Arbeiter- Jugend
Bom Wandern in der Kriegszeik. -
Arbeit Heimkehrenden winden ſich ſchon hier und da Leutchen
in Wanderkluft, den Ruckjad auf dem Buckel, und ſtreben dom
Bahnhof zu. Hinaus ins Freie! = Sonntags in der Frühe. Yeoh)
wagt ſic) kaum die Morgenröte hervor, und das Dunkel kriecht erft
qanz langſam die Häuſer herab und in die Keller hinein, da trippelt
und trappelt es klipp und klapp aus Straßen und Gaſſen heran
und ſammelt ſic; zu Horden vor den. Bahnſteigen und füllt, wie die
Heringe eingepökelt, die erſten Züge. Und von den Höhen hört man
ſie dann ins Land hinausjubeln, die „Wandervögel“, wie der Volks8-
mund heute all die fahrenden Geſellen ohne Rücſicht auf Herkunft
und Denkungs8art bezeichnet; man begegnet ihnen in einſamen
Dörfern und lauſcht, wenn ihre Lieder über den See herüberſhallen.
Jugend iſt es meiſt, goldene, lebenjauchzende Jugend mit blikblanken
Augen und flinken Beinen; und jung wird auch in ihrer Mitte, wer
Sure Spätnachmittag.
jc<on einige --zig Jahre auf dem Rüden hat. -
Herrgott, iſt das eine Freude!
Wenn man vor Jahren ſo los830g, da tippte alt und jung vici--
ſagend an die Stirn und wic) mit dem feingeplätteten Sonntagqu»-
ſtaat ſorgſam aus, wenn der „Touriſt“ vorüberkam. Heute iſt vom
Sonntagsſtaat kaum noch was. zu merken; Nagelſtiefel, kurze Hoſen
oder Röcke, freier Hals und bloßer Kopf und Rucdfack und Klampfe,
das iſt =- von den Hamſtern abgeſehen -- in der öSrühe und ſpät
am Abend das -
hat es bereits damit angefangen, und in nie geſehenem und geahnteimn
Mae hat der Krieg das Wandern in Stadt und Land volkstümlich
gemacht.
Gaſt möchte man jagen, das Wandern iſt Veode geworden.
Leider. Denn =- Hand aufs Herz! =- für viele, beſonders für vie!
Jugendliche iſt das Wandern nur ein Tanzbodenerfat. Was jonſt
der Tanzſaal bot, ſoll in etwas anderer Form die Wanderfaört
bringen: Radau, Masferade, .Rouſfieren = aind dann ſind die
Wandermanieren auch danach. Es gibt Mie3Zmacher, die nur noch
Wanderfaßken und Wanderflegel3 jehen, und Aeltere in unjeren
Reihen, die de3halb das ganze Wandern in Grund und Boden hinein
verdammen. Das iſt unrec<t. Wenn die Tanzſäle wieder eröffnet
werden, wird das Gedränge in den Sonntag8zügen geringer werden;
'aber viele, fehr viele unter den Jugendlichen, .die ſonſt aim Sonntag
nuk die öde Kneipe kennengelernt haben würden, denen ſind 'doch
Herz und Sinne beini Wandern aufgegangen, und ſie werden dein
Ruckſa> treu bleiben.
Dabei hat man's uns wahrhaftig ſchwer genug gemacht mit dein
Wandern. Wirft uns Knüppel und Steine auf den We,
Durch das Gedränge der von der
Sonntags5bild der ſtädtiſchen Bahnhöfe. Vor dem Krieg
je in uns nur die faulenzenden Städter, die hamſternden Munitions-
arbeiter oder gar Tagediebe, die die Kartoffelmieten ausrauben
und die Pflaumenbäume plündern.
VBiSweilen haben fie nicht ſo unrec<t, wenn ſie uns mit ſjcheelen
Augen anſehen und mit unwilligen. Blicken verfolgen. Die räudigen
Schafe fallen immer am eheſten auf, allein ſchon de3halb, weil ſie
ſich am meiſten an die Oeffentlichkeit drängen. Und ſchön iſt es
nicht, wenn man ſo manche, die ſich „Wandervögel“ nennen, aber
im Leben keine ſind, in einem Aufzug daher kommen ſiebt, der wohl
in ein Affentheater paßt, aber nicht in geld und Wald und ſtille
Dörfer. Und die Muſik -- da wäre auch ein Liedlein davon zu ſingen.
