Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

Arbeiter-ugend 
319 
 
Dieſe Auffaſſung des Krieges iſt der Punkt, wo wir un3 von 
dem Dichter trennen, nicht ohne tiefes Mitleid für den großen 
Künſtler, dem das Leben. ſo hart mitſpielte. Die deutſche Irbeiter- 
IMaft hat in ihren Kulturaufgaben „Winke und Ziele“ des D 
jein3; wenn fie guch jekt, in der Verteidigung des Vaterlandes, 
an Opferwilligkeit hinter feiner aiideren Bevölkerungs8ſ<hi<ht 
zurückſteht. ' 
Weil aber der Freiherr Detlev von Lilieneron den Krieg mit 
rüdſichtslofer Wahrheit Ichildert wie er iſt, und weil er mitten in 
den Schrecken der Schlacht immer ein warmherziger Menjc< bleibt, 
wird die Arbeiterjugend in dieſen Tagen gern zu ſeinen Werken 
greifen. Friß Els5ner. 
X X 
EN 
% 
Im Verlag von S 
Qilienerons ſämtliche Werke in 15 Bänden, darunker: 
novellen. =-- Band 7. Kampf und Spiele. Gedicbte. 
2 Mk., geb. 3 Mk. 
Einzelaus8gaben (im ſelben Verlag): Gedichte (Auswahßl für die 
Jugend) 75 Pf. Uusgewählte Gedichte (gute Auswahl) 2 Mk. Taſchen- 
. au38gabe der Kriegsnvevellen 1,80 Mk. LluSwahl für die Jugend 1 Mk. 
Ausgewählte Gedichte und zwei Krieg3novellen: Wie8badener Volks3- 
bücher Nr. 54 und Nr. 33, je 20 Pf. Drei Krieg3novellen: Deutſche 
- Jugendbücherei Nr. 1, 10 Pf. 
Schuſter u. Löffler, Berlin, erichienen Deilev von 
Band 1. Krieg3- 
Jeder Band geh. 
 
 
Der Leßzte wie der Crſie. 
Er war vielleicht der allerlezte Knecht, 
Ein armer Narr aus niederem Geſchlecht, 
Vielleicht rang mühſam ſeine ſc<wiel'ge Hand 
Um farges Brot mit hartem A&&erland. 
Er kannte nicht des Geiſtes ſtolzen Flug. 
Gelaſſen griff er, wie zu ſeinem Pflug, 
Zum Schwert, als man ihn rief, und fragte nicht: 
Wohin der Weg? -- Tat einfach ſeine Pflicht. 
Doch wern die Kunde tönt von edlem Blui, 
Das mander freudig für fein Volk vergoß -- 
Auch dieſer gab für uns ſein einzig Gut, 
Und war doch nur des ärmjien Mannes Sproß. 
Curt Biging. 
ZS SGF STEEZ ZZ ZEZZEZZ ZZ <<Z<<Z2Z2ZZ2Z2z 
2m ALP GER ZG << III ZES GRZ GTE SS 
 
