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Expedition : Buchhandlung Vorwärts, Paul
Singer G. m. b. H, Lindenſtraße 3. Alle * Zu-
ſchriften für die Nedaktion find zu richten
Eingetragen in die Poſt- Zeitungsliſte.
| Berlin, 30. Dezember
an Karl Korn, Lindenſtraße 3, Berlin SW. 68
- Am Sc<luß des Jahres.
gad it Unruhe der großen Stadt hatte mi wieder einmal
9 5 hinaus8getrieben. Die herbe Luft in Feld und Wald und
“zT die tiefe Stille weit umher ſollten, ſo hoffte ich, auch dies-
mal ihre wohltuende Wirkung üben und die Geiſter des Trüb-
jinn3 und der Verzagtheit nicht auffommen laffen. So hatte ich3
Icon oft gehalten und immer mit gutem Erfolg. Wohin ſoll jo
ein gebebter Stadtmenſch auch flüchten, wenn er das Bediirfnis
nach Ruhe und innerer Sammlung empfindet? Aber, weiß der
Kudu, heute wollte e8 mir nicht gelingen, die Niedergeichlagen-
Heit lo38 zu werden. Da bielt ich einen Augenbli in meiner
Wanderung inne und ſuchte mir Rechen] <aft über mich jelbit u
geben. Auch das Half nicht. Sinnend ging ic; weiter in den
Wald hinein; das dürre Laub rauſchte unter meinen Tritten,
und plöklich, ich weiß nicht, wie 28 kam, hatte iG; die Empfindung,
als wandre neben mir einer mit. Ich blieb wieder ſtehen und
wandte mich um. Y Natürlich war da niemand zu ſehen. Selt-
ſame Tänſchung! Al3 ich weiterging, ſtellte ſich fofort der 1un-
ſichtbare Begleiter wieder ein. Und jekt begann er, unhörbar
war, mir jelbH EE deutlich vernehmbar und ſehr eindringlid)
ich einzuflüfi Wenn die welken Blätter unter meinen
Füßen vauſchten. flüſterte ex: „Das ſind deine getäuſchten Holf-
nungen!“ Als mein Weg mich an einem ſchmalen, fließenden
„Bach vorüberführte, vernahm iM wieder deutlich die Stimme
neben mir: „Welten im Bach -=- deine verrinnenden Taten!“
Jeßt wurde mir die Sache doh ein wenig ärgerlich. Wie“
Spukt es in dem alten vertrauten Walde? Dder iſt es Ic<hon
joweit mit mir, daß ich am hellichten Tage Geſpenſter ehe“
Jeſter knöpfte ic) den Rock zu und Thritt rüſtig merfeldein. als
wollte ich meinen unſichtbaren Begleiter weit hinter mir laſſen.
Aber da war kein Entrinnen.
Ermäüdet von der Wanderung ſekte ich mich am Rand einer
Waldblöße auf einen moos8überwucherten Stein. Meine Blicke
ichweiften über die Blöße vor mir: ziemlic<ß im der Mäatic ſtand
ein kahler Stamm, den der Sturm abgebrochen hatte. Da raunte
es auch ſchon neben mir: „Sieh ihn dir an -- das bijt du jelbjt!“
Meine Glieder begannen zu zittern, und der Kopf janf mir ſchwer
auf die Bruſt. . I< hätte wohl weinen mögen. „Aber nein!“
ſchrie ich dann und ſprang empor, „wa3 ſind das für Ein-
flüſterungen? Sebe dich weg von mir, du trüber Gejelle!“
Jener Baum, warum konnte der Sturm ihn zerbrechen? Woil er
allein ſtand! Aber die tanjend anderen Stämme rund um
mich ber, warum konnte auch der ſtärkſte Sturm ihnen nicht3 an-
haben? Weil ſie dicht zuſammenſtehen im geſchloſſenen Bo-
ſtand! Streben ſie nicht rank und ſc<lanf empor zum Licht, zur
Höhe, daß es eine Luſt iſt, ſie anzuſehen? Und nun ich ſelber:
ſteh ich allein? Nimmermehr! Streben nicht Tauſende, Hunderi-
tauſende mit mir nach dem gleichen Ziel, nach Licht und Hohe?
Wir troßen im enggeſchloſſenen Verein auch den ſtärkſten
Stürmen. . Mag kommen, was8 da will; wir ſtehen zuſammen,
denn wir wiſſen genau -- die Erfahrung lehrte es uns =-: „der
einzelne iſt ſ<wach und hilflos; wo aber ihrer viele eng ZuU-
ſammenitehen, da bilden ſie ein unerſhütterliche8 Bollwerk gegen
allen feindlichen Anſturm.“
So ſprach ich und jo dachte ih. Und ivo blich mein Be-
- gleiter? Solla, Prophet de3 Unheils, wo biſt du? Keine Antwort.
