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Arbeiter- Jugend
ähnlich getrieben haben wie wir, und „Forelle blan' wird wohl
auch manchmal auf ſeinem Speiſezettel geſtanden haben. Untere
Kochkunſt bewährte ſich, und als die erſte Forelle, unt Brunnen-
ehe garniert, auf ven Aluminiumteller lag . . . Kinder, ich muß
e3t noc mit der Zunge 1I<nalzen, wenn 1 daran denke!
Daß es mittlerweile immer luſtig weiter geregnet hatte, habe
ich gar nicht erzählt; wir achteten ja auch nicht mehr darauf und
merkten es eigentlich erſt wieder, als wir auf dem Bahnhof Boudry
cin Geſprä<ß mit "nbörten, in dem „ne“ uns als „lauvages“
(Wilde) bezeichnete und „er“ uns für „fou“ erklärte. Da 3 Ber-
anügen licßen wir ihnen; wir hätten mit niemandem getaujcht.
Gewitkter in der Roſtko&er Heide.
Gewitterſturm ſchnaubt durch den ächzenden Ward,
Und die Brandung dumpfdröhnend herüberſchallt,
Und das Meer erdunkelt in wolkiger Nacht,
Und der Donner ſchmettert und fracht.
Wie der dämmrige Forſt ſich verzagend duct,
Wenn der Blitze hölliſche Helle zu>t --
Doch die Bruſt in heiligem Rauſche bebt
Ob dieſes Großen, das ſtolz ſie erlebt.
Wie der Regen rauſcht und praſſelt und ſprühi!
Wie die Gipfel ſtöhnen in Todesangſt =
Sag, wildes Herz, nun, was du verlangſt! --
Der Muskel ſtrafft fich, das Auge glüht:
Nun nimm dein2 Urkraft, du Wetterwind!
Nimm, Mutter Natur, deinen Flammenſtrahl!
Liſch aus des Daſeins Wonnen und Qual =
Nun hole heim dein trogziges Kind!
M. Wanderfalk.
Die Arbeiterſamariter im Kriege.
CH 13 zu Beginn des Krieges die ſozialdemokratiſche Partei an
84 8 ihre nicht ausgezogenen Anhänger den Aufruf ergehen licß,
+ 7 mitzuhelfen an der Heilung der Wunden, die der Krieg
;Glägt, da ſtellten ſich zahlreiche Mitalieder der Arbeiterfamariter-
kolonnen dem Roten Kreuz zur Verfügung. Das war jſelbſt-
verſtändlih. Sind e8 doch zum großen Teil die Arbeiter,
die draußen vor dem Feind Leben und Geſundheit zum DO pfer
bringen. Gegenüber der Notwendigkeit, den kranken und
verwundeten Klaſſengenoſſen tatkräftige Hilfe angedeihen zu
laſſen, mußten in dieſer Zeit alle Bedenken ſchweigen, die
unter anderen Umſtänden aus der prinzipiellen Gegnerſchaft
zu jenen bürgerlichen Organiſationen ſich vielleicht bemerk-
bar gemacht haben würden. Auch auf diejem Gebiet mußte
die Arbeiterſchaft zeigen, daß ſie nicht abjeits von dem großen Er-
eignis ſtehen wollte, das das ganze Volk in Mitleidenſchaft zieht;
hier fonnte ſie ihren Willen zum Frieden und ihre Abneigung
gegen den Krieg am deutlichſten dadurc< erweiſen, daß ſie ſich
beſtrebte, das Elend, das der Krieg notwendigerweiſe im Gefolge
hat, nach beſten Kräften zu lindern. Und wie die Gewerkſchaften
an der Spitße derer marſchieren, die die Not der Zurü&gebliebenen,
deren Ernährer im Felde ſtehen, und der durch den wirt Ichaftlichen
Niedergarig erwerb3lo03 Gewordenen zu beheben ver "uchen. wie die
Arbeiterpreſſe immer wieder an die Friecführenden Mächte
appelliert, die Gebote der Menſchlichkeit zu ac<ten, ſoweit es die
Notwendigkeit, den Feind zu ſchädigen, nur irgend zuläßt, ſo er-
ſchienen au< die Arbeiterſamariter auf dem Plan, um ſich jelbijt
und ihre Sache in den Friedens3dienſt des Krieges zu ſtellen.
