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- Arbeiter -Jugend-
um die Bäume und um die Häuſer und fließen die Berghänge hin-
unter bi38 ins tieffte Tal. Wir fuhren am Ufer des Bieler und
teuenburger Sees entlang und konnten Waſſer und Wolken nicht
voneinander unterſ<eiden. Alſo in Wahrheit ein verrückter Ge-
danke, an ſol<em Tage den Ruckſa> auf den Buckel zu nehmen! |
Aber erſten8 wollten wir drei im Jura allerhand wiſſenjc<aft-
liche Unterſuchungen
Aim Hotel de la Truite = „zur Forelle“ = mußten wir vorüber,
I<. geſtehe, uns allen lief das Waſſer im Munde zujammen. Wir
waren troß der „Waſſerdichten“ jchon reichlich naß, und Forellen . .
Unſer Dickiter wollte überhaupt nicht weitergehen. Eine Viecherei
iei das in dem Sauwetter, meinte er, und er ſei Ihon einmal hier
geweſen; jolc<a Forellen wie hier gebe e8 nirgends mehr auf
Gottes Erdboden --
und ſo ſchöne, breite,
anſtellen, und die
drängten. Und dann
und Hauptſächlich:
was ein richtiger
Kerl iſt, dem iſt
jedes Wetter rect.
Regenwetter iſt auch
ein Wetter, und das
Coben iſt ſo kurz.
Alſo wir ließen die
Philiſter reden und
ſtiefelten los. In
Neuchätel hatten
wir eine Stunde
Aufenthalt und be-
ſahen uns die Stadt
und das alie
Schloß. Bon alters
her war der Platz
von größter Be-
deutung. Wahr -
ſcheinlich ſchon in
vorgeſchichtlicher Zeit
gingen hierHandel3-
wege vorbei, die
von Gallien dur
den Jura nach dem
Schweizer Mittel-
land und na<h Süd-
deutſchland führten.
Aus der Römerzeit ſtammen viele alte Straßen und Beſeitigungen.
Im Mittelalter reihte fich in der ganzen Gegend Raubjchloß an
Raubſchloß, und die adligen Geſchlechter machten reiche Beute.
Heute iſt Neuchätel (deutſch: Neuenburg) einer. der wichtigjten
enbaähnen. Uebrigens -- auc
das iſt eine Merkwürdigkeit =- noch vor etwa fun]z1g Jahren war
-
Kreuzungspunkte der Schweizer Ei
9er Kanton Neuenburg ein Fürtjten-
tum, und an feiner Spike ſtanden vie
preußiſchen Hohenzollern. E38 joll jogar
no Leute hier geben, die jene Zeit
zurücjehnen.
Mit der Jura-Querbahn, die nad)
Chaux-de-Fonds8*) führt, fuhren wir
bi8 Chambrelien.
Tippelei. Er] nv
alten Römer, einer alten Römerjtraße
entlang. Die trotteten wir längs, 1tol-
perten auch etlihe Male querwaldem
aufwärts, wenn wir irgendwo etwas
Sehen8wertes vermuteten. Solcher
Regen hat auch jein Gutes. Da wir
förmlich in den Wolfen wanderten, war
von Jernſicht natürlich keine Jiede; min
io mehr ſtellten ſich die Augen auf die
Nähe ein und entdeckten da allerhand
an Steinen, Pflanzen und Tieren, was
ſie ſonſt wahrſheimlich über) chen hatten.
Mittag war ichon lange vorübes
und ein ſchweres Stück Wegs ſtand uns
no< bevor. Wir nahmen alfo haſtig
ein paar Biſſen zu uns und eilten den
Bergabhang, da, wo vor Zeiten einmal
ein Bergſturz herniedergegangen war,
hinab ins Tal der Aremſe**). Infolge
des Negens breit und hoch angeſchwollen,
wälzte fie ſich gurgelnd und ziſchend
über dia Fel8trümmer in ihrem Bett.
Aber ihre maleriſchen Schönheiten woll-
ten wir erſt am nächſten Tage durch-
koſten; heute hatten wir nur Gedanken
für die nächſte Brücke, und die fanden
wir ſc<ließlich bei Champ du Moulin***).
*) Sprich ungefähr: ſchoh d'fong,
**) Sprich arühs.
Ix+) Sprich ungefähr: ſchang dü nmläng (Mühlental),
Champ du Moulin im Areuſe-Tal. -
Hier begann die *
t mal auf den Spuren der
Felſenſ<lu<ht der Ureuſe. Lots Frau.
weiche franzöſiſche
Betten und... .er
verhieß noh aller-
hand andere Herr-
lichfeiten. Aber wir
been andern blie-
„ben feſt, und er
mußte ſich der Mehr-
heit fügen. Alfo auf
der andern Seite
teil aufwärts, wn
dic Höhe der Berge
von Boudry zu ex-
reichen; vor An-
bruch der Dunkel-
heit mußten wir auf
dem Kamm des
Soliat (etwa 1400
Meter) ſein. = Eine
nette Beſcheerung:
Knapp waren wir
100 Meter höher
gefommen, ſo ging
der Regen allmäh-
lich in Schnee über.
Auf 8500 Meter
Höhe lag der Shnce
ſhon zollho<h. ECi-
nen Weg gabs na=
türlich nicht; : und es galt, vor allem einmal unſere Einſticg-
telle zu entdecken. Bis zu tauſend Meter ſteigen die Hänge all-
niählich an, aber dann erhebt ſich bis 1200 Meter eine ſteile Mancr
von fentrecht abgeſchmttenen Felsſtufen, die von dieſer Seite aus
nur in einem engen Einſchnitt, der Grande Ecocurne, überwunden
werden können. Denkt euch in den Felswänden einen tiefen Riß,
den Wetter und Regen allmählich er-
weitert haven; der Kluft vorgelagert
dann einen ſteinigen Schuttfegel von
abgebrocßenen Felstrümmern. Das iſt
die Grande Ecoceurne. Nur daß wir bei
Ddiejem Wetter von ihrer Großartigkeit
nichts zu Geſicht, um io gründlicher
aber ihre YIui>en und Tücken zu koſten
befamen.
Der Kompaß und einige Zickza-
gänge brachten uns auf den Schuttfegel,
über dem geſpenſterhaft die überſchnei-
ton Fels8wände Herabdräuten. Schriti
für Schritt aing es Über das abrut-
ichende „Geröll aufwärts, während der
Wind über die freie Fläche hinweg uns
dein Schnee ins Geſicht trieb. Im Schu
Der JelSwand, da wo der Schuttſtron
aus der Felsrinne quoll, gab es einen
furzen Halt.
Kletterarbeit! Da leuchten die
Angen und ſpannen ſich ſtraffer die
WVeusfeln und wecken Sinne und Fähig-
feiten, von denen die nicht3 wiſſen, dic
die Freuden der Berge nice gefoſtet
haben! Vorſichtig geht es von Fel3-
band zu Felsband aufwärts; der unvor-
hergeſehene naſſe Schnee zwingt uns
zur Langſamfeit. Nun engt ſich die
Rinne zum Kamin. Wir nehmen die
Ruckſäcke auf die Bruſt. Den Rücken
und die Hände an die eine, die FÜßCL
an die gegenüberliegende Fel3wand
angeprcßt, 10 rutichen und ſchieben wir
uns langſam nach. Kaminfegerart wohl
über zwei Dutzend Meter höher. Das
lezte Stü, da wo die Rinne nach oben
fich wieder trichterförmig erweitert, iſt
Spielerei, und wenn auch der Schnee
€. 700