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Arbeiter-Jugend
gelang, das guit befeſtigte und - verteidigte Konſtantinopel ein-
zunehmen, um ſic dann in einem Land feitzujeßen,. das ſie heute
wenigſten3 zum Teil no< beherrſchen, fo war vies in erſier Linie
der vorzüglichen Artillerie Muhammed8 IL zu danken, der mit
einem Rieſengeſ<hüß Türme und Mauern brach. Welch furct-
baren Schre>en muß dieſe Waffe bei den Belagerten erregt haben,
die nicht einmal die Mannſchaft der weit entfernt aufgeſtellten
Kanone mit ihren Pfeilen überſchütten konnte! --
Da8 waren die „Brummer“ alter Zeiten =- aber wa3 bedeuten
ſie gegen unſere heutigen „Zwebmdvierziger“, bei denen ſich feinſte
Präztſion3arbeit mit gewaltigem Kaliber vereinigt!
- Hans Bourquin.
Ein Grab am Wege.
Der Schriftſteller Julius Bab veröffentlichtic im „Berliner Tage=
blatt“ einen rührenden Brief, ver ihm aus Homberg in Heſſen für eine
von ihm vorbereitete Sammlung „Der deutſche Krieg im deutjchen Ge=
dicht“ zugegangen iſt. Das Schreiben, das ein Ariillerie- „Oberſt an dcn
Bürgermeijier von Holzhaufen in Hefen gerichtet hat, lautet:
NN... 10. November 1914.
Anfang Oktober ftürmte vas Regiment . . da8 Dorf BS. Voi
diefem fiegreichen Gefecht ſtarb unter anderen aus Der Unteroffizier
Chriftian Brandt den Heldentod. Wie mir auf meine Nachfrage mit-
geteilt wurde, foll dieſer tapfere Mann aus Holzhaufen (Kreis Homberg)
gebürtig jein . .
. Nach jenem Gefecht begegnete Mit Offers
Soldat mit blühenden Blumentöpfen im Arm. Nun habe ich auch ge-
funden, wohin dieſer ſtille, treue Mann ſie trug. Dicht am nördlichen
Grabenrande der von R. nac< A. führenden Chaufice und genau
175 Meter vor der Einmündung de8 Weges von LG. liegt ein einſameS,
mit rührender Liebe und Sorgfalt gepflegtes Grab. Gin feſtes Kreuz
trägt die Inſchrift:
Unteroffigier Shri tian Brandt,
auf der Chauſſee ein
gefallen am 5. Oktober 1914,
Der Grabhügel iſt dicht beſeßt mit Blumentöpfen, in denen noh
jeßt Die Gerbitblamen teilweiſe in voller Blüte ſtehen. Die Seiten=
wände ſind mit kleinen Brettern verſteift uno ſorgſam mit GrasSboden
belegt. Auf dem Fußende liegt ein ziemlich großer, vergoldeter Bilder=
rahmen -- das Bild darin iſt umgedreht, ſo daß vie weiße Rücjeite unter
der Glasſcheibe liegt. Auf dieſex Rüsfeite iſt mit Ularer Schrift (Tinte)
folgendes Gedicht geſ<rieben:
„im Bachbett brennt die bitt're Beere
In ihrer Reife tiefitem Not.
Meir iſt'S, als wenn es Herzblut wäre
Von Kameraden, wund und tot.
Da ruhn die Treuen ſiill beiſammen,
Gebettet all zum ſekten Schlaf,
Verklärt im Glanz der Sonnenflammen
AU die, die heut die Kugel traf.
Und auch mein Freund ruht in der Erden,
Mein Herag, was ſchlägſt du laut und jah?
Auch du mußt balde ſtille werden!
Drum ſtill, mein Freund! JIc<h komme nach!“
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Die Fremdwörkerjagd.
