Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

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ſie verlangten von ihrer Organiſation die Vertretung ihrer wirtſchaft- 
lichen Intereſſen. Schon am 17. Juni 1906 wurde auf einer Konferenz 
für den Gau Pfalz die Ginſehung von Jugendſc<ußfommiſſionen in den 
einzelnen Orten beſchloſſen. Das bedeutete eine grundſäßliche Erweite= 
rung des Arbeit3proagramms3. Frank trat diefer von ihm nicht gewollten 
Entwickelung de3 Verband8zwe>e3 nicht entgegen. Im innigen Verkehr 
mit den jungen Arbeitern erfannte er, der mit einer feinen Beobach-= 
tungs38gabe ausgeftattet ivar, gar bald, daß die wirtſchaftlichen Geſicht3- 
punkte für die arbeitende Jugend beſonders wichtig ſind, und daß eine 
Organiſation, die junge Arbeiter ſammeln und dauernd feſſeln will, 
jich vornehmlich dieſer ihrer Intereſſen ann2hmen müſſe. Auf der 
Generalverſammlung am 30. September 1906 hielt er eine Rede, in 
der er die Cinſezung von Lehrlingsſhußkommiſſionen warm befürwor= 
tete. Zugleich wandte er jich gegen eine rohe Behandlung der Lehrlinge 
durd<) organiſierte Geſellen. „Das jung? Gemüt iſt nicht fpitfindig 
genug, die Perfon von der Sache zu trennen, und das iſt gut fo. Der 
Jugendliche wird nicht begreifen, daß ein ſc<hlechter Kerl, der ihn oöne 
Wrund quält und mißhandelt, außcrbalb der Fabrif für eine gute, 
große Sache kämpfe, -- und ſo eniſteht Mißtrauen gegen die ganze 
Arbeiterbewegung durch die Schuld einzelner.“ Welche feine Kenninis 
jugendlicher Denkart verraten nicht dieſe wenigen Wortel 
Frants Lieblingösarbeit blieb indeſſen die ſozialiſtiſche Agitation, die 
politiſche Aufklärung der arbeitenden Jugend. Al3 darum im Jahre 
1908 das Reichsöverein3geſeß in Kraft trat, das jugondlichen Perſonen 
unter achtzehn Jahren die Teilnahme an politiſchen Vereinen und Ver- 
ſammlungen verbietet, konnte der Verband feinen Grundſäßen nicht 
länger treubleiben. | 
Die Freien Jugendorganiſationen Norddoutſhlands dagegen, die dem 
alten preußiſchen Vereinögeſeß angevaßt woren und danach keinen poli- 
tiſchen 3wed verfolgen durften, hofften nun, daß der Süddeutſche Ver- 
band in die Norddeutſche Vereinigung aufgehen werde. Der gegen die 
ſüddeutſche Beivegung geführt? Schlag, ſo ſagte man ſich in norddeutſchen 
Jugendkreiſen, könne nicht wirkſamer pariert werden, al8 durch die 
Gründung einer einheitlichen, gang Deutſc<land umſpannenden Jugend- 
orgamiſation. Sie müſſe zwar den geſchlichen Verhältniſſen Rechnung 
tragen, aber daß auch dieſe unpolitiſche Jugendvoreinigung ein prole- 
tarijcher Geiſt durc<wehe, dafür würden ſchon die jungen Proletarier 
ſelber forgen. 
Frank glauvte indeſſen, auf die eigentliche ſozialiſtiſche Aufklärung3- 
arbcit. unter der Jugend nicht verzichten zu dürfen, und ſah in der 
Auflöfung de3 Verbandes und .der Schaffung örtlicher Agitation3aus8- 
ſchüſſe für die Jugend diz einzige Möglichkeit zur Fortſezung ſeiner 
Arbeit unter dem neuen Recht. Jn Dieſem Sinne beſchloß der Verband 
nech vor dem Jnkrafttreten des neuen ReichSverein3geſche8, am 3. Mai 
1908, auf ſeiner Generalverſammlung in Darmſtadt die Auflöſung. Er 
zählte damals 85 Ort8gruppen mit 4500 Mitgliedern. Franks hervor- 
ragende propagandiſtiſche Kraft hatie zweifellos einen großen Anteil 
an diajem ſchönen Crfolge gehabt. 