Müſſen e8 denn immer Gaſſenhauer und die neueſten Schlager jein?
Gibt es kein andere3 Lied mehr als das ſc<hauderhafte, durch ganz
Deutſchland geplärrte „Ein jeder liebt 'ne Maid"? Müſſen gerade
die am lauteſtenſingen, die mitten im 'Stimmbruch ſind, oder die, die
die Klampfe ſpielen, die davon keine Ahnung haben? Müſſen denn
immer dieſe Wimmerſchinken von Mandolinen herzzerreißend und
ſteinerweichend abgezupft und abgezittert werden? Man kann ' es
manchmal wirkliß dem Förſter nicht verdenken, der ſchon um des
Lärmes willen die Nuhe ſeines Forſtes nicht geſtört haben will, und
dem Bauern, der einer Horde, aber wirklich einer „Horde“, die
Tür vor der Naſe zuſchlägt. Weiß ddr Himmel, ic< bin der letzte,
der die Jugend zur Sittſamkeit und zu tugendſamem Betragen
ermahnt. Aber dafür muß jeder ein Gefühl haben, was fich ge-
hört und' was nicht. Und es gibt, folch eine einfache Richtſchnur.
für Wandersleute, alt und jung: ſich aufdrängen, in
irgendeiner Jorm auffallen, das iſt nicht t Wan-
derer3 Art. Deſjen muß jeder von uns, deſſen
mußbeſonder38 jeder Führer auf Wanderfahr-
ten eingedenk jein.
Wir wollen gerecht ſein. Wenn Dummheiten und Ungezogen-
heiten vorkommen, dann iſt wohl nur ſelten böſer Wille mit im
Spiel, und. die meiſte Schuld trägt der Krieg, der die beſten Er-
zieher und Vorbilder in den bunten Ro> gezwungen hat, der
daheim und draüßen die Sitten verroht und draußen und daheim
Haß und Unverträglichkeit j ät. |
Aber wir müſſen den Krieg Überwinden. Gerade die ax-
beitende Jugend. Wir müſſen uns deſſen bewußt ſein, daß auf
unjeren Augen die Zukunft ſteht. Was der Krieg an falſcher
Erziehung leiſtet, müſſen“ wir durc< eigene Erziehung, durch
Stärkung de38 Verantwortlichkeit8gefühl8 wieder gut machen. Und
feine Gelegenheit taugt beſſer dazu, als die- Wanderung, bei der
ellt. Geſeßesfallen auf, hebt Paragraphenhunde auf uns
und ſucht uns in ein Netz unzähliger Schifanen: zu ver-
ſtricken. Mit der Eiſenbahn fängt e8 an. 'So mancher
hat ichon Scherereien und Aerger gehabt, wenn er die
Regitimation zu Hauſe gelaſſen hatte. Fahrkarten gibt
es nur nach oft ſtundenlangem Anſtehen oder gar nicht,
oder ſie ſind für die untere Klaſſe ausverkauft. O9 der
Zug einen mitnimmt, hängt oft.nur von dem guten Willen |
der Mitreiſenden oder den eigenen kräftigen Ellenbogen |
ab. Vor dem Krieg gab e3 allerhand FahrpreigSermäßi- - ib
gangen; nunmehr muß man die vermehrten Unbequem-
lichfeiten mit erhöhten Preiſen bezahlen. Zum. Ausgletch
wurde die Zahl der Züge vermindert, der Sonntags8verkehr
auf manchen Stre>en faſt ganz unterbunden. Wie oft 5
ichon hieß es bei den lezten Zügen: „Wandervögel müſſen .
„zurückbleiben, können morgen früh fahren.“ Und auf der
Wanderfahrt hat man Gendarmen und Militärpatrouillen,
ZJagdbeſiker und Förſter, Dorfbüttel und Nachtwächter
auf uns gebhekßt. Abkochen darf man nicht, Pilze und
Beeren ſammeln darf man nicht. Im Freien zur Nacht
Fkampieren darf man nicht. Und obendrein ſehen die
Bauern: und die „Mitreiſenden im Zuge jekt mehr denn
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