Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

- Arbeiter- Jugend 
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Verſichänzung in Zwiſchenräumen. gezeigtes Licht oder Blaufeuer. 
'Der Schoner ſegelt nun auf da38 dieſe Signale zeigende Schiff zu, 
bringt ſein Boot zu Waſſer, in dem zwei oder mehr Mann der. Be- 
faßzung den Lotſen, der an der Reihe iſt, hinüberrudern. Iſt: das 
Wetter und die See ruhig, jo geht das ſ<nell und leicht; die Nord- 
ſee iſt aber meiſt ſchlechter Laune, daber auch ſehr häufig ein: Sec- 
gang vorhanden iſt, deſſen Grundſeen gerade in unſerer deutſchen 
"Bucht bei weſtlichen Stürmen gegen den Ebbeſtrom beſonders hoch 
und ſteil auflaufen und die Ueberfahrt von Schiff zu Sciff gefähr- 
lich und manchmal unmöglih machen. Dann beginnt ein 
Mandsvrieren beider Fahrzeuge, um da38 Boot zu decken; das zu Dc- 
jeßende Schiff, meiſt beträchtlich größer als der Schoner, macht ein 
ee das beißt, e8 hält feine Breitſeite gegen Wind und See, und 
in dieſem Schuß nähert 
' -JIich das Boot. Der 
Lotſe wartet den rich- 
- tigen Moment ab und 
Ipringt auf die Über- 
gehängte Leiter oder 
auf das Fallreep, mit- 
unter noh durc< eine 
Fangleine von oben 
gegen Abſtürzen ge- 
ſichert. Das. lieſt fich 
leicht, in Wirklichkeit 
iſt die Situation aber 
verteufelt ernft. Wenn 
der hau38hohe «Rumpf 
de3 Dampfers ſc<wer. 
in der See rollt, das 
Boot bald hochfliegt, 
dann in die Tiefe 
ſinkt, ſtet8 bedroht, 
von den brauſenden 
Waſſern an der eiſer- 
nen Wand zerſchlagen 
ZU werden, =- dann 
die zugeworfene Leine 
zu greifen, ſich läng3- 
jeit3 zu holen, bei 
jeder See das Boot - 
fret zu halten und 
überzuſpringen, erfor- 
dert eine ſeemänniſche 
Geſchi>lichkeit, von der 
fih die Landratte 
nichts träumen läßt. 
In ſtürmiſcher, ſtock- 
dunkler HSerbſtnacht, 
wenn man die Höhe 
der Seen nur am 
unſicheren Licht der 
Sc<haumtkronen erkennt, 
 
 
bi3 fein Seeturnu3 wiederkehrt oder er ein Schiff in See führt, 
Ia3 ihn dann draußen abjegt. 
Zn der zahmeren Dſtjeec jind die deutichen Küſtenſtre>en 
| nicht in dem Maße lac, die Mündungen der großen Flüſſe nicht 
jo verſandet, auc< fehlt Cbbe und Glut. Der größte Teil der Küſte 
it die iypiſche Oltſeeſteilfüſte, die See meiſt bis ziemlich dicht ans 
Ufer tief. Infolge dieſer für die Schiffahrt, bejonder3 für - die 
Cinfegelung in die Säfen günſtigen Bedingungen haben die See- 
lotjen der Oſtſee nicht notig, die Schiffe weit draußen zu beſezken, 
jondern ſie "beiten von feiten Landſtationen aus. Jede von diejen 
hat einen Wachtturm, von dem aus die geſichteten Fahrzeuge auf 
ihr Lotſenbedürfnis hin geprüft werden. Flattert das Signal, 
10 meldet der Wachthabende dies, und die Lotjen vom Dienſt geben 
mit ihren Booten in 
See. Häfen mit 
ſtarkem Verkehr (wie 
Swinemünde) haben 
gewöhnlich einen flei- 
nen Dampfer oder ein 
Motorboot zur Vor- 
fügung; bei anderen 
begnügt man Jich mit 
Nuder- oder Segel- 
booten, die auf ein-= 
zelnen Oſtſeeſtationen 
(zum Beiſpiel Barhöft), 
meiſt nach dem Typ der 
ortSüblichen Fiſcher- 
boote gebaut, in bezug 
auf Schnelligfeit und 
Seetüdctigfeit mandes 
zu wünſchen übrig 
Wenn auß der 
Seegang der blauen 
Oitſee nicht allzu hoch 
iſt, 10 kann er R< 
doch zei ſtarfen YIXord- 
und Oſiwinden, bejon- 
ders vor bem QaUZ- 
laufenden Strom der 
Slußmündungen, 19 
auSswachſen, daß die 
Ein- und Ausfahrt un- 
möglich wird. Kann 
der Lotfe bei hoher 
See und auflandigem 
Sturm niht heraus- 
fommen, 19 wird die 
rote Flagge am Signal- 
mat medergeholt; in 
manden Häfen wird 
dann mit einer Biind- 
 