Fliiegerabenteuer. 
In denr kürzlich hicr Feröffentlichen Aufſaß „Ein Lo< in der 
Quft“ wurden die Gefahren, die dem Flieger in den Lüſten drohen, 
überaus anſc<auli<g geſchildert. Von Abenteuern, welche Flieger 
im jeßzigen Krieg erlebten, handeln die nachſtehenden Schilde- 
rungen, deren erſte der Feder eines italieniichen Kriegsbeticht- 
erſtatters8 an der belgiſch-ſranzöſiſchen Grenze entſtammt, während 
die zweite dem Brief eines deutſ<en Fliegerofſiziers an ſeine 
Mutter entnommen iſt. 
Pr on Valenciennes her kam ein deutſcher Aeroplan. Er kam von 
y/ Y cinem Erkfundungsflug über die Grenze und kehrte zu ſeinem 
unbekannten Standort zurück. Taufend Moter hoch etwa 29oJ er 
dahin. Er ſchien unbeweglich auf ruhigen, aus8gebreiteten durch- 
ſichtigen Slügeln ſchwebend ; aber an dem Gang der Wolken verriet 
ſich feine Gef Lwindigfeit. '"E3 war, als glitt2 er über den Leib der 
ungeheuren grauen Wolken dahin. Aber er war nicht allein im All. 
Yon Tournay her nahte ſich ein- anderer Flugapparat, kleiner, 
feiner, leichter, Ifchneller, wie es ſchien. Gin Franzo]2. 
Bald hatten ſich beide Feinde entdeckt. 
Der franzöſiſche Apparat änderte die Richtung ſeines Fluges, 
um ſeinem Gegner den Weg abzuſchneiden. Der deutſche bog nicht 
aus. Aber er begann zu ſteigen, höher und höher. Gleiner wurde 
er und verſchwand faſt dem Blick. 
Auch ver Franzoſe ſtieg. Stieg und kam dem Feinde näher. 
Kleiner wurde die Entfernung zwiſ<en den beiden. Es war nicht 
mehr zu vermeiden: ſie mußten ſich treffen. Eine ungeheure 
Spannung bemächtiate fich der Menſchen, die ſchweigend den 
märdenhaften Kampf verfolgten. 
Der Deutſche ging dem Angriff nicht aus dem Wege. Er flog 
geradeaus und ſtieg. Etwa3 Entſchicdenes und Eilige3 lag in 
ſeinem unveränderlichen Flug. Er trug wichtige Meldungen. 
Vielleicht hing der Sieg ab von dem, was er geſehen hatte. Er 
Ichien entſchloſſen, dur<zufommen. 
| Plößlic< wurde ſein Manvosver klar.. 
er ſein Verſtek. Wo? Höher, höher, oben. In dem ungeheuren 
Labyrinth der Wolken. Er erreichte ſie und verſc<wand in ihnen. 
„Für einen Augenbli& ſahen wir ihn auftauchen zur Seite 
einer grauen Wolke, die ihn wie eine rieſige Rauchſäule ver- 
 
