Full text: Arbeiter-Jugend - 10.1918 (10)

 
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Die Gefahren der Uebergangswirkſchaft 
für die arbeitende Jugend. 
Von einem Magdeburger Jugendgenoſſen. 
ie deutſche Revolution hat un8 zunächſt den Waffenſtillſtand ge- 
D brac<t. Die Bedingungen ſind von ſolch rüſichtsloſer Härte, daß 
ihre ſtrikte Durchführung für das deutſche Volk ſchwerſte Shädi- 
gungen auf wirtſchaftlichem und geſundheitlichem Gebiet im Gefolge 
hat. BVergrößert wird dieſc Geſahr noch durch die übereilte Demobili- 
ſierung des Heeres. Nun fluten Millionen von Männern zuruck iti den 
bürgerlichen Beruf; ſie alle wollen Arbeit und Brot haben. EZ iſt ſewſt- 
verſtändlich, daß dieſen Männern, die jahrelang in Not und Graven 
au8harxen müßten, die Stellen, die ſie vor dem Kriege mnegeynadt 
haben, wieder eingeräumt werden müſſen. Die Frauen und ZJugend- 
lichen, die an ihren Pläßen ſtehen, werden weichen müſſen. Viele der. 
Frauen werden freiwillig gehen; jeht, da ver Guährer zurüctehrt, 
können ſie ſich wieder ihren Familienpflichlew widnien, Aber die Jurend- 
lichen, die bei Krieg3au8bruch noch Schulkinder waren, die dann der 
Krieg in ſeinen Dienſt nahm, wohin gehen ſie? Oder denfen: wir an die 
vielen Tauſende, die al8 ungelernte Arbeiter in die WMunitionsfabrif 
gingen, an die unzähligen jungen Arbeiterinnen und Arbeiter, die unter 
Opferung ihrex Geſundheit ſchwere Arbeit verrichten mußten! Die 
Kuiegsinduſtrie iſt zuu Ende. Vorbei iſt es mit vem Granatviſchriuppen 
und dem Granatendrehen. In anderen Berufen werden ſie kaum Be- 
ſchäftigung finden, denn der Rohſtoffmangel macht es vielen Beirieben 
unmöglich, auch nur die vor dem Kriege beſchäftigten Arbeiter einzu- 
ſtellen, wenn ſie ſich nicht dazu entſchließen, die Kurzarbeit einzuführen, 
d. h. nur halbe Tage arbeiten zu laſſen. In ebenſo ſchlimmer Lage ſind 
die vielen Lehrlinge, die infolge ihrer Einziehung ihre Lehrzeit unter= 
brechen mußten; ſollen dieſe jeßt wieder in ihre Lehrſtellen zurüc- 
kehren, und foll die vierjährige Lehrzeit den Unternehmern es geſtatten, 
dieſe ehemaligen Vaterland3verteidiger au3zubeuten? Und die daheim- 
gebliebenen Burſchen und Mädcken? Was trieb denn die ungezählten 
jungen Proletarier, gleich nach der Schulentlaſſung in die „Veunition“ 
zu gehen oder die Lehre abzubrechen? War e3 nicht die unverſchuldete 
bittere Notlage der Familien, die die Arbeitereltern zwang, ihre Kinder 
in die Fabrik zu ſchi>en, um mitzuverdienen? 
Jeßt droht dieſen Maſſen jugendlicher Arbeiter und Arbeiterinnen 
der Schre&en der Arbeitsloſigfeit, Hunger und Entbehrung. Und doch 
wäre e3 ohne Hilfe der jugendlichen Arbeitskräfte gar nicht möglich ge- 
weſen, die MaunitionSinduſtrie, ja das geſamte Wirtſchafisleben aufrecht- 
zuerhalten. Darum muß unbedingt nunmehr, wo die Kriegsinduſtrie 
endlich überflüſſig wird, der Staat und die Unternehmer verpflichtet 
werden, auch für die Jugendlichen zu ſorgen, die indirekt doc; auch 
Kricgsdienſt leiſten mußten. 
Wie kann dieſen drohenden Gefahren begegnet werden? Vor allem 
müſſen natürlich die beſchäftigungsloſen Jugendlichen durch eine genüs- 
gende Erwerbslajenunterſtüßung vor bitterſter Not geſchüßt werden. 
