Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

 
 
Arbeiter-Iugend 
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Die Larven ſind ſehr .gefräßig und können in den vierzehn 
Tagen ihres Leben3 anſehnliche Mengen vertilgen. Aber nur im 
Herbſt werden einige Larven ſo gut gefüttert. Die Sommer- 
larven befommen weniger zu freſſen, dannt ſie fich nicht volljtändig 
entwikeln. Aus ihnen entſtehen dis Arbeiter, weibliche Tiere 
mit verfümmerten Geſc<lecht8organen. Nur im Herbſt werden 
einige männliche und weibliche . <arven jo gefüttert, daß jie jich 
zu Geſchlechtstierein entwicdeln. Nach vierzehntägigem Larven- 
leben geht das Tier in den Luppenzuſtand über, in dem es drei. 
bi3 vier Wochen verbleibt. Dann ſchlüpft das junge Arbeitztier 
aus, das unverzüglich angelernt wird und ſich ſchon nach kurzer 
Zeit an den“ Arbeiten 
der Gefährten beteiligt. 
Ueberaus mannigfach 
jind dieſe Arbeiten. Das 
Neſt muß in Ordnung 
gehalten und immer 
wieder vergrößert wer- 
Den, da die Zahl ſeiner 
Bewohner beſtändig zu- 
nimmt. Erſt, wenn die 
Vergrößerung nicht mehr 
möglich iſt, verläßt ein 
Toil der Arbeiter das 
Neſt, nimmt Larven, in3- 
beſondere gut gefütterte, 
mit und gründet eine 
neue Kolonie. Doch ſo 
länge dies nicht möglich 
iſt, arbeiten alle Tiere 
gemeinſam zum Wohle 
des Ganzen. Sie legen 
Zugänge zum Neſt an, 
Wege, die oft von Hallen 
überwölbt werden. Sie 
ſchließen am Abend die 
Zugänge, öffnen ſie am 
Veorgen und ſtellen 
Wachen aus. Sie ſant- 
meln Nahrung, pflegen 
die Eier und Larven 
und führen Kriege mit 
den Xachbarſtaaten. So 
haben ſie den ganzen 
Sommer über zu tum, 
daß der Herbſt ſie über- 
raſcht, ehe jie es gewahr 
werden. Dann ſterben 
bei einigen Arten die 
Arbeiter weg, und nur 
die Königin bleibt am 
Leben und überwintert; 
andere verfallen in Win- 
ferſtarre, wieder andere 
jammeln im Commer 
Vorräte, von denen ſic 
im Winter zehren. Zu 
den Winterſammlern ge- 
hört auch die Honig- 
ameite, die -- lebendige 
Speiſekammern anlegt. 
Einige ältere Tiere, 
denen die ehrenvvlle Auf- 
gabe zufällt, im Winter 
als Speiſekammer „zu 
dienen, werden im Sonmier r fleißig nut Honig gefüttert. Immer 
mehr und mehr Honig wird in ſie hineingeſtopft, viel. mehr, als 
ſie verbrauchen können. Das Unverbrauchte ſpeichern ſie in ihrem 
Kropf auf, der faſt zuſehends an]<willt, bis zuleßt das ganze Tier 
faſt nur mehr eine Honigkugel iſt. .Dann kann es ſich nicht mehr 
bewegen und klammert ſich mit den Füßen an der Ded>e des 
Veſtes an, an der e3 hängen bleibt bis zum Winter, bis die Ge- 
fährten fommen und es ſanft mit den Fühlern ſtreicheln. Dieſer 
ſanften Aufforderung kann die lebendige Honigkugel nicht wider- 
ſtehen; ſie erbricht einen kleinen ſüßen * Tropfen, der von der 
Arbeiterameiſe begierig aufgeſchle>t wird; und die fanfte Auf- 
forderung wird ſ9 oft wiederholt, bis das T Tier jich ſeiner V Vorräte 
entledigt hat. . 
Die große Genäſchigkeit der Ameiſen, "hie nichts Jo wie 
Süßigkeiten lieben, veranſaßt ſie auch, zu den Blattläuſen .in 
innige Beziehungen zu treten. Denn - die Blattläuſe ſchwitzen 
durch eine Drüſe am Hinterleib ein ſüßes Sekret aus, das den 
 
