Arbeiter-Jugend | | 5
wie dicſe in ſeinen Urſachen und in ſeinem Verlauf recht gut be-
kannt: das Ei wird vhefruchtet. Aus der Eizelle allein
würde nie ein Hühnchen werden, auch wenn ſie Wochen hindur<
in derſelben Weiſe weiterwachſen fönnte. VoLaUSTeBUng iſt viel
mehr, das ſie fſic>* vermehrt, daß | ie unau38geſeßt neue, verſchieden-
artige Zellen entſtehen läßt. Dieſe Entwickelung der Eizelle wird
aber erſt dadur< ausgelöft, daß die gleichwertige Fortpflanzungs-
zelle des Hahns mit ihr verſj<milzt. Auch der Hahn bildet int
jeinen GeſclechtSdrüfen Keimzellen, die ge-
nau [9 wie die Eier ver Henne die Eigen- ED
ſchaften des ganzen Organiösmus in ſich
tragen; nur werden ſic beim Hahn nicht
mit Nahrung vollgeſtopft und bleiben nicht
fugelig, fondern erhalten längliche, faden-
förmige Geſtalt, damit ſie ſich leichter von
dcr Stelle bewegen können. Sobald jie
in der Samenflüſſigkeit in den Leib der
Henne gelangt find, ſc<längeln ſie Tich
raſch weiter, dringen in den Eileiter ein
iind kommen dort nicht früher zur Ruhe,
bi3 jie ſein äußerſtes Ende erreicht haben.
NRollt nun das vom Cierſto> abgeriſſene
Ci hier hinein, dann fangen ſie gleich an,
ſich zu rühren; die ganze Horde, gewöhnlic)
jind eS viele Tauſende, ſtürzt ſic) mit unheinm-
licher Geſchwindigkeit auf den Ankömmling;
die eine Samenzelle ſucht die andere zu über-
holen, jede will zuerſt am Ziel ſein. Wie
wenn vernunftbegabte Weſen nac<ß dem Glü> jagten! In Wirl-
liGfeit handelt es ſich bei dieſem Wettrennen natürlich nicht 1m
eine WillenöSäußerung, um eine bewußte Tat; die Triebfräfte jind
einzig allein <emijc<her Natur: das Eiweißklümphen, das in
unſeren Fall als männliche Geſc<lecht3zelle organiſiert iſt, wird
von dem ander38 beſchaffenen Eiweiß der Weiblichen Geſchlec<t2zelle
angezogen, eben]o wie im Reagenzröhrc<hen des Chemifer3 irgend-
ein Stoff einen anderen verwandten an fich reißt. Wan hat jogar
ichon demie Verbindungen ausfindig gemacht, die die Samen-
zellen. niederer Tiere im demſelben Maße anzulocken vermögen,
wic e8 das weibliche Ei tut. M ter as erſter nnter den Keimfäden
das Ci erwiſcht, bohrt fich jchn: ell in die Dotterhaut ein und ver-
einigt jich mt dem obenauf ſchwimmenden Kern der Eizelle.
(Fig. 3.) Die große Sc<har der Nachzügler geht I<ließlich im
Eileiter zugrunde, diC wenigen ausgenomnen, die etwa „noch in
dein nächſten Tagen bai einer neuen Bewerbung den Sieg er-
ringe
N Im Eileitor erfährt das Ei anßerdem noh mance wichtige
Veränderung. Zunächſt wird es benn Vorüberitreichen an den
Drüſen der- Eileiterichleimhaut von dieſen reichlich mit Weißet
umtleidet. Die iert abgeſonderte Weißeiſcicht dreht ſich an
zwei entgegengeſekten Enden zu dien, ziemlich ſtarren Schnüren
zuſammen, die die Puffer des Gelbeices jind, alfo verhüten, daß e3
innerhalb der Eijc<hale zu heftig hin und her ge] IOleudert wird.
Wenn das Weißeipoli ier fertig iſt, I<eiden wieder andere D Drüjfen
Faſern aus; die legen ſich feſt um das Ci herum und verfilzen
untereinander zu einem cnamaſchigen Yeß. Jeder kennt wohl
dieſe „Haut“ aus cigener Anſchamung; wer genauer hingefebhen
hat, wird ſicher bemerkt haben, daß ſie aus zwei Blättern zu-
jammengeſekt iſt. Am ſtumpfen Pol Deos Eics we zeichen ſie aus
einander und laſjen eine fleine Hohle zwiſchen ſich. Dieker mit Luft
gefüllte Raum it eine Art Vorratsfannner fiir das Hühnchen.
Bevor dieſes nämlich ein od) in fein Gefängnis Ihlägt, pickt 63
erſt die diinne Wand dieſes Gasbehälters auf und atmet die darin
vefindliche Luft ein. =- Im unteren Teil des Eileiiers erhält das
Ei ſeinen ſhükßenden Panzer. E3 wird hier gle! <mäßig von
einem zunächſt noch zähen Kalkbrei eingehüllt, der dann an D ox
Luft zur feſten Schale erſtarrt. Itun ziehen | ſich die Muskeln des
Eileiter3 zuſammen, der Schlauch verengert ſic<, 1<hiebt ſeinen
Inhalt der Oeffnung iminer näher und :chon iſt das Ci ga 6=
boren. (Fig. 4.)
