Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

300 
- Arbeiter -Jugend- 
 
 
um die Bäume und um die Häuſer und fließen die Berghänge hin- 
unter bi38 ins tieffte Tal. Wir fuhren am Ufer des Bieler und 
teuenburger Sees entlang und konnten Waſſer und Wolken nicht 
voneinander unterſ<eiden. Alſo in Wahrheit ein verrückter Ge- 
danke, an ſol<em Tage den Ruckſa> auf den Buckel zu nehmen! | 
Aber erſten8 wollten wir drei im Jura allerhand wiſſenjc<aft- 
liche Unterſuchungen 
Aim Hotel de la Truite = „zur Forelle“ = mußten wir vorüber, 
I<. geſtehe, uns allen lief das Waſſer im Munde zujammen. Wir 
waren troß der „Waſſerdichten“ jchon reichlich naß, und Forellen . . 
Unſer Dickiter wollte überhaupt nicht weitergehen. Eine Viecherei 
iei das in dem Sauwetter, meinte er, und er ſei Ihon einmal hier 
geweſen; jolc<a Forellen wie hier gebe e8 nirgends mehr auf 
Gottes Erdboden -- 
und ſo ſchöne, breite, 
 
anſtellen, und die 
drängten. Und dann 
und Hauptſächlich: 
was ein richtiger 
Kerl iſt, dem iſt 
jedes Wetter rect. 
Regenwetter iſt auch 
ein Wetter, und das 
Coben iſt ſo kurz. 
Alſo wir ließen die 
Philiſter reden und 
ſtiefelten los. In 
Neuchätel hatten 
wir eine Stunde 
Aufenthalt und be- 
ſahen uns die Stadt 
und das alie 
Schloß. Bon alters 
her war der Platz 
von größter Be- 
deutung. Wahr - 
ſcheinlich ſchon in 
vorgeſchichtlicher Zeit 
gingen hierHandel3- 
wege vorbei, die 
von Gallien dur 
den Jura nach dem 
Schweizer Mittel- 
land und na<h Süd- 
deutſchland führten. 
Aus der Römerzeit ſtammen viele alte Straßen und Beſeitigungen. 
Im Mittelalter reihte fich in der ganzen Gegend Raubjchloß an 
Raubſchloß, und die adligen Geſchlechter machten reiche Beute. 
Heute iſt Neuchätel (deutſch: Neuenburg) einer. der wichtigjten 
enbaähnen. Uebrigens -- auc 
das iſt eine Merkwürdigkeit =- noch vor etwa fun]z1g Jahren war 
- 
Kreuzungspunkte der Schweizer Ei 
9er Kanton Neuenburg ein Fürtjten- 
tum, und an feiner Spike ſtanden vie 
preußiſchen Hohenzollern. E38 joll jogar 
no Leute hier geben, die jene Zeit 
zurücjehnen. 
Mit der Jura-Querbahn, die nad) 
Chaux-de-Fonds8*) führt, fuhren wir 
bi8 Chambrelien. 
Tippelei. Er] nv 
alten Römer, einer alten Römerjtraße 
entlang. Die trotteten wir längs, 1tol- 
perten auch etlihe Male querwaldem 
aufwärts, wenn wir irgendwo etwas 
Sehen8wertes vermuteten. Solcher 
Regen hat auch jein Gutes. Da wir 
förmlich in den Wolfen wanderten, war 
von Jernſicht natürlich keine Jiede; min 
io mehr ſtellten ſich die Augen auf die 
Nähe ein und entdeckten da allerhand 
an Steinen, Pflanzen und Tieren, was 
ſie ſonſt wahrſheimlich über) chen hatten. 
Mittag war ichon lange vorübes 
und ein ſchweres Stück Wegs ſtand uns 
no< bevor. Wir nahmen alfo haſtig 
ein paar Biſſen zu uns und eilten den 
Bergabhang, da, wo vor Zeiten einmal 
ein Bergſturz herniedergegangen war, 
hinab ins Tal der Aremſe**). Infolge 
des Negens breit und hoch angeſchwollen, 
wälzte fie ſich gurgelnd und ziſchend 
über dia Fel8trümmer in ihrem Bett. 
Aber ihre maleriſchen Schönheiten woll- 
ten wir erſt am nächſten Tage durch- 
koſten; heute hatten wir nur Gedanken 
für die nächſte Brücke, und die fanden 
wir ſc<ließlich bei Champ du Moulin***). 
*) Sprich ungefähr: ſchoh d'fong, 
**) Sprich arühs. 
Ix+) Sprich ungefähr: ſchang dü nmläng (Mühlental), 
 