Eine * Ameiſen-Berfammlung. Zun NIE 
een öreienzum Tronenaus 
Ameif en ausgezeichnet ſOhmedt. Wo ſie daher auf Blattläuſe 
treffen, hegen jie dieje, tragen ſie von vertrochieien Zweigen auf 
jaftige, - grüne und ſtreicheln ſie dann, um fie zur Hergabe einiger 
jüßer- Tropfen zu veranlaſſen. Xa, mehr al8 das! Damit die 
wertvollen Blattläuſe, Die ihnen fait Jo etwas wie uns die Milch- 
fühe bedeuten, „nicht wieder "verloren geben, banen jie um die 
de 
jie Bren vort ver Gäbe Dienſte leiſten. 
Andere Ameiſen beziehen. „Ihre Süßſtoffe von Pflanzen. Die 
Imbauba der Tropen ijt eine jolche Ameiſenpflanze. In ihren 
| . hohlen Stammgliedern 
hauſen kleine, ſehr biſſige 
Ameiſen, die ſich dort 
ungemein wohl fühlen,da 
die Pflanze an der Blatt- 
jüelunterſeite zwiſchen 
den Haaren kleine jüßC, 
fette Kügelchen produ- 
ziert, die von den Ameiten 
abgeerntet werden und 
„immer wieder nadc- 
wachten. So erhält die 
Ameiſe vonder Jmbauba 
gleibzeitig Koſt und 
Logis. Doch auh die 
Pflanze findet dabei ihre 
Rechnung, denn die 
biſſige fleine Umeiſe 
ſhüßt ſie vor der großen 
Blattichneideameiſe, die 
anderen Pflanzen ge- 
fährlih wird, da ſie 
Stücke aus den Blättern 
Herausichneidet und dieſe 
jo zerſtört. Von den 
Ameiſen, die in P!lanzen 
wohnen und in ihnen 
ihre Ernte abhalten, 
führt der Weg zu jenen, 
die ſelbſt Pflanzen züch- 
ten. In Texas lebt einc 
tolche Aorbau treibende 
Ameiſe. Sie zieht unt 
ihren Bau einen funit- 
vollen Ringwall, ebner 
und ſäubert m der Näuhe 
des Walles das Gelände, 
oft in einer Breite von 
mehr als einem Meter, 
und vertilgt auf dieſem 
ihrem „Acker“ alles Un- 
frauft. Nur eine Gras- 
art, anstida Stricta, IäBßt 
ie ſtehen und pflegt fic, 
um 1päter die reifen 
Körner einzuernten. In 
ähnlicher ' Weiſe arbeitet 
die Ernteameiſe in Texas 
und Kalifornien, die ver- 
ſchiedene GraSſamen cin- 
jammelt und die Ernte, 
wenn [fie einmal naß 
wird, nach dem Negen im 
 
breitet. : -Meiſt aber liegen die Körner, vor Näſſe e geſfhüßt, im 
Erdboden, Ihne indes aus8zukeimen. Denn durch ein uns noch 
unbekanntes - Verfahren wiſſen die Ameiſen die Samenkörn<en, 
denen in der Erde alle Bedingungen zum Keinen erfüllt ſind, 
doch daran zu verhindern. Selbſt Pilze werden von manden 
Ameiſenarten - gezüchtet. - Sie ſchneiden mit ihren kräftigen 
Kiefern Blattſtüc>e ab, zerfauen dieſe und züchten auf der breiigen 
Maſſe einen Pils; der fleine eßbare Knöllchen „Kohlrabi“ liefert. 
-: Arbeiter, Viehzüchter und Acerbauer haben wir iin Ameiſen- 
volf fennen gelernt. -Um das Bild, das dem menſchlichen 19 abn- 
lich iſt; vollſtändig zu machen, dürfen auch die | Serren“ nicht 
fehlen, die nichts arbeiten, ſondern andere für ſich arbeiten laſſen. 
' Die roten Ameiſen und die Amazonenameiſen ſind ſolche Herren: 
tiere. Sie haben nur unvollkommen auwusgebildete Jreßwerkzeuge 
und müßten elend verhungern, wenn ſie ] ſich nicht Sklaven halten 
könnten, von. denen ſie gefüttert werden. Die roten Ameiſen 
und die Amazonenameiſen ſind groß und ſtark, und ſie machen
	        
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