KAS abrent die Krieger im Felde ihr Leben einſeßen, um den
f 9» Feind von den deutſchen Grenzen fernzuhalten, wollen
“ * gewiſte Kreiſe der Daheimgeblieben: en doc< auc< ihren
Kampfe8mut befunden, und fo ergeht leit Beginn des Erie: ges in
deutſchen Landen eine Jagd auf alles. JF remdländiſche. Beſonders
hißig wird auf Jremdwörter zefahndet die man ſtellenweiſe ſ<on
mit einer Art Kriegsſteuer belegt hat. Indeſſen gerade auf diejem
Gebiete iſt die Befundung des Yationalbewußtjeins nicht fo ein-
fach. Wie hat man nicht -- vielfach mit Recht -- das gute, reine
Deutſc< der amtlichen K riegsberichterfiattung gelobt! Aber welche
Tülle von &Sremdwörtern haben wir micht gerade im Heer- und
Kriegs8weſen! Da lieſt man von den Leiſtungen der deutſchen
Artillerie, deren Granaten und ShHhrapncll3 von
19 fur<tbarer Wirkung ſind; von den Pionieren, die der
Infanteriefür ihre Offenſive den Weg bahnen und durch -
Bau von Pontonbrücen den raſHen Nachl<hub von Refer-
ven, von Vroviant und Munition auf den Etappen-
ſtraßen zur Front ermöglichen. Oder das Generalkom-
mansovdo meldet, ein junger O ffiz ier, ein Leutnant, habe
den Orden „Pour le m6Cerite“ -erbalten, weil er mit ein
paar Leuten allein ein Fort zur Kapitulation brachte, den
gleichen Orden wie der 8 eneral von Emmich, der am ſechſten
Mobilmachung8tage mit feinen Armeekorp238 Lüttich nahm.
Wor te entlehnt
Nur geſchichtlich läßt ſich verſtehen, woher die Fulls von
Fremdwörtern gerade auf dieſem Gebiete ſtammt. Die Franzoſen
ſind eben in neuerer Zeit durc< ihre Heere38organiſation für
Europa vorbildlich geweſen, und mit der Sache haben die Nach-
barn auch die Benennungen übernommen. Die Zeiten Lud-
wigs XIV. (1648-1715) und Napoleons I. (Kaiſer 1804-1815)
ſind in dieſer Hinſicht beſonder3 wichtig geweſen.
Fremdwörter ſind alſo äußere Zeichen für fachliche Ein-
flüſie, die ein gebende8 auf ein entlehnende8 Volk ausübt. So
haben jc<on die alten Römer von den Griechen, die ihnen in allen
Werken des Frieden3 überlegen waren, eine Menge Bezeichnungen
in ihre Sprache übernommen. Die antike Welt iſt dann wieder
das ganze Mittelalter hindurch bi8 heute unſere Lehrmeiſterin
gewefen; daher gehen jo viele Fremdwörter auf lateiniſce und
griechiſche Worte zurück, wie die regelmäßige Fremdwörterliſte
ver „Arbeiter-Jugend“ dur<gebhend3 zeigt. Unſere Gelehrten vor
allem, die noc< bis vor kurzem durchweg au38 fogenannien huma=-
niüüſchen Gymnaſien bervorgingen, verwenden lateinijcge und
griechiſche Fremdwörter mit größter Unbedenkli<keit. Wir
brauchen nur an die vier „Fakultäten“ unſerer Univerſitäten zu
erinnern, die theologiſche, juriſtiſche, mediziniſche und philo-
tophiic)e, und jeden Laien erfaßt ein ehrfürc<tiger Schauer, der
zum guten Teil au? dem fremdartigen Wortſchatz diefer Wiſſen3-
gebieic beruht. - Dm
Weil die Jialiener zu Beginn der Neuzeit in der Muſik da3
führende Volf waren, ſind bi8 heute die Fachausdrücke dieſer
Kunſt gaanz :iberwiegend italieniſch, und erſt Jeit furzem beginnt
man aud hier deutfc< zu reden. Wörter aber wie Tenor und
Sopran, Di8kant und Baß, Dur und Moll werden gewiß nicht
mehr ver icwinden.
