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haben wir zu häufig miteinander beiprochen, als daß ich nötig
hatte, darauf heute näher einzugeben.
Dieſer Brief iſt weiter nicht3, als die Bitte eines Menſchen,
„der Fuch jo gerne, fo gerne bei Eurer ſchweren Arbeit helfen möchte
in einer Sei in der leider mancher geneigt iſt, die Flinte in3 orn
ZU werfen, Wenn Ihr zuſammenhaitet, werdet Jhr die Fot dieſe
ſchweren Zeit überſtehen; aber auch nur dann.
Wie habe ich mich immer gefreut, wenn incine vielen Pflichten
mir erlaubten, einen Abend in Eurer Mitte im Jugendheim zu
verbringen. Dann habe ich in mir eine zuverſichiliche Stimme
vernommen: Merk auf! Da wächſt ein Geſchlecht heran, das wird
dereinſt vollenden, was die Väter begonnen haben. Wein lieber,
tapferer Junge, laß dieſe Stimme recht behalten! --
Soeben bringt uns der Adjutant den Befehl zu unverzüglichem
Aufbruch. Veit dem Ausruhen iſt es darum nichts. Alſo noch
einmal, mein Junge: Saltet treu zur Fahne wie wir! -
AZ Dein treucr Vater.
Die alitiiche Komödie und Ariſiophanes.
“7 die Athener waren ein (eicht bewegtes und heiteres Völk<en.
) 7 Scherz und Satire ſprang von aller Lippen, und e8 wäre
<= ihnen unerträglich geweſen, einen Tag ohne Wiß, ohne
politiſche Stichelei zubringen zu mütiſen. Wieviel weniger hätten
fie Feſte feiern können, ohne dem attiſchen Salz ihres Geiſte8, das
beißt ihrer boShaften Spaßhbaftigkeit, Verwendung oder Betät1-
gung zu verſ<affen! Nun waren aber doch alle dramatiſchen Feſt-
aufführungen der Hellenen und ſpeziell der Athener Feſtauffüh-
rungen. Nur in den heiligen Zeiten, an den Feſten des Diony10o38,
wurden für das Volk der Athener ſolche Vorſtellungen gegeben.
Wohlbegreiflich iſt e8 alfo, daß zu dieſen Feſten nicht nur die
ſI<werg, ernſte Tragödie, jondern auch das Luſtjpiel, die lachende
und Jpöttelnde, immer aber politiſch gewürzte Komödie zu
Worte kam.
Die Kulturanſ<auungen jener Zeit waren andere al38 die
unſerer Zeit.
war grundverſchieden von dem, was man in neuerer und neuer
Zeit, ſich entfernend von der einfachen und wahren Linie kün1t-
foriiher Unbefangenbheit, als Geſe3 aufgeſtellt hat. Im Diony1o8-
Theater der Stadtbürger von Athen am Südabhange der Afropol13
wurde mit Unverblümtbeiten in bezug auf das politiſche Getriebe
wie auc< auf da3 private Leben der einzelnen nicht geſpart, und
auc< die ſc<härfſte und unzweideutigſte Satire wurde von dem
BVöltchen der Aitifer geichaßt, gewürdigt, beklaticht. Wenn ſie nur
traf! Danach iſt e3 ſchon verſtändlich, daß gerade die Komödie von
Der Oypvofitio n als eine beliebte und zwedmäßige Waffe
gebraucht wurde, ja, daß der Komödiendichter geradezu oppoſitionell
jein mußte, um mit feinem Werk den ſatiriſchen Erfolg zu erzielen,
der die Gigentümlicheit der attiſchen Komödie ausmacht. Die
Oppoſition in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhundert3 war in
Athen aber konſervativ.
Was an Spott und Offenherzigkeit für erlaubt galt,
Arbeiter- Jugend
Bie politiſ<e und kulturelle Lage war eine ganz eigenartige.
