26 | ' Arbeiter-Jugend
ſofort eine Aenderung der Eigentums8verhältniſſe nach ſich zieht. ind. Der Lehrvertrag iſt daher eigentlich auch jekt genau ſo ein-
Die Menichen =- auf je niedrigerer Kulturſtufe ſie ſtehen, deſto
mehr -- haben die Neigung, an dem Ueberlieferten feſtzuhalten,
beſomder3 wenn e38 durd) Recht und Siite feſtgelegt iſt. So Jehen
wir, daß das gemeinſame Grundeigentum oft no<& Jahrhunderie
oder ſelbſt Jahrtauſende beibehalten wird, auch wenn ſchon längſi
jeder einzelne Stammes3genoſſe getrennt vom anderen ſeinen Acer
bewirtſchaftet. Häufig wird das Land einer Dorfgemeinde all-
fährli< unter deren Glieder neu verteilt. Heute ſind unjere
Produktion3mittel =- man braucht nur an unjere gewaltigen
Jabriken und unſere rieſigen Maſchinen zu denken -- jo umfang-
reich geworden, daß zahlreiche Menſchen, oft Tauſende, gemeinjam
an und mit denſelben Produktion3mitteln arbeiten; ja, unjere
ganze Volkswirtſhaft beruht geradezu auf ſolcher engen Ver-
Fnüpfung der wirtſ<aftlichen Tätigkeit aller Volk8glieder. Troß-
dem haben wir kein gemeinfames Eigentum an Produktion3-
mitteln, und daber auch) feine planmäßige Orgamijation der Volk3-
wirtſchaft, was wieder zur Folge hat, daß unſer Wirtichaftsleben
periodiſch die ſchwerſten Störungen erleidet, und daß durchaus
nicht die Geſamtheit der Volk8genoſſen ihre wirtſchaftlichen IJnter-
eſſen durc< die herrſchende Wirtſchaft8weiſe gefördert ſieht.
27 (Schtuß jolgt.)
Das gewerbliche Lehrverhälknis in der
Kriegszeit.
PB-6roh zu keiner Zeit ſind fo viele Streitigkeiten aus dem Lehr-
V 8 verhältnis zwiſchen den Lehrneiſtern und den Lehrlingen
& OT >u ſchlißten und zu entſcheiden geweſen al3 jezt während
de3 Krieges. Der Urſprung all der Differenzen liegt zur Haupt-
ſache darin, daß e38 unter den Wirkungen des Krieges außer-
ordentlich häufig ſowohl dem Lehrmeiſter als auc dem Lehrling
ſchwer, wenn überhaupt möglich iſt, das Lehrverhältnis in der
vereinbarten Weiſe fortzuſetzen. Der Lehrmeiſter iſt entweder zum
Kriegs38dienſt einberufen oder er muß eine andere, ſeinem eigent-
lichen Beruf fremde Beſchäftigung übernehmen, jo daß von einer
richtigen Ausbildung des Lehrlings keine Rede ſein kann. Häufig
muß der Lehrmeiſter auch infolge de8 Mangel3 an Aufträgen oder
' an Rohmaterial ſeinen Betrieb ganz einſtellen. Der Lehrling
wiederum wird gleichfal8 in immer zahlreicheren Fällen zun
Seeres8dienſt einberufen oder er tritt freiwillig ein. Beſonders
häufig aber kommt e3 vor, daß e8 dem Lehrling und ſeinen Eltern
aus wirtichaftlicen Gründen unmöglich iſt, das Lehrverhältnis
fortzuſezen.
Zur Beurteilung aller aus8 dieſen Anläſſen entſtehenden
Streitigkeiten iſt zunächſt feſtzuſtellen, daß beſondere Ausnahme-
beſtimmungen (Notgeſeße und dergleichen) über das Lehrver-
hältnis für die gegenwärtige Krieg3zeit nicht erlaſſen worden
Klrtenezunenunen
Jugend.
et& 3 it ſchon gut zehn Jahre her, als ich eines Sonntags durch die
5 Y Straßen von Paris ſchlenderte. I< hatte gar nicht8 vor und
Es jvollte nur ſchauen und vielleicht hie und da Eindrücke ſammeln.
