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Arbeiter-Jugend
- Darauf: „Hurra! Hurra!! Hurra!!!“ kam e8 grau in grau
die Straße herauf, ſtampfend, ſtürmend, fegend .
" „Die Unſrigen!“ ſchrien die Jrauen und riſ en das Fenſter auf.
. Und dann jah die Struppin UM erzu ſtarr auf die Achſeln der
Grauen, als ob fie etwas fuche. Auf einmal hatte ſie es troß des
Ihredlichen Gewimmel8: „Von meinem Mann das Regiment!“
ſchrie ſie, „da8 Regiment vom Max!“
Und dann kam es weiter feldgrau in ſchwebenden Klumpen,
feldgrau in aufgelöſten Trupp3.“ Und jeht entdedte ſie mit den
Augen des Cheweib3, die kein Kriegsgetümmel der ganzen Welt
en kann, einen einzelnen Stürmenden: „Max!“ ſchrie ſie,
„Marl!“ .
“- Aber der da drüben: hörte nichts.
„Max!!“ gellte e8 zum andern Male. Da ſah ſie ſekundenlang
ein wildverzerrte3 Angeſicht ſich ihr und dem Arbeiterhäufel zu-
wenden, ſIchrekhaft nien, ſich wieder geradeaus richten =- weg war
er mit den leßten, die den Feind durc<<s Dorf hinaus8getrieben
hatten auf den Jreien Plaß, wo &s das laßte Ringen gab, ehe die
Franzoſen den Tag verloren geben mußten.
Stunden vergingen. Die drei Frauen ſaßen noc< immer da.
Die Struppm erzählte nichts mehr von den Bettüchern. Ganz
ſtarr und ſteinern war ſie geworden. Die beiden andern ſprachen
auf ſie ein. Aber ſie verſtand kein Wort.
ſinnloſer al8 das Geräuſch der pfeifenden Geſchoſſe. Nur immer
das wildverzerrte ftürmende Angeſicht jah fie und das kurze Nicken
und das WiedergeradeauSrichten ...
Der Sturm war vorüber. Da3 Gefecht draußen auf dem Rlaß
vor „dem Dorf war vorüber. Die beiden Nachbarinnen waren
forfgegangen. Die S Struppin wußte es nicht. Nur das Geſicht jah
fie nod) immier.
In der Straße ſerie e3 deutſch: „Sieg! Sieg!“ Jemand rief
zum Genſter herein, man könne wieder heraus, es fei: feine Ge-
fahr mehr. Die Struppin rührte fich nicht.
Jeßt kam die Nachbarin wieder am Jenſter vorbei: „Ge-
ſ<hwind, Struppin, die Unſrigen kommen. zurück, komm heraus8!“
Aber die Struppin kam nicht heraus. Sie»wartete auf ihren
Mann. Der würde doch geradeaus ZU ihr IC t“Fommen.
in der nächſten Viertelſtunde. Shon in den näc
Schon der Feldgraue dort drüben konntc es fein.
Er war es nicht. Auch nicht in einer Viertelſtunde.
nicht i in einer Stunde .
Der Abend kam, und die Struppin jaß noch immer ſenkrecht
am Jenſter, wie ſie an ihrer Maſchine immer ſaß.
Aber noch ebe es dunkel wurde, ſtand ie auf einmal e>ig
und langjam auf und ging in den Sof. Dort ſtand ein Karren
in der E>e, ein Handkarren. Mit einer dünnen Eiſenkette war
er an einen roſtigen Ning gebunden. Die Eiſenkette löſte die
Struppin, und ſie machte keinen Griff zu viel. Auch als ſie den
Karren umdrehte und zum Tor hinausic<hob, das war alles ſo
ſachkundig und ruhig und hatte beinahe einen leiſen Anſtrich
von Jeierlichkeit.
Jett holperte der Karren über einen aufgeriſſenen Rflaſter-
ſtein: „Struppin, wa3 tuſt mit dem Karren?“ Die Struppin gab
keine Antwort.
Nett war die Straße durch einen Pfeiler von Leichen ver-
ſperrt. „Wa3s Du mit dem Karren tuſt, Struppin2!“
Aber die Struppin ſchob ihren Karren um den Leichenpfeiler
i<harf herum. So, da konnte man die Köpfe ſehen. Die Struppin
ließ die Augen über die Kopfreihen gehen, vorwäart3, rückwärts,
wieder vorwärts . wie man die Seite einges Buches herunter=
lieſt. Dann ſchepperte ihr Karren wieder weiter. . .
So = fetzt war ſie aus dem Dorfe draußen. Da war das
lezte Schlachtfeld. Leute mit dem roten Kreuz auf weißen Binden
liefen umher. „Frau, was wollen Sie mit Ihrem Karren?“ =-
„ZLaſſen S mich gehn.“ =-- „Aber, gute Frau, Sie dürfen nicht
mit Ihrem Karren =“ =- Der Karren holperte ſchon ein Stück
in den Feldweg hinein und blieb hinter einer Heinen Weide ſtehen.
Und | dann ſah man eine ſtille Frau über das Schlachtfeld
gehen. Da, wo es rot war, ging ſie-raſch vorbei. Aber wo e8
grau war, feldgrau, „blieb ſie ſtehen und ſuchte. Darauf kam ſie
wieder zurüd zum Karren und ſchob ihn ein Stü> weiter, ließ
ihn wieder ſtehen, ging wieder in einen neuen Teil des Schlacht-
feldes -- da hatten die vom Roten Kreuz die Arbeit noc< nicht
aufgenommen. Und e8 war keine Haſt in ihrem Suchen. Nur
jekt ſab ſie plößlich. beſorgt nach dem Abendhimmel, der ſchon
dunkel werden wollte. . Wie ſie den Bli wieder zurü&wandte, kam
e3 wie eine Löſung über die eigen, ſtarren Bewegungen.