In unglaublich raſcher Entwikelung ward beſonder38 durc< Perikles
die demokratiſche Verfa ſung de3-ileinen Stadtſtaates, der in ſeinen
wiſ fenſchaftlichen und künſtleriſchen Errungenſchaften den Keim zu
nabezu aller geiſtigen Betätigung der abendländiſchen und neuwu-
zeitlichen Kultur gegeben hat, zu ihrer höchiten Entfaltung ent-
widelt. In der Raſc<hheit die? er Entwidelung war jie an ihrem
Höhepunkt vorüber geſchnellt und eigentlich auf einen abſteigenden
Aſt der Kurve ihrer Laufbahn geraten. Abgeſehen davon nämlich,
daß ja auc die demokratiſche Jepublif der Athener im Zeitalter
ihrer Blüte mt ihren Rechten nur einen verhäliniSmäßig ge-
ringen Bruchteil der Bevölferung umfaßte =- waren die Sklaven
doh von allen Bürgerrechten a1i8geſchaltet und juriſtiſch nicht als
Perſonen, ſondern als Sachen gewertet --, fo war doch die wirt-
ſchaftliche Grundlage de38 Staates vernachläfſ jigt worden. Die
gefellichaftlichen Abſichten der demokratiſchen Athener richteten
ſich faſt ausſ<licßlich auf die PBolitik. Die werteſchaffende
Arbeit war nicht nur dem antiken Römer, ſondern noh mehr
dem vom Orient zeeinſlußtlen Griechen etwas Entehrendes, und
e3 gab philojophiſd je und äſthetiſche Beweisführungen, welche die
Arbeit als etwas hes freien Bürger3 Unwürdiges hinſtellten.
Der Athener war nur zu fehr geneigt, ſein Leben ausſchließlich
politiſchen Streitigkeiten oder aber NRecht3händeln zu widmen,
obne jelbit irgendwie wirtſchafilihe Werte zu ſchaffen. Schon
Perikles hatte dieſer Neigung mehr EGinräumungen macen
müßten, al8 e8 der geſunden Entwickelung der demokratiſchen
Republif förderlich war. Der Durchſchnitisbürger Athen3 ver-
brachte ſeine Zeit viel lieber mit Sitzungen in den Schöffen-
gerichten, die in gewöhnlichen Gallen mit 501 Richtern beſetzt
waren, oder aber mit privaten und ſtaatlichen Rechtshändeln.
al38 daß er jein Brot mit ſeiner Hände Arbeit zu verdienen ver-
jucht batte.
Da Athen ſeit den Perſerkriegen ein Handelsſtaat war und
angefangen hatte, ein Seeſtaat zu werden, ſo iſt es verſtändlich,
daß dieſe rein politiſche Demokratie faufmänniſ d) fapitaliſtiſchein
Veſtrebungen keinerlei Hinderniſſe entgegenfeßte. C3 aab ganz
Arme und ganz Reiche, wie jener Hipponiko3, der imſtande war,
aus eigenen privaten Vaitteln zehn Kriegs8ſhiffe auszurüſien, und
man kann ſagen, daß aerade die Blütezeit der atheniſchen Demo-
fratie troß aller ſonſtigen ſympathiſchen Eigen <Haften zugleich
denno< der Anfang der kapitaliſtiſchen Entwickelung im attiſchen
Staate war. Nun hatte die großs Mengc der Armen ja aller-
dina3 die volitiſche Macht in Händen, ſolange ſie ſich, hablos8 1mnd
träge, wie fie zum größten Teil war, dieſe nicht von den Be-
ſißenden abkaufen oder do) wenigſtens beeinfluſſen ließ. Cs iſt
eine hiſtoriſche Tatjache, aß im vierten Jahrhundert in eineni
Prozeß der Ankläger ſagen durfte, er halte zwar den Angeklagten
nic<t unbedingt für ſchuldia, aber er fordere die Geſchworenen
denno<ß auf, ihn zu einer Geldſtrafe zu verurteilen, da er wiſſe,
daß die Staatskaſſe leer ſei und die Gebühren der Schöffen mit-
hin nur aus dem Strafgeld des Angeklagten bezahlt werden
konnten. Wir haben hiſtoriſche Beiſpiele, daß die Geſchworenen
ſjolc<en Anregungen wirklich nachkamen.