 
Champ du Moulin im Areuſe-Tal. - 
 
Hier begann die * 
t mal auf den Spuren der 
 
 
 
Felſenſ<lu<ht der Ureuſe. Lots Frau. 
weiche franzöſiſche 
Betten und... .er 
verhieß noh aller- 
hand andere Herr- 
lichfeiten. Aber wir 
been andern blie- 
„ben feſt, und er 
mußte ſich der Mehr- 
heit fügen. Alfo auf 
der andern Seite 
teil aufwärts, wn 
dic Höhe der Berge 
von Boudry zu ex- 
reichen; vor An- 
bruch der Dunkel- 
heit mußten wir auf 
dem Kamm des 
Soliat (etwa 1400 
Meter) ſein. = Eine 
nette Beſcheerung: 
Knapp waren wir 
100 Meter höher 
gefommen, ſo ging 
der Regen allmäh- 
lich in Schnee über. 
Auf 8500 Meter 
Höhe lag der Shnce 
ſhon zollho<h. ECi- 
nen Weg gabs na= 
türlich nicht; : und es galt, vor allem einmal unſere Einſticg- 
telle zu entdecken. Bis zu tauſend Meter ſteigen die Hänge all- 
niählich an, aber dann erhebt ſich bis 1200 Meter eine ſteile Mancr 
von fentrecht abgeſchmttenen Felsſtufen, die von dieſer Seite aus 
nur in einem engen Einſchnitt, der Grande Ecocurne, überwunden 
werden können. Denkt euch in den Felswänden einen tiefen Riß, 
den Wetter und Regen allmählich er- 
weitert haven; der Kluft vorgelagert 
dann einen ſteinigen Schuttfegel von 
abgebrocßenen Felstrümmern. Das iſt 
die Grande Ecoceurne. Nur daß wir bei 
Ddiejem Wetter von ihrer Großartigkeit 
nichts zu Geſicht, um io gründlicher 
aber ihre YIui>en und Tücken zu koſten 
befamen. 
Der Kompaß und einige Zickza- 
gänge brachten uns auf den Schuttfegel, 
über dem geſpenſterhaft die überſchnei- 
ton Fels8wände Herabdräuten. Schriti 
für Schritt aing es Über das abrut- 
ichende „Geröll aufwärts, während der 
Wind über die freie Fläche hinweg uns 
dein Schnee ins Geſicht trieb. Im Schu 
Der JelSwand, da wo der Schuttſtron 
aus der Felsrinne quoll, gab es einen 
furzen Halt. 
Kletterarbeit! Da leuchten die 
Angen und ſpannen ſich ſtraffer die 
WVeusfeln und wecken Sinne und Fähig- 
feiten, von denen die nicht3 wiſſen, dic 
die Freuden der Berge nice gefoſtet 
haben! Vorſichtig geht es von Fel3- 
band zu Felsband aufwärts; der unvor- 
hergeſehene naſſe Schnee zwingt uns 
zur Langſamfeit. Nun engt ſich die 
Rinne zum Kamin. Wir nehmen die 
Ruckſäcke auf die Bruſt. Den Rücken 
und die Hände an die eine, die FÜßCL 
an die gegenüberliegende Fel3wand 
angeprcßt, 10 rutichen und ſchieben wir 
uns langſam nach. Kaminfegerart wohl 
über zwei Dutzend Meter höher. Das 
lezte Stü, da wo die Rinne nach oben 
fich wieder trichterförmig erweitert, iſt 
Spielerei, und wenn auch der Schnee 
 
€. 700 

	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.