Irgend etwa3 murmelte ſie, wollte mit den Händen: an die
Augen fahren -=- beſann ſich aber halbwegs, kniete nieder; ſchien
Ihre Worte blieben .
| Shon
TE FÜNF Minuten. min
vu
zu ſprechen, ſchob einen Helm zuri:ct, und jeßt verſtand man -
deutlich: „Max! Mein Max!“ Und der Klang war nicht viel
ander3 als im Frieden, wenn ſie mit ihrem Mann ſprach.
Dann -ſah ſie auf. Der Karren war nur ein paar Scritte
Sie ſchob ihn herüber. E38 war ſchwer. Da lagen die Füße
Aber der Strüuppin Karren machte einen
weit.
eines Zoten im Wege.
. Ruck, und weg war er über die- Infanterieſtiefel.
Und dann hatte die Struppin ihren toten Mann aufgeladen
und ihn fortgefahren. Nac< Haufe .
>
Das Heidegrab.
Von Karl Ros5ner.
In fremdem Land ein einſames Grab,
Ein Kreuz aus zwei dörrenden Zweigen,
Ein zerſchojjener Helm auf zerbrochenem Stab --
Und Sonne und Segen und Schweigen.
Hier hat die Heide in Feuer gedampft,
In Hagel und Glut der Geſchoſſe,
Hier war der Boden zerwühlt und zerſtampft
: Vom Huſſchlag der ſtürmenden Roſſe.
Hier ſezte über den blutigen Sand
“ Hans Mors, der grinſende Ritter,
- Hier hob er drohend die knöcherne Hand,
Hier. mähte der furchtbare Schnitter.
Und wie die Heide rot lohend geflammt,
Da hat er gen Himmel geſichtet:
Jetzt iſt ſie verfemt, jetzt iſt ſie verdammt,
Jeßt hab' ich ihr Leben vernichtet --!
In fremdem Land ein einſames Grab --
Ein Deutſcher in flämiſcher Erden =
“Eine Amſel ſingt leis auf zerbrochenem Stab,
Und ein neues Blühen will werden.
Denunzieren (fat), angeben, zur Anzeige bringen. -
Epiſode (griech., wörtlich „Nebengefang“), Einfchiebſel in die Haüpt-
erzählung; da3, was in ſolc<en „Cinſchiebſeln“ erzählt wird: Vor-
fall, Erlebni3, Ereignis.
Front (vom lat. frons = Stirn), Vorder=, Stirnſeite, vorderſte Schlacht-
linie. .
Generation (lat.), Geſchlecht.
Imperator (vom lat. imperare =
Silbe), Herric<er.
Kondenſator (lat.), Verdichter;
dichtet wird.
Kontingent (lat., Ton auf der Endpſfilbe),
Beitrag, 3. B. an Truppen.
Konzentrieren „Wat.), zufammendrängen, vereinigen, verdichten.
Letter (lat.), Dru>buchjſtabe.
Magiſter (ſat), Schulmeiſter.
Munition (lat.), Krieg8-, namentlich Schießbedarf.
Neutralität (vom lat. neuter = keiner von beiden), Unparteiiſchkeit;
Ieichtbeteiligung eines Staates am Krieg anderer Staaten.
Obligatoriſch (lat.), bindend, zwang3mäßig.
Phyſiſch (vom oarich. physis = Natur), körperlich, im Gegenjag ZU
moraliſch = ſittlich, feeliſch.
Prima (lat., primus = erſter), von erſter, - vorzüglichſter Beſchaffenheit.
Problem (griech., Ton auf der Endſilbe, wörtlich: das Vorgeworfene),
eine zU :öfende (ſchwierige) Aufgabe; ſchwierige Frage.
Rubrik (lat., Ton auf der Endſilbe), Abteilung, Spalte.
Terrain, (franz., ſprich etwa: terräng, Ton auf der Endſilbe), -Gelände,
ebiet.
Terrakotta (ital.), gebrannte Erde; V
= befehlen; Ton auf der vorleßten
Gefäß, in dem Dampf zu Waſſer ver
dcr Pflichtteil, der ſchuldige
ildwerf aus gebranntem Ton.
onooonnongonNangaNnNICOoGONCLOONICKCOLLNINENOENAOoCOoOoKNOanan
Inhalt von Nr. 22; Unſere Bildungsarbeit in der Krieg3zeit. =- WeShalb
man den Arbeitern das Koalition3recht geben mußte. Von Rudolf Wiſſel (Schluß).
-- Kriegsfahrten in Belgien. Von W. Sollmann. -- Vom täglichen Leben der
alten Grießen. Von Adolf Bruno (Mit Abbildungen). -- Letzte Farben. Gedicht
von L. Leſſen. -- Die Entwieklung der Berliner Jugendbewegung. Von W. Scholz.
- Wie ſie ihren Mann geholt hat. Ein elſäſſiſcher Kriegsausſchnitt -- Das
Heidegrab. Gedicht von Karl Ro3ner. -- Fremdwörter.
- Berantwortlich für die. Redaktion: Karl Korn. -- Verlag: Fr. Ebert (Zentralſtelle für die arbeitende Jugend Deutſchlands). = Druck: Vorwärts Buchdruckerei u. -Verlags- "
anſtalt Paul Singer & Co. Sämtlich in Berlin, .