Dann müſſen aber im weiteſten Umfang Berufsberatungsſtellen einge- 
richtet werden. So mancher junge Arbeiter oder junge Arbeiterin wird 
jet noch einen Beruf erlernen wollen. Da müſſen die Berufsberatungs- 
ſtellen und die Lehrſtellenvermittlungen ihnen mit Rat und Tat zur 
Seite ſtehen, ihnen Ausfunft darüber geben, welche Beruſe am au8= 
ſicht3reichſten und am paſſendſten für ſie ſind. 'E3 gibt befanntlich cine 
ganze Anzahl Berufe, die überfüllt ſind und daher weniger günſtige 
Ausſichten bieten; ich erinnere nur an den Schloſſerberuf, zu dem wah- 
rend der Kriegs3jahre ein ſo gewaltiger Zulauf war. Doch wie ſteht es 
mit der Lehrzeit? Soll die vierjährige Lehrzeit noch immer es vielen zur 
Unmöglichkeit machen, einen Beruf zu erlernen? Wenn ein jeßt Sech- 
zehnjähriger vielleicht in eine Lehre tritt, dann iſt ex glücklich mit ſeinem 
zwanzigſten LebenSjahre mit der Ausbildung fertig. 
vorbei fein. Auf das nachdrüclichſte muß die Forderung erhoben wer- 
den, die Lehrzeit auf zwei, höchſtens drei Jahre geſeßlich feſtzuſceken. 
Der Lehrling darf in Zukunft nicht mehr dem Unternehmer als Aus- 
beutungz3objeft dienen, ſondern durch eine gründliche Ausgeſtaltung de3 
Fortbildungsſ<hulweſens muß eine erheblic) verfürzte Lehrzeit dent 
Jugendlichen die Möglichkeit verſchaffen, ſich zu einem vollwertigen 
Glied ſeiner Berufsgruppe auszubilden, ohne jede NRüdſicht auf den 
Profit des Unternehmers. 
Eine andere wichtige Frage iſt die Frage de8 Entgelt3 für die 
Lehrjahre. E35 gibt heute noch Berufe, die überhaupt feine Entſchädigung 
zahlen. ES iſt nicht wahr, daß ſich die Höhe des Entgelt3 nach den 
usſichten des Berufs richtet, das heißt, daß ein Beruf, der dem Lehr- 
ling günſtige Ausſichten für die Zukunft eröffnet, eine geringere Ent-= 
ſchädigung gewährt, als ein Beruf, der durch“ Ueberfüllung ſhon von 
vornherein feine beſonderen Hoffnungen auf ein gutes Fortkommen 
bietet. Jh erinnere nur an den Kaufmannsberuf. Wie lächerlich gering 
iſt die monatliche Vergütung der Handlungslehrlinge, trozdem ſo man- 
d<er junger Handlungsgehilfe ſchwer um ſeine Exiſteng kämpfen muß, 
weil Ueberfüllung das Fortkommen äußerſt erſchwert. Das iſt doch der 
beſte Beweis dafür, daß ſich die Unternehmer in der Feſtſezung "des 
Entgelts ganz nach Angebot und Nachfrage richten. Jſt alfo das Ange- 
Das muß jeßt. 
bot groß, dann iſt die Entſchädigung gering, weil doc< genügend billige 
Arbeitskräfte zu haben ſind, und umgekehrt. Damit muß jebt aufge= 
räumt werden. Der Lehrling darf keine billige Arbeitsfraft mehr avb= 
geben, ſondern eine angemeſſene Entſchädigung muß es jedem ermög:- 
lichen, den Beruf zu erlernen, in dem er ſeine Fähigkeiten voll ent= 
wickeln kann. Niemals darf in dem neuen Deutſchland die wirtſc<ail- 
liche Lage ein Hinderni3 für den Aufſtieg des einzelnen ſein. . 
