Ww | " ÄArbeiter-Jugend
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Dich jekt auffordern würde, dieſe Dinge auf ein Blatt Papier zu
zeichnen? Ich fürchte fehr, e8 würde manchem ähnlich ergehen,
wie dem armen Jenaer Studenten bei Goethe.
Wenn wir uns aber zwingen, den Eichbaum mit Muße ein-
gehend und genau zu betrachten, von allen Seiten, zu jeder Jahre3-
zeit, wenn wir die Rinde, die Blätter, die Früchte, ein Stiü> Holz
mit unferen Fingern betaſten; dieſe Dinge 'drehen und wenden,
um jede weſentliche Einzelheit zu beachten, dann werden wir
Ihließlich ein Flares und vollſtändiges Bild des Cichbaum3 ge-
winnen, das un3 auc<h dann nicht im Stiche läßt, wenn wir längſt
wieder im Haufe ſind. Wenn wir dann aber ein naturwiſſenſchaft-
LiGe3 Buch vornehmen, in idem etwa vom Gichbaum die Rede 1ſt,
dann werden wir uns bei den Worten de8 Buche3 etwas Nichtige3
vorſtellen und denken können. Im anderen Falle dagegen blieben
die ſchönſten Worte leere und tote Formen, weil wir uns dabei
michts vorſtellen, alſo auch nichts dabei denken können.
.Yhr begreift: vom richtigen Sehen hängt es auch ab, ob man
ein Buch mit Nutzen lefen kann. Unſere Augen find caljo recht
eigentlich Tore der Erkenntni3, und nicht nur ider Erkenninis,
jondern au<ß der Schönheit. Der unerſ<öpfliche Reichtum an
Formen und Farben in der Natur kann unſere Seele nur be-
glücßen, wenn er EGingang findet durc< die Augen, unjere „lieben
Venſterlein“. Erſt wenn wir unſere Augen zu höchiter und feinſter
Kultur Be3 Sehens erzogen haben, erſt dann gewinnt das ſchöne
Wort des Dichters jeine volle Bedeutung:
„Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,
Von dem goldnen Heberfluß der Welt!“
Jürgen Brands.
S7
Wie man in früherer Zeit mit den Verteurern
und Verfälichern der. Lebensmittel umging,
Ey ahlreich find leider in dieſen Kriegszeiten die Fälle, in denen
“DZ gewiſt „nloi e Wenſchen aus der Not des Volke3 Kapital zu
& IOMlagen verſuchen. Namentlich auf dem Lebensmittelmarkt
haben in BV erwerflichem Cigennuß manche Erzeuger, Händler und
Zwiſchenhändler die Preiſe zu fat unerſchwinglicher Hohe hinauf-
getrieben. Die Maßnahmen, die anfang38 von der Regierung hier-
gegen ergriffen wurden, haben bei den dunklen Chrenmannern,
Die unter einem außergewöhnlich dicken Fell ein überaus robuſte3
Gewiſſen bejiken, b:Sher nicht den erhofften Erfolg gehabt. Db
eine neuere Verovdraung des Bundesrat38, die ungeeignete Per-
ſonen vom Handel fernhalten will und die Verſtöße gegen dieſe
Verordnung neben Gefängni8- und Geldſtrafe auch mit dem Ver-
32.294 4.
Dor Wohliätigkeitsbub.
Von Friß Müller, Zürich. | (Schluß.)
EC) € ber die Unannehmlichfeiten, die gemeinhin aus der Habſucht blühen,
y 8 machten ſich auch in meinem Fall al3bald bemerkbar. Wohin
“Y8"S jollte ich mit meiner zurücdbehaltenen Hofe? Nach Langem Grüz=
vbeln entſchloß ich aich, jie nach der Schule mitzunehmen. Da3 tat ich
denn auch, und ich verſte>te ſie unter der Bank. 'Da fand ſie der Lehrer
nad) der Stunde. Am Nachmittag lag die Hofe aufgewidelt hinter dem
Katheder.
„Wem gehört die Hoſe?“ fragte der Lehrer und deutete darauf,
Alle ſchwiegen. ID auch. I< verleugnete die Hoſe. Auch al3 der
Lehrer nochmals fragte und mich ſcharf dabei anſah, [9 daß ich rot wurde.
