Full text: Arbeiter-Jugend - 6.1914 (6)

* „ " .“ “"», 
, 
- Sühndhen hervorgeht? 
Vorgang gedankenlo3 hingenommen. Galilei hatte den rechten 
SM ois . 
Wem iſt e8 wohl ſchon eingefallen, etwas ſo Alltägliches und 
Gewöhnliches wie ein Hühnerei genauer zu beſehen! Die meijten 
haben ficherlich noch nicht einen einzigen Gedanken varauſ ver- 
wendet, e8 noh niemal3 der Mühe für wert gehalten, nachzu- 
| ſinnen, was es eigeit- 
lich iſt, wie es entſteht 
 
 
 
 
 
  
  
und ſich cntwicelt. 
. Doh täten ſie's, ſie 
y (2 könnten hineinblicken 
m AIN NN oo 7 in te 7 TC 
CAAD „- , 252» Werkſtätte der Natur 
IERS AEN 197 ZZ und manches dunkle 
7300 8 SIE Geheimnis ergründen. 
--- Gar ſo leicht lafien 
ſich allerdings die Nät- 
fel, die die Eiſchale 
umſchließt, nicht löjen. 
Die Fachleute haben 
fich lange Zeit damit 
abgequält, und nod) 
ſind arſt wenige Jahr- 
zehnte verſtrichen, daß 
ihre Wißbegier end- 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
ATEAGSCHST ültig geftillt iſt. Der 
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Ni 3 u N Schlüſjel de3 Rätſels 
Aiibees HEI R wurde erſt gefunden, 
WR +? 2 2 ANRNIBENAN als man nac< den 
KEEN Ui Ei M0 BIN Ma D - ... 
GE 3 allererſten Anfängen 
GU 25 des Eies ſuchte, als 
WEP 108 man ſeinem Urſprung 
und Werden bi3 in 
den mütterlichen Leib 
| der Henne nachging. 
Wer einmal aufmerkſam ein rohe8 Ci zerlegt hat, wird an 
dem Gelbei ein grauweißes Fled<en entde&t haben, nicht viel 
größer al8 ein Stec>knadelknopf, das ji immer nac<ß oben dreht, 
wie man da3 Ei auc) wenden mag. Dieſem Gebilde hat der Volks5- 
mund einen ganz kurioſen Namen gegeben, unter dem es auch 
jeder Hausfrau bekannt iſt: der „Sahnentriti“. Der Fleck 
iſt nicht bloß an den gelegten Eiern zu finden; auch die unreifen 
Eier, wenn ſie no<ß al3 gelbe Kugeln am Eierſto> der Henne 
hängen, wie dic Beeren an der Traube, au< ſie ſind ſchon dur<weg 
„vom Hahn getreten“. (Fig. 1.) An dem kaum erbfengroßen 
Gelbhen kann man den Hahnentritt zwar nicht mehr mit bloßem 
Auge erkennen, aber da3 Vergrößerung3gla3 weiſt ihn auch hier 
nach. Selbſt bei den kleinſten Ciern, die noch Jar nicht aus dem 
Fig. 1. Cierſto> der Henne mit verichieden entwicelten 
Eiern. (Naß Marſhall.) 
EierſtoFgewebe herausragen, begegnen wir ihm; hier liegt er 
allerdings im Mittelpunkte des Eies. Nun, wo das Mikroſkop 
zu Hilfe gekommen iſt, erhält man auch genaueren Aufſchluß über 
dieſce8 rätſelhafte Ding: e38 entpuppt ſic) jekt als ein einfaches 
BläsSchen mit einem Kügelchen in jeinem Innern. Daß der ver- 
lieble Hahn durch eine no<ß ſo ungeſc<ite Liebkoſung ſeiner 
Henne dexon Eier ſo merkwürdig gezeichnet hätte, iſt felbſtver- 
ſtändlich ausgeſchloſſen; ſchon die vielen hundert Zwergeier im 
Reib des eben ausgefrochenen Kücken3 ſind ja in derſelben Art ge- 
mutjtert! Alſo handelt es ſich um einen natürlichen Beſtandteil des 
Cies. Doh damit iſt noch gar nicht3 über ſein Weſen geſagt, und 
erſt recht nichts über das Weſen des Eic8! Das erſcheint in ſeinem 
- erſten Stadium auch unter dem ſchärfſten Mikroſkop immer nur 
al3 ein graue3 Kügelchen, und jelbſt bei der angeſtrengteſten Be- 
trachtung läßt ſich auß nicht eine Spur von Organen, etwa vom 
Kopf, von den Gliedern, von 
den Federn erkennen. Der 
Chemiker, der den Stoff zu er- 
gründen hat, aus dem dieſe Ur- 
eicr geformt ſind, findet eine 
äußerſt fFomplizierte, aus be- 
ſtimmten Elementen zuſammen- 
geſebte Verbindung, ſogenann- 
ies Ciweiß, eine Subſtanz, 
die man in größerer Menge im 
Gleiſch, im Käſe und in den Hil- 
ſenfrüchten antrifft. Das Ei 
. .. wäre demnad) urſprünglich ein 
winziges Eiweißtlümpchen, das cin noch kleineres in ſich birgt. 
(Fig. 2a.) Aber was nüßt uns dieſe Feſtſtellung! Sind damit 
etiva die wunderbaren Eigenſchaften de8 Eie8 verſtändlich ge- 
worden, etwa erklärt, wie aus ihm neucs8 Leben, ein fertiges 
ge! Bie Naturforſcher vor ungefähr hundert 
Fahren waren mit jenem Reſultat wirklich am Ende ihres Latein3: 
 
