Arbeiter- Jugend
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Beoſonder3 geſteigert werden kann die Leiſtungsfähigkeit der
Naſe dadurch, daß die Luft ſtärker als dur<ſchnittlich nach der Ge-
ruc<sregion hin eingeſogen wird, indem durc< beſondere MuStkeln die
Naſenlöcher rec<t weit geöffnet werden, eine Bewegung, die man als
Schnüffeln, Wittern oder Spüren bezeichnet. Stets kommt cine
Geruch8empfindung nur beim Einatmen zuſtande; beim AuSsatmen .
wird nichts gerochen, ſelbſt, wenn die Ausatmungsluft riechbare
Stoffe in Mengen enthält, ems Tatſache, die noch nicht ganz ein-
wandfrei erklärt werden kann. Auch riechen wir nicht8 mehr oder
doch nur ſehr wenig, wenn dic Luft, die den riechbaren Stoff trägt,
uns einige Zeit armgeben hat; unſer Geruchsorgan wird raſch
ſtumpf; während das Auge den Gegenſtand, der vor ihm liegt, un-
ainterbrochen ſicht, wird die Naſe an Düfte, die ihr zuſtrömen, an-
genehme oder unangenehme, raſc< gewöhnt und vermittelt ſie nicht
mehr oder do<; nur erheblich abgeſchwächt. -
Den ſtärkſten Einfluß auf die Entwicklung unſeres Ge-
ruch3oraans haben ſicher diejenigen Gaſe ausgeübt, die mit der nvr-
malen Verdauung und der Verweſung zu tun haben, die Fäulnis-
gaſe. Sie wirken abſtoßend auf uns, und daß dies der Fall iſt, das
fommt wohl daher, daß im Laufe von vielen, vielo:t
Geſchlechterfolgen der Menſ< gelernt hat, daß überall da, wo
jenz Gaſe entſtehen, Stoffe vorhanden ſein müſſen, die ſeinem Or-
ganiSmus nadteilig ſind, die er beſeitigen muß, um ſich geſund zit
erhalten. Wa3 für den Menſc<en ſchädlich iſt, iſt cs aber noch lango
nicht für alle übrigen Lebeweſen, und dementſprechend können Tiere
ſich unter Umſtänden in einem Ga3gemenge wohl fühlen, das auf
den Menſchen ekelerregend wirkt. Man muß dabei nicht nur an ſo
niedere Lebeweſen denken wie etwa die Bakterien, die ſich ja im Darn!
de8 Menſchen, auch in ſeinen unterſten Abſchnitten, durchaus bedag-
lich fühlen, ſondern auch an höher ſtehende, an Würmer, die ja viol-
faß im Darm höherer Tiere leben, oder an den Miſtkäfer, den Aas5-
käfer. Einzelne <emiſc<he Stoffe kommen ſonderbarerweiſe unter
ganz verſchiedenen Umſtänden vor, ſo ein Stoff, den der Chemiker
Trimethylamin nennt, und der ſich ſowohl in der Heringslako, als ir
Zerſeßungsſtoffen des menſchlichen Körpers, als endkich auch in den
Blüten de38 Weißdorn8, de8 Birnbaums5 und anderer Pflanzen findet;
da iſt es kein Wunder, daß wir die Aa3- und Schmeißſliegen, die
ſi an jenen widerlichen Stoffen gütlich tun, zugleich al8 Befruchter
jener Blüten kennen. . Und ebenſo finden wir unſeren Roſenkäfer in
den afrikaniſchen Steppen al8 Dungkäfer wieder, wie er ſich an Miſt
von Widerkäuern ergößt. Das könnte man ſich nur ſc<wer vorſtellen.
wenn ſich nicht hier und dort der gleiche <emiſche Stoff ſände, der
durch feinen Duft beide Wale das betreffende Tier lockte.
An Bezeichnungen für die einzelnen Gerüche iſt unſere Sprach»
ſehr arm. Wir müſſen uns faſt immer darauf beſchränken, zu
jagen: „ES riecht wie . . . .“ Man benennt eben die Gerud)S-
qualität nach beſtimmten Gegenſtänden, die die betreffende Emp-
findung erfahrung38gemäß hervorrufen, oder auch nach Vorgängen,
bei denen ſich der betreffende Goruch zu entwickeln pſlogt (faulig,
brenzlig uſw.). DaS iſt kein Zufall. Es iſt bis heute der Wiſſen-
und dem ermunternden „Aufiſteigen, Lodever!" des Geſpannführerv3
folgend, nahm ich neben ihm Rlaß.
