Full text: Arbeiter-Jugend - 10.1918 (10)

 
- u | Arbeiter- Jugend 175 
 
 
Quadratkilometer Fläche; da38 iſt ſehr wenig im Vergleich etwa zu 
Deutſchland, wo durchſchnittlich auf derſelben Fläche 120 Menſchen 
wohnen. Aber der'Grund für dieſe außerordentlich geringe Volls- 
dichte Turkeſtan8 wird uns jofort klar, wenn wir bedenken, daß in 
manchen Bezirken bloß 0,5 Proz., im günſtigſten Fall höchſtens (in 
der Provinz Ferghana) 9 Proz. de8 BodenZ3 Külturland ſind; alles 
übrige iſt Steppenweide oder gar Wüſte. Im Bezirk des Amu- 
Darja nimmt die Wüſte ſogar 84 Proz. der Geſamtfläche ein. Der 
größte Teil Turfeſtans 
 
» 
gewurzelte, altorientaliſche Kultur lebte und daß die Bevölkerunz 
faſt durchgänoig aus Mohammedanern, noFg dazu aus bejonders 
fanatiſchen Mohammuedanern, beſteht. Auch heute befinden ſich di! 
Einheimiſchen durc<au3 in der erdrüenden Mehrzahl; nur eine ganz 
kleine Minderheit beſteht aus Ruſſen. Um ſo eigenartiger mutct 
e8 un38 an, daß die Ruſſen in auffallend kurzer Zeit Ruhe und 
Sicherheit im Lande herſtellten und geradezu überraſchende wirt- 
ſchaftliche Erfolge erzielten. Unleugbar haben ſie hier organiſatorijch 
ein hervorragendes 
 
iſt alſo für die Be- 
ſiedlung wertlos. Und 
doc iſt das Land nicht 
allein heute, ſondern 
auch in Z.'kunft für 
Rußland von dergröß- 
ton Bedeutung. Dabei 
erfolgte ſeine Anglie- 
derung, ohne daß man 
e3 eigentlich damals 
wollte, unter dem 
Zwang ſtrategiſcher 
Verhältniſſe und ſein 
wirtſchaftlicher Wert 
als Kolonialgebiettrat 
erſt mit der jüngſten 
Periode kapitaliſtiſcher 
Entwicklung in Exr- 
ſcheinung. = Yean 
darf die äußere Poli- 
Jekaterinburg 
Samara 
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| foloniſatoriſches Ge- 
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nurmöglich auf Grund 
der te<hniicen und 
kapitaliſtiſchen Ents- 
wicklung. Ohne die 
Eiſenbahn hätte Tur- 
keſtan weder erobert, 
nod) politijch gehalten, 
nod) wirtſchaftlich er- 
ſchloſſen werden kön- 
nen. = Die erſte Bahn, 
die na<c Turkeſtan 
hineingeführt wurde, 
trug reiwſtrategiſchen 
Charakter. Sie nahm 
am Oſtufer des Kaſ- 
piſchen Meerce3 ihren 
Ausgang, an einent 
 
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gier bringen. Die ſtän- - . == menen fonnte der 
dige Ausdehnung des zzz= Bahnbau damals in 
 
 
Reiches war in vieler 
Beziehung mehr eine 
Vorteidigung8maßregel, die „Jagd nach einer Grenze“, wie man es 
einmal treffend bezeichnet hat. Rußland, das Land der weiten, 
iGrankenlofen Ebenen, - brauchte, um ſich gegenüber den übrigen 
- Großmächten zu behaupten, nicht nur genügend Ausgänge nach dem 
Meere hin; es mußte auch ſeine Binnengrenzen, vor allem in Aſien, 
gegen die Einfälle räuberiſcher Nomaden ſchüßen und mußte hier 
fernerhin ſeine Grenzen aud) derartig legen, daß e3 gegen koloniale 
Eingriffe anderer Staaten, in Aſien vor allem gegen England und 
Japan, geſichert war. 
Von dieſem Geſic<t3punkt aus iſt die Eroberung Turkoſtans 31 
verſtehen. Es galt, die hier wohnenden kraftvollen Icomadenſtäiimme 
zu unterworfen, um Weſtſibirien. zu ſichern; dann aber wollte man 
den Engländern, die von Indien und vom Perſiſchen Meerduſen 
her na< Norden vordringen konnten, den Weg verlegen. Dicſe 
beiden verſchiedenen Zwee, die mit der Angliederung Turkeſtans 
verbunden waren, ſpiegeln ſich deutlich in den Etappen wider, “in 
denen die Eroberung erfolgte: Das Gebiet zu beiden Seiten des 
Syr-Darja wurde in der Zeit von 1864--1868 unterworfen, das am 
Anwu-Darja von 1868-1873, und die ſüdlicßken Provinzen folgten in 
ven Jahren 1873--1886. 
- Die Unterwerfung Turkeſtans ging nur unter erbitterten Kämp- 
fon vor ſi<. Man muß immer bedenken, daß hier eine feſt ein- 
Turkeſtan mit dem zenkralaſiafiſchen Eiſenbahnneß. 
den ſiebziger Jahren 
nur etappenweite fort- 
ſihreiten. Seute beginnt die Bahn bei KraSnovodsk am Kaſpiſchen 
Meer und führt über Aſchabad, Merw, Buchara nac) Santarkand, 
das 15 Jahre lang ihr Endpunkt war. Schwierig war der Bahnbau 
beſonders infolg2 der notigen Üeberbrükung der breiten, verwil- 
derten und in ihrem Waſſerſtand ganz ungleichmäßigen Flüſſe und 
infolge der ſtändigen Gefahr der Sandverwehung in den' Wüſten- 
Jebieten. 
Von Samarkand wurde die Bahn zunächſt, noch) im neunzohntken 
Jahrhundert, in doppelter Richtung verlängert, einmal nac Taſch- 
font und dann durch die Landſchaft Ferghana bis Andiſchan. Ferghana 
iſt eine Hochebene oon etwa 400 Kilometer Durchmeiſer, etwa 100!) 
Meter hoch gelegen und von Gebirgen umgeben, die eine Höhe dis 
7000 Meter erreichen. Man nennt das Gebiet ſeiner unerſi<opflichen 
Fruchtbarkeit und ſeines günſtigen Klima3 wegen den Garten Aſien3; 
es ernährt beute etwa 3 Millionen Menſchen. Von Kra3novod8k 
am Kaſpiſchen Meer bi8 Andiſchan, der Hauptſtadt von Ferghana, 
durc<fährt der Zug über 2000 Kilometer. 
Eine andere, beſonders politiſch ſehr wichtige Linie führt von 
Morw na< Süden bis zur afghaniſchen Grenzſtadt Kuſchk; es iſt die- 
jenig2? Bahn, die ſich dem engliſchen Einflußgebiet in Aſien am 
meiſten nähert. In Ferghana erſchließt ferner eine von Kokan 
ausgehende Bahn das Petroleumgebiet von Namangan. (Schluß folgt.) 
 
