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Eingetragen in die Poſt- Zeitungsliſte,
"Nr.2?
Die freie Jugend. .
er Leitſtern unſerer Jugendbewegung iſt der SozialiömuS.
Sie heißt de3halb auch die ſozialiſtiſche Jugendbewegung.
Dasſelbe beſagt übrigens auch die Bezeichnung „proletariſche
Jugendbewegung“, denn da8 Proletariat, zu dem ſich unſere
Jugend bekennt, iſt nac< neuerem Sprachgebrauch die ſich nls
Klaſſe fühlende und politiſch al38 Klaſſe auftretende Arbeiterſchaft,
und es iſt nachgerade ſelbſtverſtändlich, daß der Inhalt dieſes
Klaſſengefühls, das Ziel dieſe3 politiſchen Klaſſenwillen8 nichts
al8 der SozialiSmu3 ſein kann. Wir ſind alſo die Jugend des
Proletariat8, der ſozialdemokratiſchen Arbeiterklaſſe, ſind die
ſozialiſtiſche Jugend. Daß alle dieſe Benennungen uns aber das
ichlichte Wörtlein frei erfezt, und daß wir uns mit Stolz die
freie Jugendbewegung nennen, verdanken wir einem Recht, das
jich die Arbeiterklaſſe geſchichtlich erworben hat, und auf das anch
wir, als ihre junge Generation Anſpruch erheben dürfen. Es be-
deutet, daß der SozialiSmus die 'Sache der Freiheit iſt. Der
Höhengedanke der Menſc<heit, das Licht, das aller nach vorwärt3
und aufwärts gerichteten Entwieklung unſeres Geoſchlec<hts voran-
leuchtet, eben die Freiheit, iſt gleichbedeutend mit dem Hochziel des
Soziali8mu8, der um ihr Menſchenrecht, um Befreiung aus poli-
tiſcher Hörigkeit und wirtſchaftlicher Knechtung ringenden Ar-
beiterklaſſe. Frei iſt ſozialiſtiſch, und de8halb iſt die ſozialiſtiſche
oder proletariſche Jugendbewegung ſchlechtweg die freie Jugend-
bewegung. Wobei wir uns aber ſtet8 vor Augen zu halten haben,
daß der Anſpruch, von dem eben die Rede war, etwas iſt, das wir,
die ſozialiſtiſche Ingend, eher noch zu erringen haben, als daß wir
uns ſchon in ſeinem Beſiß. ſicher fühlen dürften. Denn von nichts
mehr, als von ſolchen hohen Gütern, wie ſie die VMenſchheit3ideale
darſtellen, gilt das Dichterwort: „Was du ererbt von deinen
Vätern haſt, erwirb e8, um e38 zu beſiken.“ Unſer Bekenntnis:
vir ſind die freie Jugend, will alfo ganz beſcheiden ſo verſtanden
Jein, daß wir die freie Jugend ſein wollen.
Aber noc< aus einem anderen Grunde nennen wir uns die
freie Jugendbewegung. Wie die älteren unter unſern Leſern
wiſſen, iſt über das Verhältnis, in dem die Jugend des Prolc-
tariat8 zu der Partei der Sozialdemokratie ſteht, und über die
Art, wie dieſe8 Verhältnis am klarſten aus8gedrückt werden ſol,
auf Kongreſſen der ſozialdemokratiſchen Partei ſowohl, wie auf
Zuſammenkünften unſerer Jugendbewegung viel beraten und ge-
redet worden. 'E38 war auch keine unwichtige, lodiglich die Firma
unſerer Bewegung betreffende Dis8kuſſion, die da gepflogen wurde,
ſondern in der Formulierung jene8 Verhältniſſes ſollte zugleich
das eigentliche Ziel unſerer Jugendbewegung begrifflich erfaßt-.
werden. Daß unſere Jugendbewegung vin Sproß der ſozial-
demokratiſchen Arbeiterbewegung ſei, war in allen dieſen Au3«
- einanderſcezungen von vornherein au8gemacht, denn es war ja die
Sozialdemokratie, die ſie in8 Leben rief und die denn auch im
- Lauf der Jahre ihr wiederholt bekräftigtes Verſprechen, die freie
Jugendbewegung mit Rat und Tat unterſtüßen zu wollen, hun-
dertfac<h wahrgemacht bat. Aber ebenſo klar war man ſich gerade
in den Kreiſen der Partei, die politiſch unſerer Bewegung das
größte Verſtändni3 und rein menſchlich der heranwachſenden
Zugend die liebevollſte Teilnahme entgegenbrachten, daß die
proletariſche Jugendbewegung nicht einfach als ein Beſtandteil des
Parteiorgani8mus8 aufgefaßt werden könne. Dem ſtanden ſchon
die geſeßlichen Beſtimmungen im Weg. Zur ſelben Zeit, als die
„freie Jugendbewegung in ihrer jehigen Form in3 Leben gerufen
wurde, hatte gerade da38 neue, heute no< gültige deutſche Verein3-
.