oder im Winter bei bafe den draußen 
übereiſtem S<iff ver- wartenden Schiffen die 
doppelt ji natürlid) anzuſteuernde Rich- 
die Gefahr für den tung angegeben. Eine 
Zofen. , EE iroß- ſolche Bake iſt ein weiß 
em m auſiger eitricheneS, madhtiges 
Unglüdsfälle nn Ee Der Loſſe geht bei ſc<werem Wetter an Bord. Mei deſſen 
zeichnen find, jo iſt dies oberſter, jentredier 
nur ein Bemeis mehr für die Tüchtigkeit unſerer Seelotten. Und 
neben der Tüchtigkeit iſt e8 die Unerſ ;chrodenheit und die große 
Pflichttreue, die den Lotſen auszeichnet. Wie manchmal glückt es 
bei ſtürmiſchem Wetter nach wiederholten Verſuchen nicht, an Bord 
des Schiffes zu gelangen; aber ein Zurück gibt es für den Lotjen 
„nicht, und er fämpft 19 lange mit den Elementen, bis er jein 
Ziel erreicht hat. Iſt der Lotſe glücklich an Bord, jo übernimmt 
er ſogleich Kommando und Veranfwortung: unter gewiſſenhafteſter 
. Beobachtung der Seezeichen, von Strom, Wind und dem Grunde 
führt er da3 ihm anvertraute Schiff dem Hafen zu. Er gibt den 
Kur3, die Ruder- und Maſchinenkommandos an, die der Kapitän 
ausführen läßt, wenn er nicht jelbſt den Ma ſchinentelegraphen be- 
dient. Ebenſo überwacht er die Segelführung. 
Inzwiſc<en hat der Stoner ſein Boot wieder aufgenommen 
und kreuzt weiter. Jede3 der dienſttuenden Fahrzeuge hat ſeinen 
vorgeſchriebenen Bezirk, in dem e3 ſich Tag und Nacht aufhält. 
Bei den Häfen, reſpektive Seeſtationen verläßt der Seelotit 
das Schiff; wenn es weiter ſtromauf geht (nac< Hamburg, 
Bremen), jo kommt jeßt der Revierlotſe an Bord, deſſen Beruf 
weniger gefährliche omente aufweiſt, [aber ebenſo j<wierig und 
verantwortung3voll iſt. Der Seelotje hat nun Dienſt an Land, 
Balken mit rotem Arm um einen Zapfen vertikal drehbar it. 
Dieſer Balken wird durch eine Winde nach recht3 oder 1limks ge- 
neigt oder gerade aufrechtgehalten, je nach | der Richtung, die das 
Einfahrt begehrende Schiff einſchlagen joll. Die Land- und Winter-= 
arbeiten ſind dieſelben, wie wir ſie für die Nordſeelotfen geſchildert 
haben. An manchen Stationen beginnt der Dienſt eine Stunde 
vor und endigt eine Stunde nad) Sonnenuntergang, an anderen 
währt er Tag und Nacht. Die Lotſen, die in einem oder mehreren 
Dienſtgebäuden mit ihren Familien wohnen, gehen regelmäßig 
Wache: auch find viele Apparate zu bedienen und initandzubalten, 
die ebenfalls überall die gleichen wie an der Nordſee ſind. Nur 
ſind hier meiſt ziemlich umſtändliche Reiſen zu Fuß oder mit der 
Eiſenbahn nötig, um zur Station von dem Hafen, zu dem ſie das 
Schiff geführt, zurükzugelangen. Die Dienſtvorſhriften ſind ge- 
nau den örtlichen Verhältniſſen angepaßt und daber ſehr ver- 
ſchieden. Das Leben der Lotjen, bejonder3 auf entlegenen Sta» 
tionen, iſt ziemlich einförmig, aber imnterhin bedeutend gemüt- 
licher und weniger aufregend und anſtrengend als das ihrer 
Kollegen von der Nordſee, die oft wochenlang von den Jhrigen g0- 
trennt ſind. Die InſpektionSreiſen der Kommandeure oder beſon- 
derer Regierung8bcamten bringen 'etwas Abwechſelung, die im
	        
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