Fig. 2. a) Ei im allererſten Stadium (Eizelle). 
b) Zellen der menſchlichen Haut. Jede Zelle 
hat einen „Kern“. Stark vergrößert. 
"den rur der mit 
Arbeiter-Jugend 
ſie kannten zwar den Bau und die <emiſ<he Beſchaffenheit des 
Hühnereie8, aber die Deutung, die Verwertung der Tatſjachen 
gelang ihnen nicht. “ 
Die Erleuchtung kam mit der großen Entde>ung, die um das3 
Jahr. 1840 herum gemacht wurde. Als man ſyſtematiſch die 
Organe der Tiere und Pflanzen unterſuchte, fand man, daß alle 
Lebeweſen, troß der ſo erheblichen Verſchiedenheit im Acußeren, 
aus genau den gleichen Beſtandteilen zujammengeJeßt ſind. Diete 
für das unbewaffnete Auge unſichtbaren Bauſteine des tieriſchen 
und pflanzlichen Körpers =- Zellen nannte man ſie wegen ihrer 
Aehnlichkeit mit den Zellen der Bienenwabe =- ſind belebt: fie 
nehmen Nahrung auf, ſcheiden da8 Unverdauliche au8, ſie wachſen 
u1d vermehren ſich; aber außerhalb des Organi8mus können ſie 
nicht jelbſtändig exiſtieren, weil ſie ſich ausf<ließlich für da3 
Leben in. der Gemeinſchaft mit vielen ihreSaleichen eingerichtet 
baben. Jede Zelle vollbringt nur einen unbedeutenden Teil der 
Arbeit, die zur Erhaltung de38 Geſamtorganismus8 notwendig iſt; 
erſt die Zuſammenfaſſung der Leiſtungen aller Ginzelzellen ergibt 
die Lebensfähigkeit und Lebenzstätigkeit des ganzen Geſchöpfes. 
Die Formen der Zellen wechſeln bei den verſchiedenen Arten, denn 
ſie find bedingt durc< die beſondere Aufgabe und Stellung, die 
der einzelnen Zelle im aroßen Verband zugewieſen iſt. Doc 
immer liegt im Leib der Zclle ein bläs<henfsrmiges Gebilde, ähn- 
lich wie ein Kern im Fleiſch der Kirſche, und immer beſteht die 
Zellmaſſe au8 Eiweiß. Was3 iſt aljo die Zelle? in lebenvde3 
Eiweißtlümp<hen mit einem feineren in feinem Jnnern. (Fig. 2b.) 
Nun fällt auch Licht auf da38 biSher jo dunkle Gi-Problem. 
Die Cier ſind offenbar die Zellen des Cierſto>t3, und der 
Hahnentritt iſt alfo der „Kern“ der Eizelle. Aus ihr muß ein 
lebendes Weſen 
werden, weil jie an 
fich ſchon lebendig iſt, 
und es muß fich aus 
ihr ein Hühnden 
entwickeln, weil vie 
Eizelle als Teil des 
Huhn53 deſſen geſamte 
Eigenſ<Haſten in fich 
beherbergt. Gewiß 
führt von dem cin- 
fachen Hühnchenkein, 
dem Weikrofkop aus- 
