216 - MEIERS SEEN Arbeiter-Iugend | et 2 | weed fal unt Z
Kameraden, betreiben die Zriſtlichen Gewerkſchaften ihre Jugendarbeit,
ſondern :aus purer Konkurrenz gegen die freien Gewerkſchaften, wie ja
die <riftlichen Verbände überhaupt nur gegründet worden ſind, um
Unſeren Gewerkſchaften Abbruch zu tun, und zwar aus parteipolitiſchen
Erwägungen. Dann beſpricht Brauer die Jugendarbeit der freien Gez
-Wwerfſchaften in ſehr anerkennender Weiſe, um äuc< hier wieder zu ge-
geſtehen, -daß es „bei einer ſjol<hen Sachlage" -für die <rift-
lichen Gewerkſchaften nur eins gebe, nun erſt rec<t weiter zu arbeiten.
Nicht ſ9 lug wollen die eingangs erwähnten katholiſchen Arbeiter-
vereine fein. Sie wollen ihrer Jugend nur berufliche Gruppen im
Fatholiſ<en Jugendverein zubilligen; „erfotderlichenfalls“ könnten ſie
an den Verſaminlungen der Erwachſenen teilnehmen. Die katholiſchen
Arbeiter ſollen „nicht. im frühen Jugendalter -in die wirtyga7uimen
Kämpfe hineingezogen werden, einer materialiſtiſchen 'Leben3auffaſſung
umd einer gewiſſen ..Selbſtüberhebung zum Nachteile des erziehlichen
Ginfkaſſes der Familie, der Kirche und der Schule anheimfallen". Auch
hier akſo keine Spur von Liebe zur Jugend ſelber, ſondern „Erziehung“
zu den beſonderen parteiegoiſtiſchen Zwe>en der Veranſtalter!
Schließung der Fortbildungsſc<hulen.
. Es mag ſchon fein, daß mancher junge Burſch ſich 'gerne von der
Fortbildungs8ſchule drüden möchte, weil er den Wert des Lernens für
fein ſpäteres Leben noc< nicht begriffen hat. Die freie Jugendbewegung
hat es jedenfalls immer als eine ihrer wichtigſten Aufgaben betrachtet,
ihren Anhängern eine möglichſt hohe Meinung von der Notwendigleit
vermehrter beruflicher und allgemeiner Ausbildung beizubringen. De3-
halb wehren wir un3 auch gegen die in manchen Zeitungen aufge
tauchte Anregung, die Fortbildungsſchulen während des Krieges gänz-
lich zu ſchliegen. Da ſchreibt zum Beiſpiel in der „Kölniſchen Volks8-
zeitung“ ein Induſirie-Unternehmer den ſo patriotiſch Uingenden Saß:
Noch manche Stunde Arbeit3zeit könnte nußbringend für das
Vaterland verwendet werden, wenn die Fortbildungs3ſchulen für die
Dauer des Kriegs ſämtlich geſchloſſen würden,
Wir ſind der Auffaſſung, daß den Nußen von der Schließung der
Fortbildung&ſ<hulen weniger „da8 Vaterland“ al8 die Geld-
ſchränte der Unternehmer hätten, denn die Lehrlinge und
die jungen Arbeiter ſind ihre billigſten Arbeitskräfte. Dieſer Meinung
jind auch Lehrer ver Fortbildungs3ſchulen. GEiner ihrer Vereine
weiſt nämlich in der „Nbheiniſchen Zeitung“ zu Köln mit erfreulicher
Deutbichtfeit darauf hin, daß ſolches Verlangen nur „dem Gewinns-
ſreben eingelner Unternehmer dienen foll“. Dieſer
Lehrerverein fagt weiter:
Der Beweis, daß lebteres Beſireben vorhanden iſt, nſt durc< die
Tatſache gegeben, daß Firmen erwachſene Arbeitſuchenve
und Kriegs8beſc<hädigte, die früher bei ihnen beſchäftigt
waren, zurüc>dweiſen und Fortbildung8ſ<üler re-
fFlamieren, weil deren YArbeitStraft für ſie
billiger iſt. . | |
Das ſind ja liebliche Sitten, und da ſollie mit einem behördlichen
Donnerwetter dazwiſchen gefahren werden. EG3 wäre noch ſchöner,
wenn eine folge MAuswucherung jugendlicher Arbeitsfräfte durch
Schließung der Fortbi:.dungsſchulen gefördert würde! |
Und wie reimt jich mit dieſen Zettelungen das Jammergeſchrei
Über die angebliche Verwilderung der Jugend zuſammen? Oder all
die Berordnungen zur Erziehung der Schulentlaſſenen? Und da ſollen
nun die wichtigſten, vielfach die einzigen Bildungsſtätten der Arbeiter-
jugend geſchlojjen werden? DaS iſt eine ganz verfehlte Forderung, und
wir müßſen verlangen, daß ihr unter feinen Umſiänden ſtattgegeben
wird,
Zur wirtschaftlichen Lage
Keine AuSbildung, und noch Schadenerſatz verlangt!