So fuhren wir bergauf und kamen nach reichlich zwei Stunden vor
einem großen Bauernhof an. Alsbald wurden die Gerätſchaften ab-
geladen und dann Bauer und Bäuerin mit einem herzlichen „Grüß
Gott“ und einem kräftigem Händedru> begrüßt.
J< wollte nun gleich mit dem Arbeiten anfangen, doch erklärte mir
dev Bauer, daß es Zeit zur Jauſe (zum Veſpern =- Nac<hmittagsimbiß)
ſei. Vom Eſſen war ich von jeher ein großer Freund und folgte bereit-
willigſt der Einladung in die Stube. Herrgott von. Bentheim! Eine
halbe ausgehungerte Kompagnie hättz mit den dort aufgeſtapelten
Blatten (ſtarf geſchmälzte Art von Mehlpfannkuchen) genug gehabt,
und ein Walfiſch hätte mit der in großen Schüſſeln aufgetragenen Milch
ſeinen Durſt löſchen können! Mein Herz ſ<hlug vor Freude, meine
Augen weideten ſih an den Schäßen Kanaans, und mein Magen ließ
ein freudiges Knurren hören, .
. Doch ſo ſc<nell ſollte ſein Gelüſte denn doch nicht befriedigt werden,
I< ſah, wie ſich die Bauersleute wohl zu Tiſche begaben, auch das Ge-
ſinde, dem "ch folgte, ſich ſchleunigſt dahin verfügte, doch nahmen ſie
nicht Plaß, ſondern knieten vor den Bänken, die Ellenbogen aufgeſtüßt,
nieder, IH war ſchon zu lange gewandert, hatte zu oft auH bei Bauern
übernachtet, um nicht zu wiſſen, was nun falgte.
eine ganze Reihe Gebete, die ein Knecht vorſagte, und wobe; alles in
den Endrefrain „Bitt für uns“ einſtimmte, nahm ſeinen Anfang. Kräftig
beteiligte auch ich mic an der „Vitte“, mit dem Erfolg. daß dadurch
mein Appetit bedeutend verſchärft wurde. Dafür muß ich freilich ge-
ſtehen, daß meine Undacht vornehmlich der Milch und Blattelſchüſſe!
galt, ſowie den bildſaubern jung2n Mägden, Da ich ſelbſt erſt achtzehn
Jahre zählte, war meine Sündhaftigkei: wohl verzeihlich, Dann ging
es über das Eiſen ver,
Ginen Löffel hatte im mir vorſichtshalber mitgebracht, denn ich
Gin Gebet, vielmehr
* Qiebe daran. Ich babelve und ſägte drauf 198, daß
ſhaft no< nicht einmal gelungen, die verſchiedenen Geruch3quali-.
täten voneinander abzugrenzen. Wir wiſſen, warum ein Ton ho
oder tief, laut oder leiſe iſt, und wir wiſſen, welche Teile de3 Gehör-
organs für die Aufnahme hoher, welche für tiefe Tone beſtimmt ſind;
wir wiſſen, welche Scwingungs3zahlen bei den Asetherweollen
rote, blaue, grüne Farbeindrücke hervorrufen: aber wir wiſſen noch
nicht einmal, wieviel verſchiedene Geruh38qualitäten es gibt, wieviel
verſchiedene Gattungen von Geruchsfaſern in den Geruchönerven ver-
laufen und in den Niechhärchen endigen. Auf alle Fälle iſt die Zahl
der überhaupt möglichen Gerüche ſehr groß, und jeder Wienſch kann
täglich in die Lage kommen, Gerüche kennen zu lernen, die er bis-
her noch nicht empfunden hat. Daß die Niechſchärfe bei den ein-
zelnen Menſchen verſchieden iſt, das iſt bekannt und iſt nicht ver-
wunderlich. Im allgemeinen jfollen Kinder eine höhere Niechſchärfe
beſißken al8 Erwachjene, Frauen eine höhere ais Männer; doch ſind
die Schwankungen fehr groß. Sicher ſcheint zu ſzin, daß ſich vet
Ratchern dia Empfindlichkeit für Gerüche allmählich etwas adb-
jtumpft. Durch Uebung kann umqg2kehrt die Leiſtungsfähigkeit des
Geruch3 ganz außerordentlich verfeinert werden. H. H.
