Arbeiter-Jugend 47
unfähig zur geringſten Bewegung liegt und geduldig die Zeit ab-
warten muß, bis die Larve das Ei verläßt und einen Grashüpier
nach dem anderen verzehrt.
Ueber dieſe Methode, die junge Brut mit friſchem Fleiſch 31
verſorgen, ließe fich noch mancherlei ſagen und manch intereſſantes
Beiſpiel anführen. Da jind die „tropiſchen Grabweſpen, die Gat-
tung Chlorion, die ähnlich mit den Schaben oder Kakerlaken ver-
fahren und die ihre Beute erjt zurecht) jcneiden, wenn fie zu groß
für Die Zügang5ö7im ung iſt, ihr bald die Flügelde>en, bald die
Beine abſchneiden, bis fie die Beute in den Bau hineinzerren
fönnen. Da ſind ferner die PRompiälii8grabweſpen, die ihre Larven
mit Spinnen füttern und deren Lähmung dadurd) herbeiführen,
daß fie die vbünnen Taillen der Spinnen, die das Kopfbruſtſtück
mit dem Hinterleib verbinden, mit den ſtarken Kiefern ein weng
eindrücden, nicht vollig, um das Beutetier 3 toten, fondern nir
cin wenig, nur ſoviel, um c3 zu lähmen. Der beſonderen SIicher-
deit halber aber beißen fie ihren Dpfern ot auch noh die Being ab.
Denn eine Spinne ohne Beine kann auch den Eiern nicht gefährlich
werde
5; licße fich noch gar manches von diefen Grabweſpen erzuh-
len, von denen ein gefühlvolles Herz jich mit Grauen wendet ohne
950 3 zu bedenken, daß dieje Tiere graujam handeln aus der Not-
wendigleit heraus, weil ie für ihre Jungen forgen müſſen und
ihnen fein anderer Ausweg bleibt, indes der Menſch, der ſeine Virit-
menſchen in aanz anderer Weiſe au38beutet und quält, der Menic<,
der Hetzjagden mitreitet, lebende Krebſe in kochende3 Waijſer
wirft und andere zum Himmel ſchreiende Dinge mehr tut, für ſein
nicht weniger, meiſt jinnlo3 graujames Sandeln bei weitem
nicht die gleichen wichtigen Beweggründe wie Jene „Uunver»-
nünftigen Tiere“ anzuführen weiß.
es
Nachlitüd.
Längſt fiel von den Bäumen
das letzte Blait,
in Schlaf und Träumen
liegt nun die Stadt;
die Fenſter verdunkeln
ſich Haus an Haus
und drüberhin fünfeln
die Sterne fich aus;
falt weht es vom Strom her,
Der Eisgang kracht,
und drüben vom Doin her
dröhnt's Mitternacht.
Ich aber ſchleppe mich zitternd nach Haus --
der Rordwind bläſt die Laternen aus!
Was half's, daß ich klagend
die Gaſſen durch" ef
und mitleidverzagend
„Hier Roſen!“ ausrief?
„Hier Roſen, pv Roſen!
Wer kauft einen Strauß?“
Doch die Herren Studioſen
lachten mich aus!
Und feiner, keiner . . -
daß Gott erbarm!
O unſereiner
iſt gar zu arm!
Mir wanken die Knie, mein Herzblut gerinnt --
v Gotti, mein Kind, mein armes Kind!
In ſto&dunkler Kammer,
verhungert, vertiert!
Schon pa&t mich der Jammer:
„Ach Muttchen, mich friert!
Ach bitte, bitte, |
ein Stü&<en Brot!“
Mir iſt es, als litte
ich gleich den Tod!
Mir iſt es, als müßte -
ich ſchreien: „Fluch!“ -=-
O daß ich dich küßie
durchs Leichentuch!
Dann wär' es vorbei und ſie ſcharrten dich ein,
- und ich trüg es allein, o Gott, allein!
Td
Arno Holz.
Aus Kapikän Scokts Tagebuch.
Am Ziel -- eine niederſ<hmetternde Enttäuſchung.
+ Fienstag, 16. Januar 1912. Lager 68. Höhe 2970. Da2
59 5 zurchtbare 111 eingetreten -=- das Schlimmite, wa8 uns
widerfahren konnte! Wir machten am „Zormittag einen
„guten Viar!'h und legten 14 Kilometer zurüd. Die Viittag39bicr-
vation zeige daß wir un3 auf 89 Grad 42 Minuten jüdlicher
Breite befanden, und wir brachen am Nachmittag in ſehr gehobener
Stimmung auf, denn wir hatten das ſichere Socgefühl, morgen
unſer Ziel zu erreichen. :
veach der zweiten Warichitunde entde>ten Bowers" ſcharfe
WJugen etwa38, das er für ein Wegzeichen nieit. Zn wortloltr
CEpannung hal teten wir weiter -- un35 alle hatte der gleiche Ge-
dante, der gleiche fur<tbare Verdacht durchzu>t, und mir fiopfie
das Herz zum Zerſpringen. Cine weitere galbe Ztunde vergin
do erbliäte Bower3 vor uns3 einen Ic<warzen led! Ein Schnce-
gebilde war das nicht, fonnte e8 nicht ſein, das ſahen wir nur
zu bald!