Der Lehmann Heinrich neben mir jah es. Auf einmal, als der Lehrer
zum dritten Male fragte, faſt drohend fragte, hob der Lehmann den
Finger und ſagte: „Mir gehört ſie, Herr Lehrer.“
„So -- ſo,“ fagte der Lehrer und fuhr fort, mich ſGarf anzuſehen,
„10 -- 10, alſo dem Lehmann Heinrich.“ Und dann gab er ſie ihm.
Nach dem Unterricht ging der Lehmann zu mir und ſagte:
„Gell,
die Hoſe haſt Du un3.au< ſchenken woll'n, Müller?“ -- „Woher weißt -
Du das ?“ ſiammelte ich, -- „Wie's vorhin auf dem Katheder gelegen iſt,
Hat man idie zwei roten Buchſtaben ſehen können, F. M., weißt D'.“ --
So fam die Hoſe, die noch ganz gut war, doch noch zu ihrem Ziel.
Dann kamen die Ferien. Und unſer Wobhltätigkeit3bub ging nach
Maria Eich mit uns. Da3 war eine große Fidelität zwei Monate lang.
Und faſt entwidelte ſich eine richtige Bubenfreundſchaft, eine handfeſte,
zwiſchen dem Lehmann "Heinrich und mir. Wenn nur nicht am Ende
auch noch Tante Theres gekommen wäre. Von der Tante There3 hörte
ich an einem Tag folgende Säße: „Na, der Bub kann von Glü> ſagen,
daß er zum Landaufenthalt. mitgenommen wird.“ -- „Ih weiß nicht,
Wohltätigkeit iſt ja ganz nett, aber was zuviel iſt, iſt zuviel.“ -+ „Jett,
das muß ich ſchon [agen zu meiner Zeit hat's jolche Sachen nicht ge-
geben.“
„ente
buſt der bürgerlichen Ghrenrechte bedroht, dieſes Ziel erreicht.
bleibt noh abzuwarten. Wahrſcheinlich wird e8 ni<t der al
jein. Welche anderen Maßregeln dieſen Erfolg verſprechen, joll
hier nun nicht erörtert werden. Aber i< will einmal ſchildern,
welche Maßnahmen man in früherer Zeit ergriff gegen Bioder-
manner, die aus der Not des Volkes Reichtümer zu gewinnen
ſuchten. Entſprechen ſie auch m<t mehr unſerem verfeinerten
Necht3empfiniden, jo möchte man doc< manchmal on wünſchen, daß
ihre Anwendung noch möglich wäre. I< folge bei dieſer Scilde-
vung zumeiſt einem 1851 erſchienenen Buche, der "Chronit Der
Gewerke“ von HS. A. Berlepſch.
Keinen Gewerbetreibenden waren Die Einwohner | der Städte
von jeher Jo auffälſig als denen, die mit Leben3mitteln handelten,
und unter dieſen wiederum waren e8 hauptſächlich die Bäder,
Die von Obrigkeit und Bürgerſchaft unabläſſig mit mißtrauiſchen
Augen beobachtet wurden und auf deren Vergehen man die härte-
jten Strafen fekte. Zu leichtes Gewicht oder die Vermiſchung des
Brotmehles3 il ungehörigen Stoffen wurde viel ſtrenger und
unnachſichtlicher beſtraft, als wenn ein Goldſchmied 121ötiges
Silber für feines verkaufen wollte oder ein Schneider von dem
IN zur Bearbeitung gebrachten Zeug etwa3 auf die Seite fallen
ie
Cine im Mättelalter häufig vorkommende Strafe für die-
jenigen, welche zu leichte3 oder ſ<lechtes und „betrügeriſche3“
Brot buben, war das Rroangerſtehen Ein viel härteres Meittel
aber, 'die Bäcker von Betrügereien abzuhalten, war der Schnell-
galgen, oder wie er in einigen Gegenden hieß: der SchnelliL Das
Prangerſtehen war gegen dieſe Strafe noch ein ſehr milde3 Ver-
fahren. Satte nämlich ein Bäder in irgendeiner Weiſe ſich ver-
gangen, jo wurde er in Gewahrſam genommen und in folgender
