-Arbeiter-Iugend | | 7
Ihr 1precht fein Wort.
Ihr macht feine Gebärde.
Eure Blicke gehen als Boten.
Gure Seelen jtre>en fich als Hände aus,
Paſſiert.
Borbei.
Auf ewiglich geſchieden. .
Weiter oſtwärts geht der Marſch in kalte Nächte, in öde Wai)te=
neien. Aber 2uch iſt zumute wie Menſchen, die einen guten Trunk
geirunften,
Einen guten Trunf, heiljfam und feierlich.“
So ſieht im Krieg einer um ſich, der ein kerniger Dichter iſt.
Franz Diederich.
Zu den leßten Ausführungen dieſes Auffates fei bemertti, daß 1in=
zwiſchen ein erſter Band Wöhrleſcher Kriegsgeſchichten unter dem Titel:
„Soldatenblut“ im Verlag vom EG. Fleiſchel u. Co., Berlin, erſchienen i1t.
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Die ſ<limmen Buben in der Sule.
D-Betyy am jtellt fich in Norddeutſchland Oeſterreich vielfach als ein Land
ohne rechte DiSsziplin vor und führt manches von dem, was man
D- 8 EG halb ironiſch „Gemütlichkeit“ nennt, darauf zurück, paß es
drüben anm Autorität und Reſpekt fehle. Das iſt aber nicht richtig. Daß in
Oeſterreich auf Disziplin viel gehalten wird, hat uns ſchon die Schule ſebr
Scatlich gelehrt. Jh erinnere mich zwar nur dunkel an die vier Volt8ſchul=
aſſen, die ich bejuchte; unauslöſchlich aber hat jich mir das Bild unjeres
langen und dünnen Wiener Oberlehrers eingegraben, der den Uebel=
tätern. drohend anfündigte: „Warts, 83 Lausbuam, i ſpir' Entf ein und
da gibt3 nix wia Papierknedin mit Tintenſoß'!“ (Wartet, Jhr Laus-
buden, ich ſperr Euch ein und da gibt es nichts als Papierfnödeln mit
Tintenfaucel) Die Drohung wurde öfters zur Tat; nur die Papier-
fnödeln mit Tintenſauce blieben Legende.
In unſerer k. k. Staatsrcalſchule herrſchte aber eine Dizsziplin, wie
fic in Preußen nicht ſchärfer ſein fann. Freilich, nicht jeder von unſeren
Profeſſoren wollte ſo regieren. Unſer lieber Ordinarius (Klaſſenvor-
tand) Winkler, der uns zehnjährige Bürſcherln übernahm, verſuchte es
auf patriarchaliſche Weiſe, uns Manier und Mores zu lehren. Ex exr=
zählte uns ungezählte Male: „Alſo! Der Fiaker Gabriel hat jeine
Rferda von der ungariſchen Pußta in vierzehn Tagen 19 weit, daß er
mit ihnen auf den Stephansplaß fahren kann. J< aber hab Cu leßtk
ſchon ſechs Monate unter mir. „Das iſt das Tier = ="; „Und wie
Teid Jhr!!“ fielen wir uniſono ein, faſt wie des unjtierblichen Wiener
Vollsdichter3 Neſtroys „Schlimme Buben in der Schule“.
Aber richtige Buben wurden wir doch erſt ſpater; nämlich auf jenex
Tchönen Altersſtufe, da dex Junge zum Bengel auffc<hießt, da hm in
unglaublich furzer Zeit die neuen Hoſen zu kurz werden = in den
Flegeljahren. Dazu fam, daß wir einen anderen Ordinarius vetamen,
eine feine Künſtlerſeele, wie ich viel ſpäter begriff, aber einen Herz=
franfen, nervöſen Mann, dem jeder Aerger Wutktanfälle erzeugte, ud
aus deſſen Worten und Mienen wir immer die hijtoriſche Drohung:
„Ih werde 'Guvh ſchon fatholiſc< machen!“ heraushörten, mit der jeit
der grauſamen Austreibung des ProteſtantiSmus aus den Alpenländern
die öſterreichiſchen Mütter immer noch ihre Kinder ſc<re>en. Dein
Kommandoton: und das ſogar vorſchrift3widrige „Du“, mit dem uns
unſer neuer Ordinarius anſprach, reigten uns aufs äußerjte, und 19
bildete ſich ein Zuſtand heraus, bei dem Stahl und Giſen aufeinander
ſchlugen. Und da gibt3 bekanntlich Funken. E35 rauchte: auch nur ſo.