Das Verhalten eines Lehrhexrn, der nicht in der Lage war, die
Vertrags3pflichten gegenüber dem Lehrling zu erfüllen, und nocd
Schadenerfaß verlangte, al8 der Lehrling die Lehre verließ, erfuhr eins
icharfe Zurechtweiſung in ginem Urteil des Berliner Gewerbegericht3.
Es handelte fich um den Inhaber einer Fabrif *%**r <irurgiſche
Znſtrumente. Der Kläger war Lehrling im Betriebe des Beklagten, in
dem er al38 Chirurgiemechanifer ausgebildet werden ſfollbe. Jn den
eriten Monaten der Lehrzeit wurde der Kläger auch mit Arbeiten ſeines
Faches beſchäftigt. Dann kam der Krieg, und der Beklagte, der wenig
oder gar keine Arbeiten auf <irurgiſche Inſtrumente mehr hatte, über-
nahm Kriegs3arbeiten, die ſich für die Ausbildung eines Mechaniker-
lehrlings durchaus nicht eigneten. Zünderteile, Zeltſtöke, Kabelſchuhe
und ſchließlich auch Ofentüren wurden von dem Kläger und den
anderen Sehrlingen des Beklagten angefertigt. Erſt in bezter Zeit er-
hielt der Vater des Kläger8 Kenntnis von den Verhältniſſen im Betrieb
des Beklagten. Gr nahm de3Shalb nac< Verſtändigung mit dem Be-
Flagten ſeinen Sohn aus ider Lehre, nachdem ſchon die übrigen vier
Sehrlinge aus demſelben Grund den Betrieb des Beklagten verlaſſen
hatten. Der Kläger forderte nun Rückzahlung de3 Lehrgelde3 von
200 Mk. und 100 Mk. al3 Erſatz de3 Schadens, den er durch die Ver-
nachläſſigung ſeiner Ausbildung erlitten hat. Nach längerer Ver-
handlung ermäßigte die Mutter des Klägers, die ihren Sohn vertrat,
den freien: Gewerkſchaften zu: überantworten“. Alfs
nicht um der -Jugend willen, micht aus -Liebe “zu den heranwachſenden
- ſtehen.
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die „Geſamtforderung: auf den Betrag. von -150 Mb.;..in der. Lbſicht; zu
einem Vergleich mit dem Beklagten zu kommen. Dieſer aber lehnte nicht
- nur jede Zahlung ab, ſondern meinte, € r ſei ja durch die Auflöſung des
- Rehrverhältniſſes geſchädigt worden und könne de23halb ſelbſt Schaden-
- ixſas beanſpruchen! = Ea SO PELN,
Das Gericht verurteilte den beklagten Fabrikanten, die:450 Mk.: zu
zahlen. Jn der Urteilsbegründung erklärte der Vorſißende:: Düs
: Verhalten des "Beklagten “äl8."Lehrherr kann gar „nicht "ſcharf “genug
verurteilt werden. Während des “Krieges hatte er nur.ſol<s-Arbeiten,
die mit dem Beruf gines Chirurgiemechanikers in gar keiner Beziehung
Wenn der Beklagte reell handeln wollte, dann hätte er ven
Gltern des Lehrlings mitteilen müſſen, daß er nicht mehr in der Lage
ſei, ähren Sohn in der Chixurgiemechanik auszubilden, und ihnen den
Rücktritt vom Lehrvertrage. anheimſtellen müſſen. . Statt deſſen hat der
Beklagte iden Lehrling ruhig weiter behalten, obgleich er gar nicht“'die
Möoglichfeit hatte, ihn. nach den Beſtimmungen 'des Vertrages aus-
zubilden. Dieſes Verhalten des Lehrherrn kann mit einem parlamen-
tariſchen AusSdru> nicht bezeichnet werden. Die Forderung des Klägers
ijt durchaus berechtigt. -
Das Sparkaſſenbuch des Lehrlings,
Die Firma „Maſchinenfabrif. für Mühlenbau vormals Kappler" in
Berlin legt für ihre Lehrlinge Sparguthaben an, die ſo zuſtande
kommen, daß dem Lehrling für jede Arbeitswoche ein Spaxrgeld von
50 Pf. gutgeſchrieben und bei ider Sparkaſſe der Siadt Berlin auf den
Namen des Lehrlings eingezahlt wird. Dieſe Spareinrichtung 3jt im
Lehrvertrag ausdrüclich vereinbart. Aber im Vertrag wird auch geſagt,
daß nur die Firma zu beſtimmen Hat, ob das Sparguthaben nach be-
endeter Lehrzeit in das Eigentum des Lehrlings übergeht oder nicht.