Die Lehrlingsprüfungsfommiſſion.
Erlebtes und Erlauſchtes von Th. Th., Frankfurt a. M. (Sc<luß.)
S-D lume fuhr fort: „Sehen Sie ſich doch die Pfuſcherei an. Möchten
8“ Sie ſolche Arbeiten geliefert haben? DaS iſt eine geradezu ſträf-
D- lich leichtjinnige Lehrling3ausbildung, das iſt ein Verbrechen an
einem Menſchen.“
„Jeder Junge eignet Nich auch nicht zu dem Handwerk,
Sie nicht vergeſſen, Herr Blume.“
Der Obermeifter wurde ordentlich freundlich, - im Blume umzgu=
ſtimmen, denn Meijter Poppert wollte er doh nicht ohne weiteres fallen
laſſen. Aber Blume ließ ſich dur<aus nicht irre maßen, er meinte
ärgerlich:
„Gewiß eignet ſich nicht jeder.
vier Wochen ſehen, 9b ſich jemand eignet.
Jahre müßte man ſich darüber klar ſein.
danac<? Wenn nur der Meiſter auf ſeine Recnung kommt, dann ift's
iI<on gut.“
„Sie kommen immer gleich in3 Roltiti? “che,
Obermeiſtex, und nach einer Pauſe fügte er hinzu:
„Wenn Sie meinen, laſſen wir ihn einfach noch ein Jahr nadh=
lernen!“ |
„Ra und? Wer hat dann den Schaden? Dex arme Junge und
ſeine Eltern, die do< ſicher ſchon auf die paar Groſchen warten, die er
nun verdienen foll, nachdem er drei Jahre das Brot umſonſt gegeſſen
das dürfen
Aber das muß man in den erſten
Veindeſten3s nach einem halben
Blume,“ erwiderte dor
Aber wer fragt denn heute.
hat! Wir ſprechen, das iſt meine Meinung, den Jungen frei, machen
es aber Poppert zur Pflicht, ihn no<h mindeiten3 ein Jahr tariſmäßig
al3 Gefelle zu beſchäftigen und zu bezahlen. Dann wird er f<on La-
hinter ſtehen und dafür ſorgen, daß er etwa3 lernt.“ .
„Meinen Sie, daß das gehen wird?“
Jnzwiſchen waren die anderen Prüfung3mitgliederx hinzugefommen,
darunter auch Meiſter Friedland und Pregel.
„Da3 iſt voch ſo ſ<le<t nicht,“ miſchte ſich Pregel in3 Geſpräch.
„G38 wird einem bloß ſchlecht,“ meinte ein anderes Mitglied der
Kommiſſion.
„Sco habe ſc<on böſere Arbeiten von „Geſellen aefehen,“
Pregel wieder, deſſen Geſicht puterrot wurde.
„Sch weiß,“ ließ fich Blume hören, „das war bei dem lekten Streik,
wo Sie ſich Rausreißer hatten kommen laſſen, deren Arbeiten wir vont“
wieder beruntergeriſſen haben.“
„Meine Herren!“ miſchte ſich der Ober in38 Geſpräch, „da3 «chört
nicht hierher.“
„Dem Jungen fein Vater iſt Mitglied im riſilichen Holzarbeiter-
verband, das erklärt Jhr Verhalten wohl zur Genüg2,“ ſagte Pregel
zu Blume.
„Da kann ich Jhnen nit zuſtimmen,“ unterbrach hier der DOber-
meiſter den Prcgclſchen Redefluß. „Blume hat im Gegenteil torhin
die Eltern in Schuß genommen. - Die Arbeit iſt in der Tat piinder-
wertig, darüber wollen wir doch einig jeu.“
Mit einem wütenden Bli mußte ſi Pregel vorläufig als beſiegt
erklären.
Ichrie nun