UnüberbrüFbar erſ<ien biSher die Kluft zwiſchen den Arbeiter-
famaritern und den anderen. Dieſe Gegnerſc<aft beruhte darauf,
daß die bürgerlichen Organiſationen die Ausbildung ihrer WMit-
glieder in erſter Linie für den Krieg betrieben und von militä-
riſchem Geiſte erfüllt waren. Deimngegenüber vertraten die Arbeiter- .
ſjamariter den Standpunkt, daß ihre Samaritertätigkeit vor
allem den auf dem Schlachtfeld der Ar b eit Verletzten zu gelten
habe, und daß demnach die Ausbildung und AusSrüſtung der
Samariterkolonnen beſonder3 den induſtriellen Unfällen angepaßt
ſein müſſe. Die ſchweren Betriebsunfälle, die das Eingreifen der
Arbeiterſamariter erforderten, waren in der Regel die diretten
Folgen der kapitaliſtiſchen Wirtſchaft3weife, in der die Koſten-
erſparnis durd) Vernachläſſigung der Betrieb3ſicherungen häufig
höher veranſ<lagt wird al38 da38 Leben und die Geſundheit der
beſchäftigten Arbeiter. Dieſer Widerſtreit zwiſchen der militäri-
ſchen Tendenz der bürgerlichen und dem Beſtreben der proletar1-
ſchen Samariter, die Yunden, die der KapitaliSmus ſchlägt, zu
heilen und zu verhüten, war lange zwiſchen beiden Organi-
jationen die <ineſiſche Mauer, die erſt unter dem Sturm der
Tatſachen, die ein gemeinſames Wirken zur unumgänglichen Not-
wendigkeit machten, zuſammenbrach. Vielleicht wird auch hier
die gemeinſame Arbeit-und das gemeinſame Ertragen von Ent-
behrung und Not manches Vorurteil beſiegen helfen.
Da38 neue Element, das die Arbeiterſamariter im Organis-
mus dcs Roten Kreuzes darſtellen, darf unbedenklich als eine
Steigerung der Leiſtungsfähigkeit dieſer Organi] ation und als
eine heilſame Blutauffriſhung de8 Ganzen betrachtet werden. Es
iſt nicht daran zu zweifeln, daß die Ausbildung de38 Arbeiter-
ſamariters eine beſonders ſorgfältige, vielſeitige und durch zahl-
reiche praktiſche Erfahrungen gefeſtigte iſt. Bei mehreren Kurſen
habe ich die Erfahrung gemacht, daß im Dienſt ergraute Samariter
wiederholt daran teilnahmen, um ihre Kenntniſſe wieder auf-
zufriſchen. Dabei beſchränkte ſic< der Lehrplan dieſer Kurſe keines-
weg38 auf die engere Samaritertätigkeit. Neben dem Unterricht
über Erſte Hilfe und Krankentrans8portweſen wurden in den
Kurjen Wohnungs- und Werkſtatthygiene abgehandelt, Ernäh-
rungsfragen erörtert und theoretiſche wie prakti <e Anleitungen
zur häuslichen Krankenpflege gegeben. Daneben gingen Uebungen
im Anlegen von Verbänden und Schienen jowie Vorträge per
Wundinfektion und Infektions8krankheiten. Die in dieten Kurſe
cewonnenen Kenntniſſe und Fertigkeiten wurden durch Uebungen
in größerem Maßſtabe erprobt, die als Grundlage meiſt die An-
nahme von Maſſenunfällen in induſtriellen Betricben hatten.