Um dieſe Vertrags3beſtimmung handelte e3 ſich in einem Prozeß,
der vor der Kammer 5 des Gewerbegericht8 Berlin verhandelt wurde.
Der Kläger Hatte vier Jahre bei der beklagten Firma gelernt. Nach
veendeter Lehrzeit arbeitete er bei der Firma nicht weiter, ſondern
nahm in einem anderen Betrieb Arbeit als Schloſſergeſelle. DeShalb
machte die Firma von ihrem vermeintlichen Necht Gebrauch und ver-
weigerte dem Kläger das Eigentumsrecht an dem auf ſeinen Namen bei
der Sparkaſſe eingetragenen Guthaben von 105 Ver. -- Der Kläger
forderte, daß die Firma zur Heraus8gabe ſeines Sparkaſſenbuch3 ver-
urteilt werde. Der Vater des Klägers beionte, ex habe bei Abſchlufß
des BVerirag38 als ſelbſiverſtändlich vorausgeſe3t, daß der Sohn nach
beendeter Lehrzeit das Spargeld auch wirklich bekomme. Allie anderen
Zehrlinge, die als Gefellen bei der Firma Wweiterarbeiteten, Hätten die
Sparkaſſenbücher auch erhalten. Der Vertreter der Firma berief fich
Dagegen auf die erwähnte Vertragsbeſtimmung und meinte, die Firma
habe erwartet, daß dex Kläger noch ein paar Monate bei ihr arbeiten
Werde. Da er das nicht tat, habe er ſich die Verweigerung der Spar-
gelder felbit zuzuſchreiben. | -
Die Firma wurde zur Herausgabe des Sparkaſſenbucßes an den
Kläger verurteilt mit der Begründung: Wenn ſich die beklagte Firma
Das Mecht jichern wollte, die Aushändigung des Sparguthaben3 aus
irgendwelßen Gründen zu verweigern, dann hätte fie den Vertrag
anders abfaſſen müſſen, als es geſchehen iſt. In dieſem Punkt ſei der
Vertrag juriſtiſch fehr ungeſchickt gemacht. Die Sache liege ſ9: In dem
Augenblid, wo der Geldbetrag auf den Namen einer beſtimmten Perſon
gutgeſchrieben wird -- ſei e3 auch nur in den Geſchäftsbüchern der
Firma -- wird das Geld Eigentum der betreffenden Perſon. Crit recht
fei das der Fall bei Einzahlungen auf ein Sparkaſſenbuch. Das auf
Den Namen des Klägers lautende 'Sparkfaſſenguthaben ſei Eigentum
Des Klägers. Die Firma habe darüber nicht zu beſtimmen.
Soweit das Urteil, Schade, daß es nicht prinzipiell das Vorgehen
ver Firma würdigte! Es kann doch nimmer mit den auch für das
gewerbliche Leben geltenden „guten Sitten“ vereinbart werden, daß ein
Unternehmer einem Arbeiter den verdienten Lohn vorenthäl:, um ihn
an die AUrbeitsſtätte zu feſſeln, alfo die gejehßlich garantierte Frei
zügigleit des Arbeiters aufzuheben.
BIO (63 < RIET EREN EN
u FL CITOWOTZEN SSISSEGNC
(lat.), Aus8bruch; beſonders das mit donnerähnlichem Getöſe
verbundene, plößliche Hervortreten vulkaniſcher 'Stoffe aus idem
Jnnern der Erde. vun
Ironie (griech., dreifilbig,, Ton auf der Endſilbe), feiner Spott, der meiſt
darin beſteht, daß man das Gegenteil von dem zu ſagen ſcheint,
wa3 man meint, |
Krater (griech.), der keſſelförmige Schlund feuerſpeiender Berge.
Lava (ital., vom lat, lavyare == waſchen), der AuSwurf der Vulkane.
Monoton (griech., Ton auf der Endfilbe), eintönig.
Tribun (lat., Ton auf der Endſilbe), Wortführer der Volk8maſſen. -
ZS Br
den Leſern mitzuteilen, daß ſich der
bittet uns,
Schlußſaß ſeine3 ſchon vor längerer Zeit niedergeſchriebenen Artikels
Paul Schiller
„4us kampffroher Zeit“
nicht auf die jehigen Streitfragen in..der
Jugendbewegung bezieht. .
“
Verantwortlich für die Redaktion: Karl Korn, -- Verlag: Ir. Ebert (Zentralſielle für die arbeitende Jugend Deutſhland3). -“ Druck: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlags»
anſtalt Paul Singer & Co. Sämtlich in Berlin.