Aber da3 Leben in allen Großſtädten iſt an den Sonntagvormittagen
recht loer und nicht3ſagend; ſo war 2e3 auch in Rari3-an dieſem präch-
tigen Maientag. Ic ging dur<h den Garten des Palais Royal, beſah
mir das Denkmal von Camille De8moulin3, wanderte nach dem Louvre,
ſchritt am Seineufer dahin bi3 zum Stadthaus, und Überall traten mir
gu3 den Gebäuden, an denen i< vorbeikam, und aus den Straßen, die
iQ durchwanderte, geſchichtliche Erinnerungen entgegen. Aber ich hatte
an dieſem Tage keinen Sinn für die Vergangenheit. Die Gegenwart
Töſchte die Hiſtoriſchen Erinnerungen immer wieder aus. Die Sonne
lachte zu prächtig, die Luft war zu milde. Da ſah ich in der Nähe de3
Stadthauſes einen kleinen Seinedampfer liegen, und ein Schild ver-
kündete mir, daß er nah St. Cloud fahre. Mein Entſchluß war im
Augenbli> gefaßt. Ich zahlte einen Frank Fahrgeld, und kaum ati?
ich das Dampferc<en betreten, da fuhr e8 auch ſc<on los. 'Es waren
nur wenige Fahrgäſte auf dem Boot. Ich ſezte mich auf eine Bank
und ließ Pari3 an mir vorübergleiten.
E3 dauerte eine gute Weile, bis St. Cloud erreicht war. Die
Sonne hatte die Mittagshöhe längjt üerſchritten, als der Dampfer in
'dem Städtchen anlangte. Der Ort ſelbſt bot nichts Beſonder2e38; doch
ſtanden zahlreiche Menſchen wartend. in den Straßen, und einige
Häuſer waren beflaggt. . Auf meine Frage wurde mir mitgeteilt, daß
gleich die Spißengruppe aus einem Siraßenradrennen eintreſfen
müßte. Dafür intereſſierte ich mich nicht. I< wanderte daher nach
der Stätte de3 ehemaligen Schloſſes von St. Cloud und beſah mir die -
berühmte Kaskade, deren: Waſſerſpiele aber nicht im Gange waren.
Dann verlor ich mich in dem prächtigen Park von St, Cloud. Hier war
zuhalten wie in Jrieden3zeiten und wie da3 Geſetz oder der Ver-
trag vorſchreibt; er kann auch -nur aus den dort angegebenen
Gründen aufgelöſt werden. Allerdings nehmen alle dieſe Be-
ſtimmungen auf die Krieg3wirkungen keine Rücjic<t. Die Recht-
iprechung hat daher mehrfach bei ihren AuSlegungen den BVor-
ſchriften einige Gewalt antun müſſen. Da über manche diejer
Streitfragen allgemein no< Unkenntnis herrſcht, ſeien einige
Fälle hier erbrtert. . .
Kann der Lehrmeiſter den vertraglichen Verpftlichtungen hin-
ſichtlich der Ausbildung des Lehrlings nicht nachkfommen, ſo iſt.
das für dieſen ein geſekßlich berechtigter Grund, da3 Lehrverhaltni3
aufzuheben. DaS iſt 3. B. der Fall, wenn der Lehrmeiſter zum
Heere3dienſt eingezogen wird und ein geeigneter, zur Anleitung
von Lehrlingen befügter Stellvertreter nicht vorhanden iſt, auch
wenn nur andere, nicht zum Berufe gehörige oder lediglich
medaniiche Arbeiten fortgeſeßt zu erledigen ſind. So haben bei-
jpiel3weiſe ſchon einige Gewerbegerichte entſchieden, daß jtändige3
Granatendrehen keine Lehrling8ausbildung ſei; die Arbeiten an
Granaten könnten auch von Arbeit3burſc<hen geleiſtet werden. Der
Lehrling hat e8 natürlich nicht nötig, „auszuſeßen“, bis die ver-
trag8mäßige Ausbildung wieder fortgeführt werden kann. Sehr
oft ſchreiben Lehrmeiſter aus dem Felde, ſie „gäben ihre Lehr-
linge nicht frei“, e3 ſei denn, daß dieſe nach dem Kriege die Lehr-
zeit nachholen würden. Solche Auffaſſungen ſind natürlich ganz
unhaltbar. Selbſt angenommen, der Lehrling trete nach der
Unterbrechung wieder bei demſelben Lehrmeiſter in die Lehre
(wozu er, wie ſchon angegeben, gar nicht verpflichtet iſt), ſo hat
er e8 nicht nötig, die verſäumte Zeit ſpäter nachzuholen, denn an
dem „Verzug“, wie die Juriſten ſagen, war der- Meiſter, nicht der
Lehrling ſc<uld.