+»
LZ
Die Zwingburg.
Gebrochen iſt der alte Twing,
Rings5um ergrünt ſein Mauerring,
Der Eppich ſchwankt im Ferſter;
Verſunken in der Erde Schoß
Tief unter das beſonnte Moos
Sind Ritter und Geſpenſter.
i Wo durch das tiefgewölbte Tor
* Die zorn'ge Fehde ſchritt hervor
Und ließ die Hörner ſchmettern,
Da hat ſich, duftig eingeengt,
Ein Zicklein ans Geſträuch gehängt
Und naſcht von jungen Blättern.
(Zint folgt.)
Wo wildverträumt Frau Minne ſtund,
„Zerrann auf blauem Wieſengrund
Der ke>e Bau des Erkers;
Wo im Berkieß der Haß gegrollt,
Iſt in das beiche Gras geroilt
Ein Quaderſtein des Kerkers.
Und wo den Teich am Hügelhang
Herab die troß'ge Feſte zwang,
Ein finſter Bild zu ſpiegeln,
Da rudert, von der Flut beneßt,
' Der Burg zerſtörtes Wappen jeß
Ein Schwan mit Silberflügeln.
Konrad Ferdinand Meyer.
kannte dern lande3üblichen Brauch, daß jeder ſeinen eigenen Löffel be-
ſikt und der Bauer feinen ſtet. „Haſt du keinen Löffel, brauchſt auch
nix zu eſſen“, öſt hier eim beliebter Spruch. Jeder Löffeleigentüms2x
Langte nun zu. Teller für die Blatteln befanden ſich direkt im Tiſch,
d. bh. es waren in dem hardzn Ahornholz Vertiefungen in Tellerfoxm
angebra<ht, Die Milc< wurde gemeinſam aus der großen Schüſſel ge-
löffelt, die, wenn ſie leer war, durch eine andere erſcht wurdo. Streit
gab e3 dabei nicht, denn es war genug vorhanden, und alle3 aß ſich
fatt, ja, es iſt woßl nicht zuviel geſagt, überſatt. Ueber ausgezeichnetenr
Appetit verfügten ſämtliche Beteiligte, ob ihnen aber «das Mahl auch
ſo gut gemundet hätte, wenn ſie gewußt hätten, daß der „Loderer“,
der da mitaß, ein Lutheraner, d. h. in ihren Augen ein Kober war,
bezweifle ich ſtark. Doch warum ſich und anderen das Leben ſchwer
machen? Jc< war, was Religionsſachen angeht, nie cin Fanatiker ge-
weſen und ließ auch hier jeden nach ſemer Fatior: ſelig werden. Dabei
muß ich geſtehen, daß mich wegen des Betens keinerlei lutheriſche Gewiſſens-
. biſſe peinigten, ſondern mir Milch und Blatteln aus8gezeichnet ſ<hmedten.
Nachdem da3 männliche Geſchlecht ſich noch eine Pfeife Tabak ge-
leiſtet, ging 1c) mit dem Bauze zu einem Schuppen, wo das Holz lag
und auch meine Werkſtatt ſem follte. Hier ſuchten wir die ſchönſten
Zirpenbretiter aus (die Zirpe iſt ein Nadelbaum, deſſen Zapfen ölige
Früchte b:rgt), Dieſes Holz ſt ausnehmend ſchön gemaſert. Der Bauer
erflärte mir nun, worin die von mir zu leiſtende Arbeit beitehen ſollte.
Das Wohnzimmer de3 Hautes, 5. Hh. die Stus9e, in der fich abends dex
Bauer mit Frau aind Geſinde zufammenfindet, jollte neu getäfelt
werden. In Pinzgau, auch ſonſt im Tirol und in Steiermark laſſen
die Bauern ihre Stuben mit ſchön gemaſertem Holz bekle:den und die
Täfelung mit Roſetten und anderm Schmuce verzteren.
Ich hatte alfo eme retzvolle Arbeit vor mir u ng mit Luſt und
Ww Späne flogen,
(Schluß S. 182.)
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