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Der Rhein, die Revolution und der Friede.
Bon Gg. Engelbert Graf.
eutichland3 wichtigſter Strom iſt der Rhein. Zwar liegen
ſeine Quellen in der Schweiz und ſeine Mündungen ſämtlich
auf holländiſc<em Boden. Auch erſchließt weder er noch einer
ſeiner Nebenlfüſſe eines jener großen Aerbaugebiete, deren Veber-
ſc<üſſe auf ihm verfrachtet werden könnten. Nur imdirekt ſteht er
durc< Kanäle mit jolhen in Verbindung. Aber in ſeinem Bereich
trifft man die gewaltigſten Induſtriezentren Europas, das rheintſch-
weſtfäliſche, das Aachener, das Saarbrüder Kohlenrevier, die
Schwerinduſtrie Nheinland-Weſtfalen3 und Lothringens, die Tertil-
bezirke im Elfaß und am Niederrhein. Vor allem aber hat ſeine
geographiſche Lage den Rhein zu der wichtigſten Verfehr3ader des
mittleren, vielleicht ſogar ganz Europas gentac<ht. Von der Nord-
ſex und vom Atlantiſchen Ozean ſind ſeine zahlreichen Mündungen
gleich aut zu erreichen. Kein Strom Europas führt mit feinem
Talweg vom Atlantiſchen Ozean her [9 weit in das Hochgebirge
der Alpen hinein. Von, dem Hauptſtrom aus erſtre>em ſich die
Seitenſtraßen wichtiger Nebenflüſſe linfs und rechts des Stroms
weit ins Land hinein. Die äußerſten Enden ſeines Einzugsqgebicts
liegen fait 600 &ilometer in Luftlinie auseinander, während die
Luftlimienenkfernung von der Quelle de3 Nheins bis zur Veindung
700 Stilonieter beträgt -- ein Verhältnis, wie es kein anderer
deutſcher Fluß aufweiſt. Daraus geht hervor, daß dur) den INhein
das verhältnigmäßig ausgedehnteſte Gebiet in Deutſchland exr-
ſcioiſen wird. Hinzu kommt, daß kein qnderer Strom für die
regelmäßige Schiffahrt auch nur annähernd ſo günſtig iſt wie der
Nhein. Die wärmſte Zone Deutſchlands durchflicßend, hat der
Strom bei Köln imm Jahre durchſchnittlich mur etwa 20 Eistage
aufzuweiſen, ungefähr im derſelben Breitenlage die Wejer 37, die
Elbe 47 und die Weichſel 100 Eistage. Dazu ſind die Waſſerver-
hältniſſe für die Schiffahrt auf dem Rhein beſonders vorteilhaft.
Auf den übrigen deutſchen Strömen iſt die Schiffahrt während ver
Sommermonate durch Niedriawaſſer behindert, der Nhein aber
führt gerade von Juni bis Auguſt Hochwaſſer, da in dieſer Zeit
in feinem Urſprung8gebiet, den Hochalpen, durch die ſommerliche
Wärme mächtige Mengen Schnee und. Eis geſchmolzen werden,
Während im Mittelalter die Schiffahrt rheinaufwärts bei Köln
endigte, hat man ſie in der Neuzeit durch Beſeitigung der Strom
hinderniſſe bei Bingen bis Mannheim herangeführt, das zuſammen
mit Lutwigshafen ſich geradezu zu dem am weiteſten binnenwärts
gelegenen Nordſeoehafen entwickelt hat. Neuerdings iſt dann Ul
folge der Nheimnregulierung und ansgedehnter Safenbauten Straß
burg zu einem Endpunkt der Rheinſchiffahrt geworden. Und die
Pläne gehen noch viel weiter und zielen nicht allein auf einen
YAnsbau der Oberrheinſtreeke bis Baſel, ſondern auch unter Ueber-
windung der Waſſerfälle bei Schaffhauſen und Lauffen bi8 zum
Bodenſee hin. = Die
Grundlagen und Boraus-
ſezungen für eine ganze
Reihe wichtiger Induſtrien
und die Möglichkeiten eines
weitverzweigten Verkehrs
haben denn auch im Gebiet
des Rheins eine Verdichtung
und Zuſammendrängung der
Bevölkerung hervorgerufen,
wie ſie in dieſem AuSsmaße,
von wenigen kleineren Be-
zirkon abgeſehen, in Europa
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ihresgleichen ſucht. Hier
zählen wir eine ganze
Monge von Großſtädten:
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Zürich, Mülhauſen, Straß-
Arbeiter- Jugend
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Fratie eingezogen war und große einheitliche Reiche fich gebildet
hatten, bot die Landkarte Deutſchlands noch das buntfarbige Bild
einer Unzahl von Staaten und Stätc<hen abſolutiſtiſchen Charakter2,
Die politiſche Bedeutung de3 Rheins tritt zum erſten Male be-
ſonder38 klav in Erſcheinung am Ende des 18. Jahrhunderts, Das»
mals brandete am Rhein die franzöſiſche Revolution an. Dann
benußte Napoleon das Einzugsgebiet de8 Rheins, um darauf jein
Syſtem. der Nheinbundſtaaten zu gründen. Damals: machte ſich
beſonders deutlich die Wichtigkeit der Haupt- und Seitenflußtäler
für die Fortbewegung der großen Volksheere bemerkbar, die die
Revolution anſtelle der Söldnerheere früherer Zeiten geſchaffen
jatte.