Genau jo ergeht es dem Ei, da3 nicht befruchtet Word don iſt,
weil dor Samen zm Eileiter fehlte. Es wird alfo mit Weißei ver=
ſeben, mit der Faſerhaint und der Schale umfleidet ind. dann aus=
geſtoßen; aber -- das iſt der große Unterſchicd! = es fann ſich
nicht entwideln, es bleibt auch dann, wenn es der bt ütenden Henne
untergelegt wird, im ſelben Zuſtand. Ein Windei! Das be -=
fruüchtete Ei dagegen enthält bereits bei der Ablage einen
aus einem dichten Zellenhaufen beſtehenden Keim. Schon die
Wärme des Mutterleibes hat die in der Eizelle I<lummernde
Tähigkeit der Fortpflanzung geweckt: zunächſt. find zwei Zellen
aus ihr hervorgegangein, dann vier, dann a<ht, und bald Ihwinmmt
eine vielzellige Scheibe auf dem Dotter. Sobald nun auf das
abgelegte Ei wieder eine. Temperatur von ungefähr 88 Grad Cel-
Fig. 4.
DM Dotterbaut,
ein unbebrütefes Hühnerei.
Bl lebender Keim, GD gelber Dotter, WD weißer Dokter,
EW Weißei,
Hagelſchnüre), S Faſerhaut, K5 Kalkſc<ale, LR Luftraum.
(Nach Allen Thom1on-Balfour.)
Längsſc<nittf durd)
ſiu8 einwirkt, 5. h. ſobald es bebrütet wird, ſchreitet die Ent-
widkelung raſc<r weiter. E35 entſtehen viele Tauſende neuer Zellen,
und all dieſe Abkömmlinge der Reinmz elle ordnen ſich nah be-
ſtimmten Geſeßen, treten zu großen Gruppen zufammen und bilden
vorläufig ein paar flache Schichten, jJogenannte Keimblätter. Diele
vergrößern fich allmählich, verdicen ſich, ſtülpen jich ein, verwachten
untereinander, und 19 formen ich ihließlich die einzelnen O
SdHhon gegen
Organe.
Ende des zweiten Tages ijt das Gehirn und Rücen--
marf wenigijtens in der Anlage vorhanden,
ebenſo das Herz. Am dritten Tage beginnt
MW -„. - der Blutkreislauf, am vierten ſchließt ſich
EN | der Darm und am fünften ſproſſen die
Glieder aus dem Leib hervor. Beim
Scheiden der erſten Woche ſind Kopf, Hals
und Rumpf deutlich voneinander abge-
grenzt; jelbſt der Schnabel iſt zu erfennen,
und überall vededen den Körper winzige
Fcderſtümpfe. Der zwBlſte Tag findet im
Hühnden bereits alleO Tgane vor, wennaud)
nur wenig ausgebildet; in der driiten Woche
reifen jie dann zur normalen Srüße nach
und nach heran. (Fig. 5.) = Als Bau-
material benußt befanntlich der wacht ende
Feim = Embryo heißt er mit dem wiſſen-
Ichaftlic<en AuSdrucd = den Dotter und
das WeißeiL Doch dancben braucht er für
feine Gebenstätig? eit noch eine tüchtige
Portion Sauerſtoff, div ibm von Der
Henne nicht mitgeacben werden konnte. Dice!ics Gas verſ<at er
jich während jeiner Gntwideiung. eins Blutgefäße breiten ſich
in einent jeinverzweigten Not dicht unter der Cil<ale aus, und
das Blut, das gerade in den dünnen Röhrchen fließt, angt nun
dieſen wichtigen Stioff aus der <uft andauernd durch die fleinen
Poren der Kalfwand und Fajerhaut in ſich hinein. Das gelingt
recht gut, venn zwi) iden Blut und Saueritoit bejieht wieder eitic
be] anders YGemide Verwandticka?ft. Tau die Giieale und Die
Taierhaut für Luft wirklich durchläfſig nnd, laBt Tic leit dur)
cin Erperiment feititellen. Man lege mw cin roßes Ei neben
jtarf riceßende Gegenjtände, und bald wird ſein Inhalt deintelben
Geruch aufweiſen. Oder man beitreiche ein vbebrüteies Ci, in dem
jich 1<&on Leben regt, nut Tinus, , und der Cimbryo 1 irr iofort ab,
Ch 'Weißeiſch:: üre (oder
weil nun die Seiſnungen der <cale verjiopit jmv. Cr aeht da ann
iibrigens micht bioß am Sanerſtoimangel zugrunde; gleicmzeitig
wird er an durch die beim Lebensprozeß ontjiandene Sogieniäure
vergiftet, die jeht nim mehr ausgeichicden 1 werden fan LC
Am neunzehnten Tag beginnt das Hühnchen die Eiſchale an
zufeilen, aber er!t zwei Tage darauf glückt es 1m, ein großes Lod)
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Fig. 9. 3) Hühnhon von 11 Tagen. (Imal vergrößert). CX Nabel-
ſtrang, in dem die Blurkgefäß2 verlaufen, welche Sauerſtoff in den
Körper rransportieren und Koblenſäure heranſhaffen. PG gemeinſame
Oeffnung der Harn- und Geſchlechtsorgane. Das Auge iſt erſt t2 ilwveiſe
vom Lid bededt, hinter ihm die Ohröffnung. db) Hühnchen, von 13 Tagen
(1! mal vergrößert). D HöFer auf dem Schnabel, mit dem Die Ei-
ſc<ale angefeilt wird. -- Der Körper rr8gr bereits winzige Federn.
(Nach Duval.)
hineinzuſchlagen und die breite Kuppe abzuiprengen. %och ein
paar Stunden verweilt es im offenen Ei, erholt ich von feiner
fcweren Arbeit und übt ſich im Lungenatmen. Dann ein kühner
Inuk =- und das Hähnchen hat feinen erſten Schritt in die Welt aetan.
Liegt nicht viel Gewaltiges und Erhabenes in der Geſchiche
dc3 Hühnereic82?2 Lohnt es ſich nicht, darüber nachzuſinnen?
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