Hier zeigte ſich oft in glänzender Weiſe die Findigkeit und tcch-
niſche Schulung der Arbeiterfamariter, die aus ſcheinbar unveor-
wertbaren Gegenſtänden im Augenblick brauchbare- Tragbahren hHer-
ſtellten und aus Fahrrädern, Stricken und Latten Krankenwagen
improviſierten, die ebenſo bequem und praktiſch wie betriebsſicher
waren. Ein nicht zu unterſc<häßender Anteil der Arbeiterjama-
riter-Tätigkeit fällt den Frauen zu. An ſie richtet ſich beſonde2“s
die Belehrung über Krankenpflege; zur Verallgemeinerung hyg!1t“-
micher Kenntmiſſe iſt ihre Vermittlerrolle unentbehrlich.
Die Tätigkeit der Kolonnen, in denen jetzt die Arbeiter-
jamariter tätig ſind, beſchränft jich in der Hauptſache auf den
Trans3port der Verwundeten, wie er teils im Felde und
auf den Ctappenlinien, teils am Orte ſelbſt vom Bahnhof nach
vem Lazarett zU bewerkſtelligen iſt. Körperlich tüchtige Frei-
willige unter 45 Jahren, denen man unbedenklich Strapazen 31U-
muten kann, werden nach den Feldlazarctten oder zur Begleituita
von Qazarettzügen abfommandiert. Unter dieſen Mannſc<haften
befinden ſich zahlreiche Hochſchüler, von denen ſich ein großer Teil,
joweit er nicht zu den Fahnen einberufen wurde, gleichfalls dem
Roten Kreuz zur Verfügung ſtellte. ES iſt durch die Erfahrung be-
wieſen, daß gerade der Arbeiterſamariter ganz beſonder8 in der
Lage iſt, dieſe Tätigkeit auszuüben, da er den zrößten Zeil der
Verwundeten do< zu ſeinen Klaſſengenoſſen zahlen darf und am
leichteſten und eindringlichſten mit ihnen in die perſönlichen Beo- -
zichungen treten kann, die die Vorausſezung einer ſegenSreichen
Samaritertätigkeit find, einer Tätigkeit, die Nicht nur körperlichen
Dienſt bedeutet, ſondern oft auch menſchliche Teilnahme und echten,
verſtehenden Troft zu ſpenden genötigt iſt. Dieſem unmeßbaren
Vorteil gegenüber fällt wenig der Nachteil ims Gewicht, daß dic
Arbeiterſamatiter erſt einigermaßen militäriſch einexerziert werden
müſſen, denn ohne einigen militäriſchen Drill geht der glatte Auf-
marſc< und die Aufſtellung größerer Samaritermengen | bei der
Abholung und beim Transport von Verwundeten in der Tat nicht
vonſtatten. Die paar Schwenkungen, die hier zu erlernen ſind, hai
der Arbeiterſamariter am erſten Tage weg. Daß da3 nicht das
Weſentliche an der Samariterausbildung bedeutet, erkennt man
daraus, daß die Urteile über den eigentlichen fachtehniſchen Wort
der Arbeiterſamariter einmütig unerwartet = unerwartet in An-
betracht der früheren Abneigung =- günſtige ſind. Dieſe Anor-
kennung von bis8her gegneriſcher Seite iſt der beſte Beweis dafür,
daß c8 dem Arbeiterſamariter wirklich von jeher nur an der guter
Sache ſelbſt lag, daß er wirklic< nur, umzu helfen, lernt?
und übte, nicht etwa aus Vereinö8meierei. Ihm winkte weder cin?
Uniform, nod) ſonntäglicher Parademarſch, noc<ß die Sonne der be-
hördlichen Gunſt. Das einzige, was ihm zuteil wurde, waren Ar-
beit und Mühe und die Pflicht, Beiträge zu zahlen, aus denen die
Koſten für das Verbandmaterial, der Allgemeinheit zum Wohl,
beſtritten wurden. Dennoch ließ ſich der Bund nicht irre mocen an
ſeinem Ziel. Und jetkt, in. der Stunde der Gefahr, da man ihn
brauchte und rief- verbannte er vor der Größe der Gegenwatrtsfor-
derung all die Kränkungen aus der Vergängenheit und ſtellte ſich
ſtill und freudig in den Dienſt ſeiner Brüder, getreu dem Grundfab
der Solidarität, der ihm bi8her den Weg gewieſen.
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Kurt Biging.
mama STER: