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einiges und freie3 Volk von Brüdern, von denen jeder den anderen.
gelten läßt, von denen jeder mit allen Kräften beſtrebt iſt, an:
jeinem Teile beizutragen zu dem Werken des Friedens und der
Wohlfahrt. Jürgen Brand.
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Bom Kampf um die Gewerbeaufſichts-
beamten.
5 ewerbeauſſichts8beamte find die Beamten, die dafür zu ſorgen
ü 9 58 haben, daß die Arbeiterſhußgeſeße beachtet werden. =- Der
“ Entimurf einer Gewerbeordnung fir den Norddeutichen
Bund, den die Reqierungen int Jahre 186F dem Neichs8tag vor-
legten, jollte den Gowerbeanfficht8beamten dort, wo die einzelnen
BundeSregierungen ſolche angeſtellt hatten, alle amtlichen Be-
fugniſſe der Ort: Ipolizeibehörden verleihen, in8bhefondere das Recht,
die Zabrifen zu Jever Zeit zu betichtigen. Die Fabrikbeſikßer foll=
tein verpflichtet fein, den Gewerbeaufſichtsbeanden die Beſichti-
gung ihrer Betriebe jederzeit, auc in der Nacht, zu geſtatten.
Al3 am 29. April 1869 im Neich8stag dieſe Beſtimmungen
beraten wurden, trat zunächſt der 193 ialdemofratijche Abgeordnete
Dr. Schweißer für einen ſozialdemokratiichen Antrag ein.
Der Antrag forderte, daß es nicht den Belieben der einzelnen
Bunde3Sregierungen überlaſſen jein folle, ob und wie viele Gewerbe-
aufficht8beamten angeſtellt werden, jondern daß der Bund ſelbſt
überall für die notwendige Zahl ſolcher Beamten jorgen müſſe.
Mit Recht wies der Redner darauf hin, die Erfahrung habe
gezeigt, daß die Arbeiterſchußbeſtimmungen ohne eine gewiſſen=
hafte Aufficht durch beſondere Beamte unbeachtet bleiben. Ferner
war in. dent Antrage der Sozialdemokraten im acht Punkten aufe
cefiihrt, wa38 die Gewerbeauffichtsbcamten zur Förderung Des
Arbeiterſchutßes tun ſollten. Der wichtige Antrag hatte folgenden
Wortlaut:
Zum Zwede tatfräftiger Durchführung der zugunſten der Arbeiter
geiroffenen Beſtimmungen werden Bunde3beamte mit dem Titel Fa-
brifinſpektoren ernannt. Dieſen Inſpektoren kommen, ſoweit
es jich um Ausführungen dieſes Geſetzes fowie überhaupt aller auf den
Schuß der Arbeiter berechneten Beſtimmungen handelt, alle amtlichen
Befugniſſe der Polizeibehörde zu. InS8beſondere ſind alle Großbetricb3-
Unternehmer verpflichtet, zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht,
amtliche Beſichtigungen zu geſtatten. Die Fabrikinſpektoren ſollen:
1. überhaupt darauf adten, daß nach den geſeßlichen Beſtim-
mungen verfahren wird.
. Sie haoen gegen die Verwaltungs- und Polizeibehörden, falls
die? e ihrer Pflicht nicht nac<hfommen, ſofort bei Den Oberbehörden
Beſchwerde ZU führen.
3. Jnsbejondere haben ſjie ſich perjönlih durch Beſichtigungen
der Betrieböſtätten, durc< unvermutete38 Erſcheinen dajelbſt, zu Über=
zeugen, daß die zum Schuße der Arbeiter getroffenen Beſtimmungen
treng innegehalten werden.
4. Cbenſo haben jie dafür zu jorgen, daß die in den einzelnen
Rande3ge] ebgebungen in geſundheitspolizeiliher Beziehung zum
Schuße des Arbeit3perſonal38 getroffenen Beſtimmungen aufrecht-
erhalten werden.
Arbeiter Iugend
nE
5. Strafrehtlihe Zuwiderhandlungen, welche ihnen bekannt
werden, haben fie jofort dem Staat3anwalt oder der ſonſtigen zu-
jtändigen Juſtizbehörde anzuzeigen.
6. Sie haben über die Ergebniſſe ihrer Unterſuchungen jowie
Überhaupt über ihre amtliche Tätigkeit jährlich einmal, und zwar im
Laufe des Monats Januar, an den Bundes8kanzler Bericht zu erſtatten.
7. In dieſem Berichte ſind auch die Fabrifordnungen zu be-
zeichnen, welche, ohne gerade gegen das Geſeß zu verſtoßen, ſich doch
durch bejondere Härte und Unbilligkeit auszeichnen.
Ueberhaupt ſollen ſie alle Wahrnehmungen, die ihnen in betreff
Der Übe eU ife erheblich jc<heinen, amtlich zur weiteren
Kenntnis bringen.
Der Bundeskanzlerx hat dafür zu ſorgen, daß eine genügende Anz=
zahl Fabrikinſpektoren ernannt wird. Jede Grnennung iſt dem
Reicstage zur Bejtätigung vorzulegen. Zn jeder Stadt von mebr als
30 000 Ginwohnern joll ein Fabritinſpettor feinen jtändigen Sitz
haben mit ausſchließlichem Wirkungskreis für dieſe Stadt und ihre
Umgebung von fünf Stunden im Umkreis.
Die jährlichen Berichte der Fabrikinſpettoren ſind vom Bunde3-
tanzler ſpäteſtens im Monat März zu veröffentlichen. Er hat dafür
zu ſorgen, daß die Berichte in einex Form und nach Geſichtspunkten
SE werden, die fie zugleich zu jtatiſiiſchen Zweden brauchbar
machen
Was der ſozialdemokratiſche Antraa forderte = darauf konnte
ſich der ſozialdemokratiichz? Redner berufen =, hatte ſich bereits
in England aufs beſte bewährt. Dort faßten es die Gewerbe-
auffichtsbeamten als eine Ehrenſache auf, mit aller Kraft für den
im Geſeße vorgeſchriebenen Stutz der Arbeiter gegen die Unter-
nehmer aufzutreten; ſie ſind ſogar hier und da gegen die Beo-
hörden vorgegangen. Die Energie dieſer Beamten hat den Au18-
bau der engliſchen Arbeiterſichutßgeſetgebung weſentlich gefordert.
Troßdem ſtieß der ſozialdemokratiſck? Antrag in dem dwa-
maligen Reichstag auf den lebhafteſten Wideripruch der bürger-
lichen Wehrheit. Der nationalliberale Abgeordnete Braun ent-
rüſtete ſich zewaltig darüber, daß zur Durchführung der Arbeiter-
ſhußgejeße befondere Bundesbeamte angeſtellt werden jollten.
„Wer tracht denn überhaupt,“ rief der Herr aus, „über Den
Vollzug der Gejeze? Jt es Sitte in unſerer Geſeßgebung, in
der Bunde8geſeßgebung, in der preußiſchen Geſeßgebung, in der
Geſeßgebung der ziviliſierten Welt und der Kulturnationen. daß
man für den Vollzug der Gejeke auch ſtets jofort eine neue
Bureaukratie eimführt, alfo eine neue Slaf e des ohnehin ſchon
allzu großen ſtehenden Heeres der Beamten? Nein! Der Vollzug
der Geſetze iſt Sache der Volizei und der Gerichte, und: nE werden
darin überwacht durch die Beteiligten. Dieſes Verfahren jollen
wir hier verlaſſen, um die Beteiligten, die Arbeiter, für unmäündig
zu erklären und ihnen einen Vormund zu geben? Zh) glaube,
die Arbeiter haben Verſtand genug, ſelbſt für die Beachtung der
Arbeiterſhußgeſeße einzutreten und fich nicht auf die Gewerbe-
auffichtSbeamten zu verlaſſen.“
Der nationalliberale Herr hatte bei dieſem Prei38geſang auf
die Arbeiter überſehen, daß die Arbeiter häufig nur allzuſehr
von den Unternehmern abhängig ſind und es daher oft nicht
wagen, gegen die Betriebsleiter, die die Arbeiterihußbeſtimmum:-
gen nicht einhalten, mit dem nötigen Nachdru> vorzugehen. Ge-
rade wo die Verhältmſſe am ſchlimmſten ſind, wo die Unter-
Das verzauberte Städthen. z..,
OD 4 13 das Geſpenſt ausgeredet hatte, verſuchte ich zu antworten, aber
7 8 man hört mich gar nicht an, ſondern wirft mich hinaus. Ich gehe
T ganz erſchüttert nach Hauſe und kann die Nacht nicht ſchlafen. Am
andern Tage noch beſchäftigen jich meine Gedanken unausgeſeßt mit
dieſem ſfeltfamen Erlebnis. Am Abend hat der Stadtrat eine Sißung
anberaumt. J< gehe dahin. Man ſpricht von der Straßenbahn. Natür-
lich wage ich nicht, etwas zu ſagen.
Sh kehre nac) Sauſe zurücd, ſee mich ganz allein an das Feier
meiner Küche, um vor dem Schlafengehen eine Pfeife zu rauchen 'und
ein Glä3chen zu trinken.
- Da plöklich vornehme ih ein Geräuſch im Schornſtein, und wa3
ſjebe ich? Cinen großen Knochen, der herunterpurzelt und auf den
Herd niederfällt, auf dem das Feuer ſchon beinahe erloſchen war. IJ<
batte no< nicht Zeit gehabt, mid) von dieſer Ueberraſchung zu erholen,
al3 jc<hon ein anverer und noF einer und eine gange Mange Knochen
herunterprafjeln. Ganz zule3t kommt ein Schädel, und dann erhebt ſich
mit einem Male das große Skelett aus der Aſche des Feuer3: der
Bürgermeiſter, wiſſen Sie.
Er grinſt mich an und ſagt:
„Du ſiehſt wohl, daß wir e3 verſtehen, auch troß verſchloſſener
Türen einzudringen, wo es uns gefällt. Dies iſt übrigens die lezte
Warnung. Du wirſt'ſofort Sorge dafür tragen, daß die Station ver-
legt wird, 'und wenn du es nicht tuſt, wirſt du etwa3 Schöne3 erleben,
du mitſamt deinen pöbelhaften Stadträten.“
Darauf ballte mir der lieben3swürdige Herr Bürgermeiſter die Fauit
unter der Naſe und fügte hinzu:
„Jeßt öffne die Tür, damit ich fortgehen kann.“
Und er ging.
Meiner Treu, das war mir doch zuviel! Am andern Tage rufe ich
den Stadtrat zuſammen- und erzähle ihnen die ganze Geſchichte, obwohl
ich fürchtete, daß man mich für verrüct halten würds. Aber nichts davon.
Schon bei den erſten . Worten ſahen ſie einander betroffen an und
ſchienen mich vollſtändig zu verſtehen. E3 ſcheint, daß die Herren vom
Friedhof ihnen in den lekten Tagen genau ſo mitgeſpielt hatten wie
mir. Nur der Apotheker wollte von keinzxr Aenderung unſeres Projeki3
hören. Er iſt Pariſer und nicht wenig ſtolz darauf. Cr behandelt uns
von oben herab, ſc<ilt über unſern Aberglauben und ſagt, daß wir uns
vor uns ſelber ſchämen müßten. |
In derſelben Nacht, um drei Uhr, klopfte e8 an mein? Türe. Es
war der Apotheker. Ex war kaum angekleidet, ſah leichenblaß au3, ſein
Haar ſträubte ſich vor Angſt, er zitterte an allen Gliedern und konnie
faum ſprechen.
„9 . . . möchte fo gern bis morgen früh hier bleiben,“ ſagte cx
mit flappernden Zähnen. „Jh mödte jezt nicht nach Hauſe zurüd-
kehren. Haben Sie nicht ein Glas Branntwein für mich?“
Er trank, fann eine Weile nach und meinte dann:
„Wenn Ihnen ſo ſehr viel daran gelegen iſt, könnte man doch vicel-
leicht die Bahn nach der andern Seite verlegen.“ u
XK