Zu diefer ſtrategiſchem Bodeutung der Flußtäler und der Jluß-
einzug8gebiete kam ihre wirtſchaftliche und politiſche Bedeutung,
und wir müſſen heute zugeſtehen, daß der Gedanke, der der Bildung
der Rheinbundſtaaten zugrunde lag, durchaus natürlich und ver-
ſtändlich war. Wenn wir Weitteleuropa um das Jahr 1800 von
einer höheren Warte aus betrachten, erblicken wir zwei große deutſche
Einiqungs8zentren: im Nordoſten das durc< den Korporalitocl ac-
einigte Preußen, im Weſten und. Südweſten die auf natürlicher
wirtſchaftlicher Grundlage aufgebauten Yiheinbundſtaaten. Dieſe
RNheinbunmdſtaaten drücken dann weiterhin auch das Borſchreiten der
weſtlichen Demokratie über die ehemalige Rheingrenze gegen das
feindliche, junkerliche Preußen hin aus. Damals war der Rhein,
vor allem das Elfaß, das Kulturtor, durch das weſtlicher Einfluß
ſich weit bis in8 Herz von Deutſchland hinein bemerkbar machte.
Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts erſtarkte Deutichland
durch innere Einheit und durc< den Ausbau ſeiner wirtſchaftlichen
Kräfte derart, daß es Frankreich bald überholte und ſeinen Ein-
fluß im Weſten und Südweſten allmählich zurückzudrücen imſtande
war. Der Frankfurter Friede im Jahre 1871 nach dem ſiegreichen
Krieg mit Frankreich brachte dies äußerlich durch den: Anſchluß
Eljaß-Lothringens8 an Deutſchland zum Ausdruck. BWVölkerrechtlich
war die Annexion Elfaß-Lothringen3 nicht berechtigt, und wirk=
ſchaftlich war wenigſtens die Abtrennung Lothringens ein Raub
an Frankreichs Beſiktum. Dagegen entſpricht, rein wärtſchaftiich
betrachtet, die Abtrennung des Cljaſſes der tatſächlichen Entwick-
lung. Das geht ſchon daraus hervor, daß das Cljatßz ſich in vert-
hälfniSmäßig kurzer Zeit im Wirtſchaftsleben eng an das Deutſche
NReich anzuſchlicßen vermochte.
Die Folgen der Annexion: Elſaß-Lothringen3 zeigten ſich bald
in dem Zurückdrängen franzöſiſchen Einfluſſes bis an die Vogeſen-
grenze, deren breite, dünn bevölkerte Zone eine natürliche Scheide-
wond zwiſchen den beiden großen Wirtſchaftskörpern darſtellte. Nun
erſt wurde der Rhein aus einer Verkfehr3- und Kulturſchranke zur
einer Verkfehr32- und Durchgangsſtraße. Die Eindeutſchung des
Elfaſſes bedeutete gleichſam die Berlängerung der Nordſee bis in
die Alpenländer hinein, und von dieſer großen Straße aus führten
FREIHEIT
GLEICHHEIT
BRUDERLICH,
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burg, Saarbrücken, Wann-
heim, Frankfurt, Nürnberg,
Wiesbaden, Aachen, Düſſel-
dorf, Elberfeld - Barmen,
Eſſen, -Duisburg, Dort-
mund, Notterdam, Anmſter-
dam; ſie alle liegen im
Einzugs8gebiet des Nheins.
Früher, ehe es Dampf-
ſchiffahrt und Eiſenbahn
gab, war die Rolle, die der
Nhoin in der Politik und in
der Kultur ſpielte, eine an-
dere. Der Nhein war die TZ -, R) R
Hauptſ<hranke, die Weſt- Warane dr 2 -- <s = <= Zz WE
europa nad Oſten hin ab , a 2 m ed
trennte, Als in Frankreich meme
und England die Domo- Gewogen und zu leicht befunden. Aus dem Totentanz von Rrihel,
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