In „dem Himmel ſuchte 
jchleierte. Die nächſte Wolfe nahm ihn wieder auf. Er hatte feinen 
Kurs geändert. 3Zhm nad ſtürzte jich der Franzoſe in die weichen 
und endloten Dämpfe. Aber der Zeind entfam. Wir haben ſie micht 
wieder jefehen. In unſichtbarer Höhe fekten ſie die Jagd ort. 
. . 
X = 
(E35 war am lekten Freitag. Mein Freund v. K. und ich hatten 
an dem Tage bereits zwei Flüge unternommen, davon oinen gegen 
den Feind, und gute Criundungen zurückgebracht. Da befamen wir 
nachnmittag3 um 5 Uhr nochmal3 den Befehl, lo3Szufliegen. Nachdem 
wir uns bei fehr unſichtigem Wetter hochgeſchraubt yatten, flogen ivir 
in der vorgeſchriebenen Nichtung in Feindesland. Weir hatten de- 
reits die moglichſt gunitigen Erfundungen gemacht und waren auT 
dem Rücfluge. Da plößlich ein Knall. Der Motor ſtand! 
Cs wurde uns 'mit Entjezen flar, daß ein feindliches Geſchoß 
unſere gute treue Ma chine in das Motorherz getroffen hatte. CS 
blieb uns nichts briN, als ſofort die Jotlandung in dem ehr 
hügeligen feindlichen Gelände vorzunehmen. Wir üÜüberichlugen 
uns infolgedeſſen, ohne jedo< Schaden zu nehmen. 
Al3 wir etwa 15 Meter über der Erde ſchwebten, ſahen wir 
von den umliegenden zFeldern eine Anzahl Bauern mit erhobenen 
Senſen und Miſtgabeln unter lautem Ge] Grei auf uns zufominen. 
Gelandet, ſprangen wir aus dem Apparat. Die Pil itole gegen die 
raſenden Bauern vorhaltend, erreichten wir rüEwärts gehend den 
200 Meter entfernten Wald, ivo wir in dichtem Farrenfraut und 
Gejtr üpp verſtedt die völlige Dunkelheit erwarteten. Wir ver- 
gruben unſere jämtlichen Ravpiere und Karten, bis auf eine, die 
wir für den Rückmarich zu gebrauchen dachten. Dann gingen wir 
langfam bis zum Waldesrand vor und :Hlichen einige Schritte 
weiter, als plößlich zwei Geſtalten einige Meter vor uns auf-= 
Iprangen, uns anriefen und im ſelben Augenblid auch ſchon 
feuerten. | | Dim 
Wir machten jo7ort einen Sprung jeitivarts ins Diäicht und 
ich ſtürzte in eine ſteile, etwa 12 M (eter tiefe Emluct. Mein Sal 
wurde aber durch Dornengebuſch abgeſchwächt, 19 daB8 iM, wenn 
auc) arg zerſchunden, doch mit heilen Gliedern lk ßerunterfam. v. &., 
welcher den Abgrund bemerfte, fekte fic) und rutſchte hinunter. 
Da faßen wir nun zujammengefauert und horchten auf die vielen 
Stimmen , die von allen Seiten vDeruntertwallien. Der ganze 
Wald 'hien von Männern und Frauen umiellt. Rlößlich ertönte 
der Nu „Attention“ (Achtung!), und ſofort ging ein fürchterliches 
Feuer los. Die Kugeln und Schrotkörner pfiſſen iber umere 
Schlucht hinweg. Das Rufen und Schießen dauerte wohl zwel 
Stunden, dann ſc<ienen ſich die Bauern zurückzuziehen. Wir 
warteten noh einige Zeit und gingen dann in der Slucht weiter, 
bis wir endlich mit raſender Anſtrengung den ſteilen, aus loäcren 
JTelsſtücken beſtehenden Abhang hinaufflommen. Wir gingen oben 
ein Stücdchen weiter, und ſofort brach ein narriiches Feuer 188, 
doch leaten wir uns flach in ein nahes Kornfeld und jchlichen uns 
endlich weiter. 
Als e8 hell wurde, verfrohen wir uns wicder in das Unter- 
ho13 des Waldes. Entſetlich langjam verging der Tag. In der 
darauffolgenden Nacht marſchierten wir acht Stunden. Ü1ls der 
Sonntagmorgen graute, bemerkten wir, daß wir im Kre IS JC = 
gangen waren und nur zwei Kilometer gei<afft hatten, da wir 
bei dem vollkommen bede>ten Himmel die Yichtung verloren 
hatten. Doch janf uns nicht der Vit, jondern wir marichierten in 
De>ung de8 Waldes der aufgehenden Sonne entgec gen. Vom 
Hunger und haupt] ä<lich vom Durſt geradezu gepeintat, le dien 
Br 
wir den Tau von den Blättern und kauten die unreifen Broimt- 
deeren. 
Nach etwa einer Stunde Marich kamen wir an den Waldrand 
und ſahen vor uns die Biwakfouer der feindlichen Truppen. Wir 
mußten nun wiederum in den ſchüßenden Wald zurütck. Spater 
Flotterte ih auf einen Baum und beobachtete das von Süden nach 
Norden vorgehende Armeekorps. In der Annahme, die Unferigen 
jeien geſchlagen, verloren wir alle Hoffnung. Auch hatten uns die 
Anſtrengungen und Entbehrungen ſeeliſch und körperlich derart 
beruntergebracht, daß wir anfingen, ernſtlich daran zu denken, UNZ 
gefangen zu geben. Wir überlegten bereit3, was wir den Leuten 
in unſferent beiten Granzölich | jagen würden. Schließlich aber 
tröſteten wir uns mit dem Gedanken, daß e8 unſeren armen 
Kanteraden in Südweſt noch viel ſchlechter ergangen war als uns 
und wir beſchloſſen, noh eine Nacht auszubalten. Von einem 
Rübenfeld hatten wir tag38 zuvor nur eine einzige Rübe mit- 
genomanen; dieſe wurde genau eingeteilt und nur, wenn wir ehr 
vom Hunger gequält wurden, gönnten wir uns ein Stüdden. Wir 
ſprachen dabei viel von Berlin, den jorglojen jungen Tagen, die 
wir zuſanumen verlebt hatten. Da wir bei unſeren Märſchen dur 
Sümpfe und Bäche gewatet waren, io waren wir bis über die 
Knie durc<näßt, troß der glühend heißen Tage waren die Nächte 
ſehr fühl und feucht. Wir ver juchten, aneinander geſhmiegt zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.