GeradeSweg3 marſchierten wir darauf l93, und wa38 fanden
wir Eine ichwarze, an einem Schlitienjtänder befeitigte Fahne
In der Näßbe ein verlaſſener Lagerplas -- Schlittengletie und
Schneeſhubipuren fommend und gehend =< und die deutlich cr-
fennbaren Cindrücfe von Hundepfoten, vi len Hundepfoicn, das
jagte alle3!
Die Norweger ſind uns
erjie am Bol!
Eine furchtbare Enitäut<hung! Aber nichts tut mir dabei 19
weh, als der Anblick meiner armen, treuen Gefährten! UU die
Mithſ jal, all die Entbehrung, all die Qual -- wofür? ZJür nichts
als Träume =-- Träume über Tag, die jeht t 311 Ende jin “>.
- Morgen müjſen wir zum Poi, und da Us mit .„der
zuvorgefoimnmen - Amunbvien iſi der
Wir 'teigen feßt abwärts -- gewiß haben vie Norweger
leichten Weg hinauf? gefunden!
An Rube war in dieſer Nacht nicht zu denken! 7
Aufregung ließ uns nicht ſchlafen, die Aufregung über die Eni
dedung =- des ſchon entdedten Rol8! Alls Gedanken, die in uns
aufftiegen, alle Worte, die ficien = alles endeie mi dam einen
furchtbaren: Zu jpat! Un d als es dann jnille wurde int Zelt, da
brüteten wir gewiß alle über der einen finſieren Vorjiellung:
Mir graut vor dem Nücdweg! =-
Ein Heldenopfer.
Montag, 11. März. Oates iſt ſeinem Ende naß2.
tun werden -- was er tun wird, weiß Gott allein. Wir be!pracheo
die Sache nach dem erſten DrÜhitid: er 1 ein tapferer, gutt
Meni< und klar über jeine Lage, aber er fragte uns ZIGEHEE 5
um Rat. Was3 konnten wir ihm anders ſagen, als ihn dringend
bitten, fo weit mit zu marſchieren, wie er irgend fortfoönne. Cin
gutes NeJuliat hatte aber diefe Beratung: ich befahl Wialion
energij<h, uns die Mittel zur Beendigung unſerer Dual QUSZU-
händigen, damit jeder wiſſe, was er im Notfall zu tun habe...
Wilſon blieb keine Wahl, wenn er nicht den Medizinfaſien vorn Uns
geplündert ſehen. wollte. Wir haben jekt jeder 30 Opium abletien,
und er hat eine Tube Morphium behalten. Unieor Spiel zeh
tragiſch aus.
Al38 wir heute friih aufbrachen, war der Himmel völlig be-
deni. Wir konnten nichts ſehen, verloren die Spit und find ohne
Zweifel ſeitdem viel im Zickza> gegangen -- 51.4; Ktiometer als
Vormittaqsleiſtung =-- entje3lich iOweres Ziehen =- und 1<h hatte
nicht3 anderes erwartet. 11 Kilometer ſind jezt die Grenze Un-
jerer Laiſtungsfähigkeit. Wir haben Proviant auf 7 Tage und
müßten hente abend ungefähr 102 Kilometer vom Cim-Tonnen-
Qager entfernt fein. 1X 7="% -- alfo bleiben noch 25 Kilometer
Abſtand, voraus8geſeßt, daß die Dinge nicht noch Ihlechter werden.
Donners8taq, 14. März. Aber auch alle3 geht uns ſchie?!
Se] ſtern erwachten wir bei ſtarkem nördlichen Wind mit 38 Grad.
Da wir nicht gegen ihn anmarſchieren konnten, blieben wir bis
2 Uhr im Lager und legten dann noch 915 Kilometer zurü>. Wir
hätten uns gern nody weitergeichleppt, aber da der Wind ſich nicht
ganz legte, litten wir zu jehr inter der Kälte. Und wie endlo3
lange das dauerte, ehe wir im Dunkeln unſer armteliges Abend-
eſſen erhielten!
Heute morgen zogen wir bei ſüdlicher Briſe mit aufgezogenem
Segel ab und mit guter Geſchwindigkeit wieder an eineni Weqmal
vorüber; als wir ungefähr die halbe Marſchzeit hinter uns hatten;
Sur
Was "er
veränderte ſich der Wind in eine IcHarfe Bri ie aus Weſten, die durch
die Windanzlige hindurch und in die Fauſthandjichuhe hineinwehte.
Der arme Wilſon war ſo erſtarrt, daß er eine ganze Weile jeine .