gerüſtete Forſcher ecr- 
ſpähen kann, ein re<t 
langer, vielfach ver- 
ſc<lungener Weg bis 
zum reifen, abgelegten 
Ei oder gar bis zum 
jungen Kücken, aber 
ale Umwälzungen 
und Abänderungen, 
die in der Eizelle ſowohl im Körper der Henne, wie im be- 
brüteten Ei vor fich gehen, ſind nun als etwas ganz Natür- 
liches zu begreifen. | 
Da. der 'Feim während ſeiner Entwickelung in der Ciſchale 
vollſtändig abgeſchloſſen iſt, muß er ſchon vorher mit dem Nähr- 
material verſehen werden, aus dem er neue Leibe3ſubjtanz auf- 
bauen ſoll. Dieſe Verproviantierung wird zum großen Teil 
bereit3 im Eierſto> vorgenommen. HSier dringen fortwährend in 
die zunächſt noc< mikroſkopiſchen Eier die Nährſtoffe de3 Blute3 
ein; ſie. lagern ſich in Geſtalt feiner Körn<en ab uud ballen ſich 
raſch zu dichten Haufen zuſammen. Ze länger die Nahrung3- 
zufuhr dauert, um ſo mehr ſchwillt die Eizelle an, und bald hebt 
jie fich al8 ein mit bloßem Auge deutlich ſichtbares Kügelchen vo1n 
ihrer Nachbarſchaft ab. Sie erſ<heint jeßt gelblich, weil faſt ihr 
ganze8 Nährmaterial mit einem gelben Farbſtoff durchtränkt iſt, 
und dieſer „Dotter“ bildet die Hauptmaſſe des Eic8s. Nur 11 
dünner Schicht umkleidet ihn die lebendige Subſtanz; fie häuft 
fich in etwas arößerer Menge dort an, wo der Zellfern liegt. 
Das Ei wächſt weiter, mmmt ununterbrochen neue Nährſtoffe auf, 
bi3 e3 ſi? ſchließlich, wenn eine beſtimmte Größe crreicht ijt, durd) 
feine eigene Schwere vom GEierſtoc>k loSlsöſt. (E35 zerflickt nun nicht 
etwa zu einem rieſigen Kle>s in der Bauchhöhle der Henne, wie 
mander wohl annehmen dürfte, der an den weichen Inhalt des 
rohen Eies denkt = daran hindert e3 da3 feſte Häutchen, das den 
Dotter einſchlicßt =, es fällt überhaupt nicht in den Leib der 
Mutter, ſondern ſanft gleitet es ſofort in cinen Schlauch, der fich 
mit feiner weiten Deffnung cn dein Eierſto> angelegt hat, in den 
Eileiter. 
Gleic im oberſten Abſchnitt 5c38 Eileiter38 ereignet fich ein 
neues Wunder, nicht weniger gewaltig als die früheren, doch eben]9 
 
1 
Kemnat iden, = / 
Tig. 3. Die Befruchtung des Hühttereies dur< die 
Samenzellen des Hahnes. Die Samenzellen ſind im 
Vergleich zum Ei viel zu groß gezeichnet.
	        
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