„Dem Nowak“ konnten wir direkt nicht8 antun. Wenn man ihn
am wenigſien vermutete, tauchte er urplößlich auf. Er trug ſeinen Kopf
mit dem grauen Knebelbart hoch über uns, dabei ſchienen aber ſeine
Augen ſelbſt ums E> zu ſchauen. Sab er aber was -- etwa, daß einer,
der vor ſeiner fertigen Zeichnung, dem ſorgfältig kopierten Gipskopf,
ſaß, aus dem in der Schublade aufgeſchlagenen Buch für die nächjte
Stunde „fümmelte“ =- flug3 ſchoß er wie ein Raubvogel auf den
armen Sünder hernieder. So entſtand- der Name „Der Geier“, mit
dem wir unſeren Herrn Vorgeſetßten bezeichneten und der uns äußerſt
treffend erſchien.
Soll er doch -- man denke, in der 2-Millionen-Stadt! --- ſogar
Schüler beim Zigarettenxauchen erwiſcht haven, ja ſebbit im Prater,
ivenn ſie mit |Mädeln flanierten. Und Dabei trat er, obgleich jeder
Jachprofeſſor ins „Klaſſenbuch“ einſchreiben konnte, was dann vor die
Lehrerkonferenz fam, für alle Untaten, die wir in irgendeinem Unter=-
richt begangen hatten, als Rächer auf und zog ſelbſt unſere fachlichen
Leiſtungen vor ſeinen unfehlbaren Richtexthron. DO, ces war Jurdtbar,
wenn er einen erſt in das „Zeichenkabinett“, die atelierartigen Neben=
räume des Zeichenſaals, zitierte, in dem er unumſchränkt herrſchte. Gin-
mal ſoll er einen der Jungen fo durch die -- geſchlöſſene Glastür
hinaus8geſchmiſſen haben, daß der es ſelber gar nicht merkte.
Was konnten wir gegen dieſe Tyrannei tun? Wir ſetzten der
Solidarität der Profeſſoren die unſrige entgegen -- es. war ſozuſagen
ein . « » Klaſſenkampf. Für den unfaßbaren Ordinarius rächten wir
. Gxforſhung Wiens.
uns an jeinen 1Ichwädceren Kollegen, Jelbit wenn fie un3 ſympa-
thiſch waren, ſoweit eben Lehrer bengelhaften Schülern jympathiſch fein
können. Und man frage nicht, wa38 helläugige und j1<harfjinnige Buben
abgearbeiteien Männexn antun fönnen! G3 war ſchandbar; wir ent=
wicelten uns zu einer wahren Schweifelbande. Die paar Sireber in
der Klaſſe wurden durch nachträglicen Boyfott bald eingeſchüchiert. Cin
Kamerad, der nicht mitiun wollte und deſſen Intereſſen überhaupt ganz
auf dem damals3 ſchulfernen Gebiet des Militäriſchen lagen, wurde von
uns in den Pauſen als -- Schildwache auf den Gang geſtellt. Und bals
flappte die Organiſation: ſowohl im Lärmen gerechter Entrüjtung, wie
darin, daß bei den Fragen der Rrofeſſoren niemand mehr „den Finger
hob“, und "daß bei den berühmten Profeſſorenwißen entweder eijige
Stille herrſchte oder ein taktmäßiges „Ho -- 59 -- h9“ im Chorus er=
tönte, das den Unterricht minutenlang unierbrach. Was konnten die
Profeſſoren dagegen iun, wenn doch ihre Witze uns ſo jehr zum Lachen reizten ?
Jm Deutſchen laſen wir klaſfiſche Stücke mit verteilten Vollen.
Natürlich wurde jede Dramenfigur mit einem: unterer Profeſſoren
identifiziert und dann mit getreuer Stimm= und Sprechnac<hahmung ge
leſen. Unjer Ordinarius war Geßler im „Tell“ und Alba im „Egmont“,
und unſer aus dem! Rieſengebirge ſtammender, den uns ſo fremden
ſhleſiſ<en Dialekt ſprechender WMathematifer und Päyſiker („Poäajat“
flang un3 da3, wie er e3 ſprach) fehrte als Seni, der Aſtrolog Wallen-
itein8, und als Apothefer in Goethe3 „Hermann und Doroibea“ wieder.