Fur Frank, der bei ſeiner Entſcheidung für die Auflöſung de3 Ver- 
bandes dein Rate älterer Führer der Arbeiterbewegung gefolgt war, be- 
deutete diejer Beſchluß alſo nicht etwa diz Aufhebung der ſelbſtändigen 
Jugendbewegung. Er ſah vielmehr darin nur einen von der Macht der 
Verhältniſſe diktierten Frontwechſel. Als wenige Wochen nach der Darm- 
 
 
„Wenn de heit mit deinem Geſcherr ſo aut arbeiteſt, wie mit deinem 
Maul, dann brauchſte gar kee Geſcllenſtük zu machen, dann kannſte glei 
Meeſter wärn . . .“ 
„So viel, wie dei Poppert bab ich och intus. Wer den zum Meeſter 
gemacht hat, des war e ganz Schlauer.“ 
Da3 Geſpräc< wurde unterbrochen durch das Zuſammentreffen mit 
Piepenbrings Friße. Man nannte Friße nur die „Bangbüxrx“, in An- 
kehnung an den Namen ſeines Meiſter3 Bangert. 
„Da kommt die „Bangbüx“.“ Mit diefem Ruf wurde der dritte 
zur Prüfung Schreitende empfangen. 
„Menſ<, was machſte .denn für ne Photographie? 
eweent!“ 
„Halt deinen Rand. Wer hat denn geweent?“ 
Johann. ließ ſich aber nicht irre machen, übrigens konnte Friße die 
Tränenſpuren nicht leugnen. 
„Lieber Alter, das ſieht aber e blinder Gaul, daß du gewäſſert haſt.“ 
„Beſſer, man weent beite morgens, als wie e3 dir vielleicht gehen 
fann, daß de abend8 Waſſer heulſt.“ 
„Bangbüxr“, wenn de das erledſt, kriegſte wenigſtens die Alter2= 
rente, ſonſt kommſte doch drum rum.“ 
Nun lachten Johann und Friß gemeinſam, CGduard hatte den Wik 
nicht verſtanden. 
Man war jekt vor de3 Prüfungsmeiſter5 Wohnung angefommen, 
wo ſchon zwei andere Lehrlinge auf ſie warteten. Jeder wurde dann 
von dem Meiſter in eine E>s an eine andere Arbeit geſtellt, damit ohne 
fremde Beeinfluſſung jeder für ſich zeigen fonnte, was er von dex Kunſt 
feines Handwerks erhaſcht hatte. 
Du haſt ja 
„in den Adern Batte, 
ſtädter Verſammlung einige Gewerkſchaftsführer eine grundſäßlich ab- 
lehnende Saltung gegenüber den Jelbſtäandigen Sugendorganijationen 
einnahmen, da ſtellte er fich wieder in unſere Reihen, obgleich wir ihm 
wegen dcs Darmſtädter Beſchluſſes beftige Vorwürfe gemacht hatten. 
Daß ſchließlich auf dem Parteitage in Nürnberg eine allgemein befri2di- 
gende Form der Jugendbewegung gofunden wurde, war ein nicht ge- 
Linge3s Verdienſt Ludwig Franks. 
(achdem die Jugendbewegung der gefamten Arbeiterbewegung an- 
gegliedert war, jah Frank fein Werk erfüllt. Jett ſtürzte er fich mit 
Gifer in den politiſchen Kampf der erwachſenen Arbeiter. „Schärfe gegen 
den Irrtum, Milde gegen die Irregeführten“ war ſeine Loſung. Sie 
führte ihm die Herzen der Hörer zu. 
Solange Frank für die Jugendbewegung wirkte, verband mich mit 
ihm die Arbeit für das gemeinjfame Ziel. Mir lag die Leitung der 
Jugendbewegung Norddeutſchlands ob. Vei der Verſchiedenartigfeit der 
Lerhältniſſe, unter deren Ginflüſſen wir beide ſtanden, gericten wir oft 
in Meinungs3verſc<iedenheiten, die, da auch Frank nicht gerade Fiſmblut 
gewöhnlich rccht temperamentvoll ausgetragen 
wurden. : Aber Franf wußte immer wieder den verſöhnlichen Ton des 
Freundes zu finden. Dieſes ſtärfiten feinor Charakterzüge erinnerte ich 
mich unwillfürlich in dem Augenblitdk, als tie erichütternde Kunde von 
ſeinem Tode mich traf. Max Peter8. 