Berlin, 26..Januar
Expedition: Buchhandlung Vorwärts, Paul
Einger G. m, b.
b. H, Lindenſtraße 3. Alle Zu- 191 8
ſchriffen für die Redaktion ſind zu richten mer
au Karl Korn, Lindenſtraße 3, Berlin SW. 63
»»
recht Geſetze3kraft erlangt. Darin war beſtimmt, daß junge Leute
unter achtzehn Jahren ſich politiſch nicht betätigen dürften, daß
jie weder ſelbſt politiſche Vereine bilden, noch beſtehenden poli-
tiſchen Vereinen als Mitglieder beitreten, ja noc< nicht einmal
öffentlichen politiſchen Veranſtaltungen beiwohnen dürften. EZ
war alſo ſchon aus geſfeßlichen Gründen ausgeſchloſſen, daß unjere
Bewegung als organiſatoriſches Glied der ſozialdemokratiſchen
Partei eingerichtet wurde. |
Um aber auch noch den leßten Schein zu meiden, als ſei e3 auf
eine Geſekze8verlezung abgeſehen, und jedem Vorwand verfolgungs-
jüchtiger Amtsperſfonen von vornherein die 'Spie abzubrechen,
wurde für die neue Jugendbewegung überhaupt die Vereimsform
aus8geſchloſſen. (E38 wurde die ſogenannte loje Form der Be-
wegung gewählt, jene Art des Zuſammenhalts, die alle Leſexzgſa
aus der täglichen Praxis der Bewegung kennen, denn ſie iſt in-
zwiſchen nicht geändert worden. Danach wurden aljo überall, wo
Arbeiterjugend, d. h. Lehrlinge und jugendliche Arbeiter und
Arbeiterinnen, in nennen3werter Anzahl vorhanden war, Jugend-
ausſchüſſe eingeſeßt, in die regelmäßig auch von der Jugend Ver-
treter entſandt werden. Da3 einigende Band der Bewegung war,
und iſt auch heute no<, allein unſere Zeitſchrift „Arbeiter-
Jugend“; wer die Zeitſchrift hält, gilt al8 Anhänger unſerer Bo-
wegung. An der Spiße des Ganzen ſteht die Zentralſtelle für die
arbeitende Jugend Deutſc<lands, in der neben Mitgliedern des
ſozialdemokratiſchen Parteivorſtands und der Generalkommiſſion
der Gewerkſchaften Deutſchlands wieder, wie in den örtlichen Au3-
Ichüſſen, die Arbeiterjugend ſelbſt durch gewählte Vertrauens3-
verſonen vertreten iſt.
EZ iſt alſo dafür geſorgt, daß unſere Bewegung, wie ſie den
geſetzlichen Beſtimmungen Rechnung trägt, auch das Selbſtbeſtim-
mungs3reht der Jugend wahrt. Jn ihrer äußeren Form der jtaat-
lichen Jugendpflege vielfach ähnlich, unterſcheidet ſie fich, abgeo-
ſehen von den Zielen, doh eben darin weſentlich von dieſer, daß
die Jugend ſelber in ihr mitratet und -tatet, während in der ſtaat-
lichen Bewegung und auch in den leitenden Körperſchaften der
konfeſſionellen, ſogenannten bürgerlichen Jugendbewegung die
Verfreter der Staat8- und Militärbehörden, überhaupt allerlei
älteve Reſpekt3perſonen, in den konfeſſionellen Bewegungen be-
ſonder3 auch Geiſtliche, das Heft in Händen haben uhd die Jugend
: nichts mitzureden hat, wenn über ihr Schiſal entſchieden wird.
Deshalb iſt die freie Jugendbewegung auc< in ihrer Leitung
wirklich eine Jugend bewegung, nicht, wie jene, lediglich
Jugend pflege, und ſie iſt e8 genau in dem Grade, als die
Jugend ſelber durch Eifer und Klugheit ſic< in ihren leitenden
Körperſchaften durchzuſetzen verſteht.
Aber die Jaem unſerer Bewegung wurde nicht nur durch die
NüEſicht auf df& geſezliche Zwangslage beſtimmt. Auch um der
Jugend ſelber willen wurde vermieden, die neue Bewegung zu
einem organmiſatoriſcen Teil des parteipolitiſchen Apparat3 zu
geſtalten. Die Jugend iſt, das Wort richtig verſtanden, zu gut
und doch noß nicht „gut genug“ für die Politik. Damit iſt fol-
gendes gemeint. Die Arbeiterjugend iſt zu nm- für die Politik,
denn ſie iſt jung und hat, wie alle Jugend, ein Recht auf den
Jrohſinn und die unbekiüimmerte Sorgloſigkeit der Jugend.
Dieſe8 ihr. Jungmenſchenrecht aber wird ihr ohnehin dur< die
gehudelte Stellung, die das Proletariat in der heutigen Gejell-
ſchaft einnimmt, böſe verkürzt. Unſere Jungen und Mädchen
müſſen in Fabrik, Werkſtatt und Kontor für de8 Leben3 Notdurft
„und Nahrung ſc<hwer ſchuften, während ihre glüclicheren Alter3-
'genoſſen aus anderen Bevölkerungsklaſſen aus dem Quell der
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