Der Ordinarius aber jtrafie, ſchimpfte, wichite jogax. Einmal 1ollten
vix zur Strafe binnen ganz kurzer Frijit Schillers „Kampf mii dem
Drachen“ auswendig lernen. Das war nach unſercr RechiSauffaſſung
ein Vebergriff des Zeichnenprofeſſoxr3 in den Deurmchunterricht. ls
erſter fam einer dran, der ſchon vei den erjren Verſen note:
Was rennt das Vols,
Was3 wälzt ſich: vort
Die langen Gaſen öramend Tori?
Stürzt Rbhodus unter Feuorsflanuien:
Cs roitet =- es POT. Su --
„es rottet ſich die Feiterweßr zuſammen =- ſchaut, daß Du in Deine
Bank fommſt, Du blöder Eſel!" donnerie der Profeſivx aleich Z2o:is und
iieBß es an einem fräftigen Schupie nicht fehlen.
lebrigens = in einer Nachvarrealſchule bato es fim mai Lei Dor
Inſpektion durc den LandesSichulinipekior ereignet, Daß ein ns vor=
iprecbender Schüler 19 Letonic:
/
.,.X
Was wälzt? das Volk,
Was rennt ſich dart. -
juprauf dex SoGmögerde Inſpefior ihm die richtige Doronunmg v3Ppram:
Mas wälzt das Volt,
Was rennt fich do9xt . . -
(uf einem Juninachmittag echt wieneriſchex Axt, mit 30 Grad
Reaumur im Schatten, der wegen der Hitze ſchulfrei war, wurde unſer?
ganze Klaſſe zum Nachſiken beitet, auf das Dex Schüleranzdrud
„Dunſten“ beſonders paßte. Wir waren pünktlich da = der Geier nicht.
Da ſtimmten wir das damalige alldeurche Nationallied an: „Mein
Herz, das iſt ein Bicnenhaus.“ Von dem itafimäßigen Gedrödn Der
37 Schiebepulte bealeitet, hallte das Lied Über die Höfe 9i5 in Die
GloFengaſſe hinaus. Da plözklih, mitien im Takt ==“ jähe Stille: der
Geier erſchien, den Hut unheildräuend auf dem Koptk: „JHr habt ja du
einen ganz berrlihen Kantus ſteigen laſſen --- jezt könnt JHhr att bis
4 bis 6 Uhr hier ſiven!“ Sprachs und diftierte uns aus einenr MatHe-
matikbuch ein paar ſaftige Gleichungen höherer Ordnung. Bei 30 Grad
im Schatten! Da lohnte e3 ſi ſchon, in der „Pechbud2“ zu bleiben,
wie Unſer Naturhiſioriker das alte, nur mietiveije vom Staat benußBte
Schulgebäude liebevoll nannte. |
Was wäre nicht noch alles zu erzählen aus Dieſen Tagen ſonnige?
Jugendlui! *
E3 war im Sommer nach unſerer Abgangsprüfung. Wir waren
„ireie Männer“. Vier von uns verwendeten die FXexien aus zur =--
( Wir zogen wie Fremde von einer ScehenSwürdig-
keit zur anderen, hinaus in den Wiener Wald und in8 Donautal, hinein
in die ſtillen, kühlen, alten Gaſſen der inneren Stadt und in ihre
wunderſamen Kirchen. Einmal nach ſo einex Tour famen wir in das
uralte Reißenberger Beiſel (Kneipe) neben der griechiſchen Kirche am
Fleiſchmarkt. Wer jaß da im Dämmerlicht vor dem beiten Pilſener
der Welt? Unſer „Geier“ mit einem Generalſrabsoffizier, auch einem
früheren Schüler von ihm, dem er uns al8 „Herren“ vorſtellte.
Wir -erzählten, woher wir kämen und wie wir ihm neben vieler
Plage au< die Liebe zur Kunit, das Verſtändnis für Gotif und Baxro>.
zu danken hätten. Und er, unſer Schultyrann? Der hob jein Glas
und ſprach: „Seht J5x, wir haben uns ja gegenſeitig viel geärgert. Jr
wart manchmal eine T<hauderhafte Bande, ich hab auch nicht immer recht
gehabt und maßgehalten. : Jch wollte hait, daß Zhr was Ordentliches
werdet. Und darauf wollen wir trinken =- und Eure Mädeln follen leben!“
Nicht lange darauf baben ſie ihn begraben. Cin Herzſchlag ſoll es
„geweſen fein. Boi deur Begräbnis machten wir Siudenten in Reih Und
„Er ruhe in
Glied mit. Und wir dachten: „Requiescat in pace" =-
R. B
Frieden!“