 
    
  
  
 
 
[76:2] Aus der Jugendbewegung [5585 
 
Bezirks3jugendkonferenz in Berlin, 
Der Bezirksjugendaus8ſchuß Groß-Berlin veranſtaltzte am. Sonn- 
tag, den 13, Oltober, ein? Konferenz der Jugendlichen jeines Bezirks, 
die durch einen Vortrag de8 Genoſſen Ko rn Über die bürgerliche Ju- 
gendbewegung zingeleitet wurde. Der Referent kennzeichneie dieſe Be=- 
wegung als eine von Angehörigen der bürgerlihen Klaſſen in bürger- 
lichem Sinne geleitete Bewegung, die ihren Anhang in den Kreiſen 
der proletariſchen Jugend ſucht: Eine derartige Beeinfluſſung kann ſich 
die Arbeiterklaſſe natürlich nicht g2fallen laſſen. Der Redner beſprach 
die organiſatoriſchen Einrichtungen und die Beſtrebungen der verſchie- 
venen Gruppen der bürgerlichen Jugendbewegung und legte zum Schluß 
dar, wie die proletariſche Jugendbewegung im Zuſammenhang mit der 
allgemeinen Arbeiterbewegung entſtanden iſt. Sie, könne desShalb auch 
nur im Zuſammenhang mit der allgemeinen Bewegung des Proletariais 
gedeihen und ſei m ihrem Geſcn> abhängig davon, wie ſich die allge- 
meine politiſche Situation des Proletariats geſtalte, 
Genoſſe Weiman.n ſprach über die geg2nwärtige Situation der 
Arbeiterjugendbewegung. Er führte unter anderem aus: Unſere Be- 
wegung iſt während des Krieges bedeutend zurücgegangen, Zum Teit 
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iſt das zurückzuführen auf die mit dex Parteiſpaltung in Verbindung 
ſtehenden Zariplitlerungsbeſtrebungen der Jugendbewegung, hauptſäch- 
lich aber ef die befannten allgemeinen Folgen des Krieges. Neuer- 
dings aber iſt der Rüdgang der Bewegung zum Stillſtand gekommen, 
ja in vielen Orten iſt ſchon wieder ein bedeutſamer Fortſchritt eingetve- 
ten. = Unſere Bewegung wird auc< beeinflußt durch die verändert2 
Stellung, welche der Krieg den Jugendlichen im Wirtſchaftslebea zu- 
gewieſen hat. Schwere und verantwortung8volle Arbeiten, die ſonſt 
nur von Erwachſenen ausgeführt wurden, werden jekt von Jugendlichen 
geleiſtet. Dieſer Zuſtand wird auch noch einige Zeit nach dem Kriege 
anhalten. Auf ihn und ſeine Folgen müſſen wir hinweiſen und das 
öffentliche Gewiſſen ſtärfen, damit den aus dieſen Verhältniſſen für die 
Jugend entſkehenden Gefahren vorgebeugt werde, Die Beſchäftigung 
Jugendlicher mit gefährlichen Arbeiten hat ſchwere Opf2r gefordert. 
Die Zahl der ſchweren Verlehungen jugendlicher Arbeiter iſt auf 2851 
im Jahre 1916 geſtiegen. Da3 zeigt uns, wie notwendig die Forderung 
des Schußes der jugendlichen Arbeitsfraft iſt, Was wir nach dieſer 
Richtung hin fordern, beſagt zin der heutigen Konferenz vorliegender 
Antrag. Er loutet; . . 
„Die Konferenz der Jugendausſchüſſe Groß-Berlin erſucht die 
. Zentralſtelle, ungeſäumt geeignete Schußmaßnohmen für Jugendliche, 
die mit ainſeren erzieheriſchen „Grundſätzen im Ginklang ſt2hen, für die 
UVebergang3wirtſchaft vorzuſ&lagen. Hierzu würden vor allem gehören:
	        
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