Die Handwerk8kammern haben nun überall beſondere Lehr-
ſtellenvermittlungen für die durc< die Krieg8wirkungen beſchäfti»
gung8lo3 gewordenen Lehrlinge eingeführt. In der Regel wird
e3 dem Lehrling lieb ſein, wenn für ſeine weitere Ausbildung in
dieſer Weiſe geſorgt wird, doch iſt er nicht verpflichtet, ſich
ſolche Veränderungen gefallen zu laſſen; er kann die Berjehung
in eine andere Lehrſtelle ablehnen. Streitig iſt die Frage, ob der
Lehrmeiſter verpflichtet iſt, die im Vertrag feſtgelegte Entſc<ädi-
gung zu bezahlen, wenn es ihm durc< den Krieg unmöglic< wird,
den Lehrvertrag, ſo, wie er geſchrieben ſteht, zu erfüllen. In der
Mehrzahl der Fälle ſind die Entſchädigungsanſprüche der Lehr-
linge abgewieſen worden. Die Gerichte haben geſagt, die BVer-
trag3erfüllung ſei dur<ß Umſtände unmöglich geworden, die nie-
mand zu vertreten habe (8 323 des Bürgerlichen Geſegbuch8), an
denen alſo niemand eine Schuld trage. Aus denſelben Gründen
haben e3 die Gerichte auch ſ<on abgelehnt, die Lehrmeiſter zur -
Jortzahlung des Lohnes für den nichtbeſchäftigten Lehrling zu
verurteilen. Auf alle Fälle wird freilich die „Unmöglichkeit der
vertraglichen Leiſtung“ nicht zutreffen. So hat beiſpiel3weiſe
gt fein; die alten Gihen und Buchen des Parkes machten die Weg2
ſo ftill und dämmerig. Dann aber kamen wieder weite grüne Raſen=
pläße, auf denen ſich fröhliche Menſchen im Spiele tummelien oder an
den Rändern der Haine und Waldſire&en behaglich lagerten.
Schon ſeit einer Weile hatte ich an den Stämmen der Väume hie
und da Zettel bemerkt, die mit einer Stecknadel angeheftet waren. J<<h
trat an einen der Bäume heran. Auf dem kleinen weißen Zettel ſtand
mit Rotſtift geſchrieben: „La jeunesse“ (Die Jugend); darunter war
ein Pfeil angebracht. Faſt unwillkürlich folgte ich nun der Richtung,
die der Pfeil wies. Jc<h wanderte faſt eine Stunde lang. Da mündete
der Weg auf eine weite grüne, im Sonnenglanz daliegende Wie, auf
der ſich Hunderte von jungen Leuten im Spiel und Tanz tummelten.
Andere Schaven lagerten auf der Wieſe und ſahen dem Treiben zu.
Sch ließ mich auf dem Raſen nieder und ſah ebenfall3 zu. Aber
nicht lange war ic< ein Ginſamer. Ein großes blondes Mädchen im
Begleitung eine8 jungen Manne3 trat auf mich zu und lud mich ein,
doh näher zu fommen. Dieſe einfache und herzliche Ginladung ließ
ich mir natürlich nicht zweimal ſagen und geſellte mich mit den Ein-
ladenden al8bald einer größeren Gruppe junger Leute zu, deren Her3-
lichfeit und Freundlichfeit um ſo größer ijvurde, als jie an meiner
Ausſprache erkannten, daß ich ein Fremder ſei. Ich hatte ichon bemerit,
daß in dieſer Gruppe etwa3 Beſondere3 vor ſich ging. Die junger
Mädchem waren mit Schere und Nadel beſchäftigt, ihre weißen und
licten Kleider mit bunten Schärpen auszuſtatten; fie verfertigten und
probierten Hauben und anderen Kopfpuß. Die jungen Männer ver-
wandelten ihre Kleidung ebenfalls mit Hilfe der Mädchen. Andere
junge Mädchen und Burſchen übten Gedichte ein -- kurz, es war ein
etwas geheimni32volles und auf eine Ueberraſchung Hhinzielendes Treiben.
Wenn ſich aus anderen Gruppen jemand näherte, dann wurde er mit
Lachen und Scherzen raſch verjagt. Ic< wurde in das Geheimnis ein-
geweiht: man wollte Bilder ſtellen und dazu Gedichte vortragen.