich zur Erde nieder
Und ſchwing' ob unſern Häuptern dein fjiegreid Banner wieder;
Bann' ihn hinweg den Unhold, den Dämon unſrer Zeit,
Das ſchläfrig, lahme Scheuſal, genannt Gleichgültigkeit!
Anaſiatizs Grün.
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Im Schweizer jura.
Eine Wanderung im Felſental der Arenſe.
Vom Bruder Siraubinger.
n Zürich erklärten ſie uns für verriickt; als wir im Veeuchätel
aus dem Zug ſtiegen, ſagten ſi „fou“, und das bedeutet init
JIranzöſiſchen dasfelbe. Und jie vatten remt, die Spießhürger;
von ihrem Standpunkt aus, natürlich. Denn es reqnete Bindfaden.
Koin PRlaßzregen, hinter dem die Sonne gleich wieder hc jervorgut!
Nein, es war in der Zeit der EisSheiligen, Viitte Mai. Da kriechen
DIC Wolken aus der Erde und 1enken ich aus der Luft, wickeln jich
funden haben, daß Gäſte und Beruf den Menſchen im Kellner formen;
daß dem vollendeten Kellner die angenehmen Stunden der Gäſte gleich=
gültig ſind und das Trinkgeld die Hauptſache, weil ſie davon leben.
müſſen und ein Leben in Luxus ſie umgibt. Wo blieb hier die Freude
an der Arbeit, dieſer Arbeit zur Freude der Menſchen? Sie wurde
durc< das Stſtem der Bezahlung durch die Gäſte unterdrückt.
Gäſte waren gewiſſermaßen ſelbſt daran ſchuld, wenn ſie von den
Kellnern als eigentliche Brotgeber betrachtet und je nach der Höhe d1r:5
Trinkgeldes entweder mit fricchender Höflichkeit oder mit Verachtung
und Fluchen behandelt werden. Die Hohe des Trinkgeldes diktiert die
Höhe der Achtung, nicht der Menſchen zu den Menſchen, nein, der Kellner
zu den Gäſten. So wirken Gäſte und Wirt, indem ſie da38 ganze Ar=
beitöſyſtem, wie cs nun einmal iſt, ruhig hinnehmen, moraliſch zerſeßend
auf dieſen Beruf ein, und folglich auch auf dic M enſchen, die ihn aus-
üben müſſen.
Friß wußte nicht, wie die Kellner mit Eiferſucht darüber wachen,
daß. der eine nicht dem anderen das Trinkgeld wegſchnappt. Er wußte
nur, daß ihm Unrecht geſchah, fühlte darum ſeine Ohrfeigen doppelt
Ic<merzlich und brach in lautes Weinen aus.
Da kam der Wirt d1x5 Hauſes, mit rotem Geſicht, wie es ſchien, ein
wenig angetrunfen; e8 war ja auc< ſchon ſpät und daher auch kein
Wunder. Er wollte an den Beiden vorüber ins Reſtaurant, die Gäſte zu
begrüßen. Er ſah den Friß heulen:
„Wa3 iſt denn hier [l93?“
Dem „Ober“ war die Frage nicht gerade angenehm, doch er als
weltgewandter Mann faßte ſich ſchnell:
„3Y hatte dem Jungen verboten zu kaffieren, weil er doch noch
Die
nicht jo aufpaſſen fann und etwa3 zu unſerem Schaden vergeſſen fönnto.
I<h hatte nun einen Augenbli> nebenan im Sißungszimmer zu iun;
da geht der freche Bengel doch hin, kajſiert, ſte&t das Geld cin und ſaat
nichts. Als ich wieder ins Reſtaurant fomme, ſehe ich natürlich jofort,
=D
daß der eine Herr fort iſt, wundere mich und verlange das Geld. Da
will dieſer freche Bengel das Geld unterſchlagen? Solch ein Schlingel!
Na, da habe ich ihm ein paar Ohrfeigen gegeben und ihm das Geld
abgenommen. “
„Da haſt Du noch eine,“ ſagte der Wirt und licß ſeine ſchwammig?
Hand in Frißens Geſicht niederſaufen. „Da hört doch alles auf! Jit
ert ein paar Tage da und rl ſchon betrügen ! Ha, ha, ha, Du wirt
ein ſchönes Früchtchen, cin richtiger Kellner.“
Und immer noch vor ſich hinſchimpfend über den „Betrug“ und üer
den 'Aerger- mit den Kellnern und den Lehrlingen, ging er hinaus, um
draußen die Gäſte mit ausgeſuchter Lieben3würdigkeit und Höflichfeit
2U begrüßen.
Friß konnte es noch gar nicht faſſen, was ihm da alles paſſiert war.
Der Schmerz über die erhaltenen Ohrfeigen kam ihm gar nicht mehr
voll zum Bewußtſein; Schrec> und Staunen beherrſchten ihn und machtett
ihn ſtumm
Was38 -- Geld ſoll er unterſchlagen haben, ein richtiger Kellner foll
er werden? . .
Ta Herrſcht ihn der „Ober“ an:
„Scher' Dich zu Bett, i< brauche Dich nicht mehr!“
Und Friß ſchlich ſich davon wie ein | getretener Hund. Und vor ilm
dehnten ſich die Nacht und die anderen Tage, zum Donken und Grübel!y
was ihm da paſjiert war.