SS 
BVerjffummte Fabriken. 
Von Max Barthel. 
Verſtummt iſt nun der Werklärm der Maſcdinen, 
Die ſchmalen Riemen lauern ſtill, 
Ob feine Hand die Hebel will bedienen, 
Ob keine Fauſt die Räder führen will. 
Vertrauert ſchweigt das große Herz im Saale, 
Die Dampfmaſcine -- oh, ſie ſinnt, 
Ob nicht ein Wunder käme, daß mit einem Male 
Die tolle Kolbenraſerei beginnt. 
Nicht Raſerei -- o nein, ein weiſes Walten 
Beherrſcht das ziſhende Gebraus -- 
In ewig wechſelndem Geſtalten 
Lebt ſich das Leben tauſendfältig aus. 
Do ſie find fort, die treulichen Genoſſen, 
Die Pflichterfüllung an die Arbzit band. 
Jet wird im Fremdland Blut vergoſſen, 
Sie ſprechen ſtill: fürs Vaterland . . . 
Wohl lieber ſtünden wir an den Maſchinen, 
Bürger der Welt -- ov Schaffenszeit! 
Dem Werk der Weltverbrüderung zu dienen, 
Das Herz dem großen Ziel geweiht. 
Das SchiFſal zwingt uns in den Bann der Mächte, 
Der Kampf im Feld iſt furchtbares Gebot. 
Und doch: das Ende aller ſchweren Nächie 
Iſt Morgenluft und Sonnenrot. 
 
 
Nicht lange, und an fünf verſchiedenen Stellen begann e3 herzhaft 
zu hämmern und zu ſägen. 
Gegen Mittag, al38 die zu Prüfenden gerade zu Tiſch gegangen 
waren, erſchien als erſter der Prüfungskfommiſjion Wilhelm Blume, der 
Altgefelle, der zugleich Vorſizender ſeiner Gewerkſchaft war. Mit ihm 
faſt. zugleiß kam auch der Obermeiſter und Leide betraHicien ji nun 
gemeinſam die angefangenen Arbeiten. Bei dreien, darunter Johann 
und Friß, merkte man ſofort, daß ſic etwas Tüchtige3 gelernt hatten, 
auch bei Pregel-Prügel3 Lehrling fonnte man gerad» nIH cin Avas zU- 
drüden. Al3 ſie jedoch an die Stelle kamen, wo Eduard den Grund zu 
feinem Geſellenſtü> gelegt batte, j<üttelte Blume bedenklich) den Kopf. 
: Aucßg der Obermeiſter Paulmann hatte viel zu mäkeln und auszuſcßon. 
„E3 iſt nicht ſo, wie e3 ſein könnte,“ meinte er jhließlich mit 
'einem fragenden Bli in dor Richtung, ws Blume ſtand. 
Dieſer ſagte zunächſt kein Wort. Immer wieder ginz er 11m das 
Stü> herum, das ſeinem Schöpfer in der Tat keine Ehre machte. 
„Gut einpa&en und ins Waſſer damit, wäre das beſte,“ meinte Ter 
Geſellenvertreter endlich. Auf ſeinem Geſicht fah man deutlich den 
Aerger über die Shmiererei. 
„Der Junge iſt ein bißchen ſtark zurü>, 'aber er hat den guten 
Willen,“ antwortete nach einer Pauſe Herr Paulmann. 
„Ia, ja. Der Junge hat den guten Willen und der Meijter den 
ſchlechten. Vor drei Jahren, al8 wir den Braun geprüft haven, hatten 
wir die gleiche Sauerei, damal8 haben Sie etwa3 Aehnliche3 geſagt." 
„Nun, der Braun hat ſich doch noc< ganz gut gemacht.“ 
„Ja do<. Aber erſt, nachdem er noch zwei Jahre für cin Butter- 
brot- bei einem anderen Meiſter. gearbeitet bat.“ (Schluß folgt.)
	        
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