Weiſe gegen ihn verfahren. Man errichtete über giner möglichſt in
der Mitte der Stadt gelegenen ſ<hmußigen Lache oder flachen
'Pfüße einen förmlichen Galgen. An der äußerſten Spike Des
Horizontalen Galgenbalken3 war eine Rolle oder eine Art von
Flaſhenzug angebracht, ſo daß man daran vermittel3 eine3
Strikes Gegenſtände herauf- und herabziehen konnte. An da8
eine Ende des Strickes wurde nun ein Korb befeſtigt, groß genug,
daß ein Memnſ< darin Plat hatte, und in diefen Korb wurde 'der
betrügerij<e Bäder gefegt. Mit idem Korbe hinaufgezogen,
Ichwebte er nun frei über der I<hmußigen Pfütze aind war dem
Sohne und Geſpötte des Publifum3 ausgeſezt. Um au3 ſeiner
Lage befreit zu iwerden, mußte er nun entweder ſelbſt in die Pfüße
bervabſpringen und dann triefendnaß und beſhmutßt durch die
jubelnde Menge nac< Hauſe Taufen, oder er wurde vom Stait-
Tnecht mittels einer Stange aus dem Korb heraus8geſtoßen. So
war'3 zum Beiſpiel in Aug38burg, wo man ein ſolche Verfahren
jſ<upfen nannte. Das alte Augsburger Stadtrecht von 1276 ver-
ordnete in dieſer Beziehung:
E3 iſt ja ſchon richtig, daß ich die Tante Theres gar nicht hab leiden
mögen. Aber die Worte von unſeren Feinden hängen ſich am ſchärfſten
ein. = Und wie die Ferien vorbei waren, und wie wir unſere erſte
Bubenſchlacht wieder hatten in der Stadt, eine Schlacht zwiſchen „Bayern-
ſträßlern“ =- ich wohnte in der Bayerſtraße--und den „Heuſträßlern“ --
der Lehmann Heinrich wohnte in der Heuſtraße =, da ſagte ich zu
unferem Wobhltätigkeits8buben: „Sag, zu wem hilfit d', wenn's los8geht .
heut nachmittag?“
„S9 wohn' halt in der Heuſtraßen, net?“ ſagte der Wohltätigkeitsbub.
„D8s3 hab ich Dich net g'fragt, zu wem Hilfſt d', hab ich Dich g'fragt!“
„aa, wenn ich nicht zu die Heuſiräßler helf, nacha hau'n mich die
a durch,“ ſagte er etwas ileinlaut.
„So -- und der Landaufenthalt? ?“ ſagte ih und ging geſchwind
heim. So vaß ih nicht mehr ſehen konnte, iva8 der Lehmann Heinrich
für ein Geſicht made.
Natürlich weiß ich heute, daß das eine Gemeinheit war von mir.
An dem moraliſchen Maßſtab der Erwachſenen gemeſſen, nämlich. Und
an dem Maßſtab der Jugend abgemeſſen, war's auch nicht ſauber gerade,
aber man darf nicht vergeſſen, daß eine Schlacht bevorſtand, eine Schlacht
zwiſchen den Bayerſträßlern und den Heuſträßbern. Und daß in der Heu-
jtiraße die größten Buben waren. Ginige, die weit über einen Zentner
wogen und ſpucden fonnten, ſpucken, krazen und beißen, und die ſich beim
Lehmann ſeinem Vater breite Holzſchwerter zuſammengehobelt hatten,
wie un3 durc< Spione mitgeteilt wurde. Und daß wir Babyerſträßler
ſchon zweimal von den Heuſträßlern verprügelt wordew waren. AU da3
darf man nicht vergeſſen. Und wenn wir heut darüber lächeln -- für un3
Bayerſträßler waren dieje Dinge damals Lebensfragen -- einfach
Reben3fragen.
Alfo gut -- es war ein Sonnabendnachmittag, und unſere Vora
poſten hatten ſc<on ſeit einer Viertelſtunde gemeldet, daß der Feind anz
rüde. „Der Doppler iſt auch dabei, der lange,“ hieß e8,.
„Und ſein Bruder von der Lateinſchule joll auch mittun.“
= „AUs-
weh!“ fagte einer von uns,