Zn neuerer Zeit nun waren Jahrhunderte lang die Franzojen
den Deutſchen auf vielen Gebieten überlegen, nicht nur in allen
Dingen der äußeren Leben3haltung =- daher die vielen fran-
zöſiic<hen Fremdwörter in der Kochkunſt und der Kleidung =- , Jon-
dern auc< in Angelegenheiten de3 öffentlichen LebenS, ſo in Politik
und Heerweſen. Jn neueſter Zeit, ſeitdem ſich unſer Seehandel
ſtarf entwidelt bat, begannen auß& 'mancderlei engliſche Worte
bei uns Mode zu werden, namentlich auf dem Gebiete de38 Sport3
-- das Wort felbit iſt ja englijch.
Hat. man fich erſt einmal klargemacht, daß ſich in der Ber-
wendung von Iromdwörtern Kuliureinflüſie von Volk zu Volk
widerſpiegeln, jo wicd man auch leicht einſehen, daß jie in ge-
wiſſen Grenzen notwendig und unentbehrlich ſind wie dieſe Kultur-
einflüſſe ſelbſt.
Run iſt jede Sprache ein einheitliches und eigenartiges Ge-
bilde, hat ihre bejondere Zautbildung und Betonung, ihre feſten
Geſeße für Ableitung von Formen au38 den Stämmen und Wur-
zeln. In dies feſte Gewebe, wo die Fäden mannigfach verſc<lungen
hin und ber gehen, paßt das Wort einer anderen „Sprache nicht 1o
ohne weiteres hinein. Wo ein Fremdwort einzubringen verſucht,
da entſteht eine Störung in dem glatten Verlauf der Sprach-
entwicklung, al8 ob ein Fremdling in eine geſchloſſene Gejclljichaft
eindringt. EC3 kommt nun ſehr auf das Wejen de3 Tremdlings
an, auf fein Verhältni8 zu der neuen Umgebung und ſeine Un-
entbehrlichfeit für ſie, ob man ſi<ß mit ihm verträgt, ihn in den
Kreis für immer aufnimmt oder ihn nach einiger Zeit hinauswirft.
Bisweilen liegt der Fall infolge tieferer Verwandtichaft der
Sprachen fo günſtig, daß das Fremdwort gar nicht als ſolc<cs
apfunden wird. DaS trifft namentlich bei einigen engliſchen
Fremdwörtern zu. (E83 liegt gar kein Grund vor, ſo deutſch klin-
gende Wörter wie Sport, Park, Rum. Fra>, Klub zu vertilgen,
weil ſic einmal von jenſeits de3 Kanals zu uns gekommen ſind.
| Oft bedarf ce38 nur ciner geringen Formalität, um dem Fremd-
ang Heimatrecht „zu geben: man wendet einfach die deutſche
Sc<hreibweite an. So liett man jeßt vielfach Shrapnell (für engl.
Shrapuel), Büro (für franz. bureau), Keks (für engl. Kakes),
Kontor (für franz. Comptoir).
Bei dem leßten Beiſpiel iſt die Ummodelung nach der ein-
heimiſchen Art wieder noch cin Stü weiter gegangen: für o1, ge-
jprochen oa, ift ein einfache3, lange8 9 eingetreten. Das fremde
Wort muß | ieh die deutiche Ausjprache gefallen laſſen. So ſagen
wir Modo, Damo, Miene, obaleich im Jranzöſiſchen, dem diele?
ſind, da8 c der Endſilbe nicht geſprochen- wird.
Dieſe kleine enderung genügte zur Verdeutichung. Dahin qac-
hört auch die An3Nprache von Paket (franz., gelproc<ßen; pale)
und Möbel (franz., geſproßen: möbl) und von Billett und
Bomllon wie Biljet, Buljöng, während der Franzoſe Bije, Bitjong
jpricht.
Sremde Wörter einfach dertih zu ſchreiben, iſt gewiß ein jehr
außerlices -Mittel der Einverleibung. BiSweilen aber zeigt die
Sprache die Kraft, den Eindringling, der "nicht einfach vertrieben
werden kann, weil man keinen Erfaß für ihn hat, fo umzumodeln,