Fort war er, und ich habe ihn auc< nicht mehr vernommen.
- immer dann einfinden,
einmal umwandte, lag hinter mir der
Wahrſcheinlich gehörte er zu den unheimlichen Geſtalten, die ſich
wenn ein armer Menich in Gefahr iſt,
den Mut zu verlieren. Wenn man ihnen jedoH mit Kraſt und
Entſ<loſſenheit zu Leibe rückt, dann „verſchwinden jie, wie Die
Nebel) Hivaden vor der aufſteigenden Sonne.
Jroh, meinen läſtigen Begleiter los zu Jein, jeßic iG. meine
Wanderung fort. Wie Jelbſtbewußt erklang mir nun DaS
Rauſchen in den Hoben Gronen, wig lieblich und vertraut das
Gepläticher de3 Baches. Die trübe Stimmung war vollig vor-
Ichwunden. Und wer hatte das Wunder zuwege gebracht? . Nur
der eine ſtarfe und zufunſtsſrove Godanfe: Nicht allein zu ſei1
Sc) dachte an alle meine Gefährten und Gefährtinnen, die 1
mir dem gleichen Ziele zuſtrebten, und fühlte mic< j1to!l3
ſicher in diejem Gedanken.
Die Dämmerung lagerte jich
da ſtand iM am Rande des Waldes 1nd
Türme und Schornſteine der
Icon zawilten den Baiinien
1ahß in dem Dunſt dor
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Jerne die Q Siad Son
blißten einige Lichter auf, und von einem LTampfer ang Der
Ton iner Sirene dump? horüber. Da fezie im mic? nom einmal
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nieder und betrachtete gedanfenvoll das Bild vor meinen Mugen:
Nur noch wenige Tage, und von D
werden die Glo>en mit eherner Stimme
Jahres in3 Land rufen. Das in eine alti
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in jedem Jahr wiederholt. Aber in Die? Jahr hat lige ibr2
&jondere Bedeutung durch die Wicht dor Croignitio, zwiſchen
denen ſie einen Markſtein ſet. Dort in jeiier Stadt wohnen
iber hunderttaufend Menſchen, der größere Teil von ihnen folcho,
die von ihrer Hände Arbeit leben. Sie alle, Männer, Franen,
Kinder, müſſen feit KriegSbeginn ?cbakfen. Was j<affen fo?
Werke der ungeheuerſten Vernichtung. Die Arbeit, die cin
Segen fein Jollte, verwandelt ſich unter ihren Händen in einen
grauenhaften Fluch. Sie wiſſen es, und dom ardeiten ſie an
dieſem Werk der Vernichtung, gezwungen durch eine ſire>iiche
Notwendigkeit. Mit welchen Gedanken und Cmpfindungen
werden ſie das alice Jahr zu Ende geben ichen? Mit wolhen Be
danfen und Empfindungen werden ſie das neue Jahr begri
Schre&flich laſtet der Krieg auf allen Volfsgenonen,
Ichredlichſten peitſcht feine erbarmungstofe Geißel umere
beitenden Brüder und Schweſtern. Sie ſind dom gewa ge It
Sturm, ider die Erde erſchüttert, am fſfGußkloſoiten preis gege
Und doch ſind ſie nicht ganz ſchutzlos! Wie? Haden fie Wir
nichts, was ſie dem Wiiten des Sturmes entge caunieken fennen
Doch! Es iſt nichts anderes, als was mich die Bäume in Malde
gelehrt haben: Zufſammenſteben! Nur Wenn wir Zuſammen»
ſtehen, troß Not und Tod und Sturmagowalt, werden wir den
Weg finden, den Weg zu Licht und Höhen. So haben es die
An gehalten und ſind groß und ſiark geworden; jo mitſen cs
auch die Jungen halten. Wehe dom, der fich von Dor Gemeinichaft
trennt! Er iſt rettungslos alien feindſeligen Gewalten prcis-
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So dachte ich beim Anbli> der großen Stadt, über dor eine
rieſige Rauchwolke lagerte, genährt von den immer qualmenden
Schloten. Es fing an zu dunkeln, umd am Himmel entzündeten
fich einige blaſſe Sterne. I< ging heimwärt3; als i< mich noch
Wald, ein Bild der tiefſten
Ruhe, und über ihm wölbte ſich wie eine Rieſenkuppel der