Nicht alſe, die jekt arbeit8lo8 werden, werden einen Beruf erlernen, 
aber hier wird e8 ja Aufgabe der Gemeinden und de3 Staates ſein, 
durch Bereitſtellung von Arbeiten die Arbeitsloſigfeit allmählich einz:- 
dämmen und das geſamte Wirtſchaftöleben möglichſt glait in die Fre 
den3wirtſchaft überzuleiten. Daß dabei ein Ausbau der Jugendſ<huß= 
beſtimmungen und die Jugendpflege nicht vergeſjen werden darf, tt 
ſelbſtverſtändlich. Wenn auch die Wiederinfraitſezung der vor »e'11 
Krieg geltenden Schubbeſtimmungen die Jugendlichen vor rücſichtSvcr 
Ausbeutung ſchüßt, jo genügen dieſe Beſtimmungen noch lange nucht, 
um der Jugend die für ihre volle körperliche und geiſtige Aushidung 
notwendige Beſchränfung der Arbeit8zeit zu ſichern. Dieſe Fragen 
treten jedoch einſiweilen noch vor den Auſgaben der Ucbergang5wirijhait 
zurück, und e3 wird ſich ja noch Gelegenheit bieten, auf jie zurüczu- 
fommuen,. : 
Doch nicht nur den Behörden und der Negierung darf man es 
überlaſſen, die Jugend vor den hier aufgezeigten Ichweren Gefahren zu 
ſchübßen, ſondern die Jugend muß ſelbſt mithelfen. Sie muß dh in 
Vorträgen Aufklärung verſchaffen, muß ſich unter ſich ausſpreen und 
ven Jungendleiturgen Fälle aus der Praxis mitteilen, die für ein er= 
ſpricßliches Wirken auf dieſem Gebiet nötigen Unterlagen liefer. Am 
erfolgreichſten aber wird ſich die Mitarbeit der Jugend gejtalten, wenn 
ſie in dieſer entſcheidenden Zeit den Wert de3 Zuſammenichluſſes er- 
kennt und den Jugendorganiſationen beitritt. Cine ſtarke Jugend 
organiſation wird mit viel mehr Ausſicht auf Erfolg die Interxeſioin 
der Jugendlichen vertreten können als der einzelne in ſeiner Jſolierung. 
 
 
 
Nun ſind ſie wieder da. | | 
Weißt du noc< damal3, als die große Schlacht in dem fremden 
Lande tobte, und wo ſo viele Soldaten gefalien waren? Wir wacen *<tade 
im neuen Jugendheim zuſammengefommen und haiien 115 zum erſten= 
mal geſehen. Und wie wir alle rüſtig an idie Arbeit gingen, und einer 
wollte immer mehr ſchaffen als der andere? Ad, wir :varen alle noch 
16 jung. . i 
Und da ſagte ein Genoſſe, er müſſe uns nun Ade ſagen, er käme 
zu den Soldaten. Wir wollten das zuerſt gar nicht gianben; es war 
auch ſo ſchade, wenn einer in unjorm Neſt fehlie. Doh waren wir 
eigentlich ſtolz auf unſeren „Feldarauen“. Cin paar Tage vergingen, 
da fehlte wieder einer, und bald jagten wir vieleit Node. Wir waren 
abcr gar nicht mehr ſtolz. 
So ging die Zeit ins Land. Wir ſchrieen Brizfe an unſere 
Kameraden, und ſie ſchikten ihre Grüße an uns. Unter ihren Zeilen 
ſtand immer! „Wann werden wir uns wiederſehen?“ Dabei joue die 
jungen Regimenter gerade in die Front rüden. 
Auf einmal war der Waffenſtillſtand da, war die Nevolution au2- 
gebrochen. Die Soldaten blieben nicht mehr in den Schüßengräben und 
fuhren nach Hauſe. Da wußten wir, unſere Kameraden fommen auti) 
wieder, und wir warteten jeden Abend auf ſie. 
Und geſtern abend waren welche da! Sie ſaßen im grauen Tuch 
im Kreiſe der Freunde und erzählten wohl von ihren Erlebniſſen, oder 
ſtanden da, breitbeinig mit verſchränkten Armen, komiſch unbeholfen in 
ihrer Kraft, die ſie vom Kaſernenhof mitgebracht hatten, und ſuchten 
ſich zurechtzufinden. Wir haben ja ſo viele neue Kameraden in unſerem 
Kreiſe. Aber froh waren ſie, und man ſah es ihnen an, wie behaglich 
und gemütlich ſie ſich fühlten, 
Da ſang eine Genoſſin ein Lied, und dann ſpielte die Muſik auf. 
Mandolinen und Laute, alte, bekannte Weiſen. Da zuckte es wohl in 
ihren Beinen. Und auf einmal tanzten unſere Genoſſen, ein junges 
Mädchen an der Hand, in ihrew derben Soldatenſtiefeln im fröhlichen 
Takt, daß die Dielen knarrten: 
„Lang genug war ich ein Bäuerlein“ =- -- -- A. DP. 
E3 geht vorwärts. 
Au3 Berlin wird uns geſchrieben: Durch die Revolution ſind 
nun auch für un38 alle Hinderniſſe für unſere Arbeit gefallen. Vor dem 
9. November war e3 uns faſt unmöglich, ausgiebig Agitation zu treiben, 
und zwar ſo Agitation zu treiben, daß die Maſſen von unſern Jdeen 
erfüllt wurden. Wir konnten wohl einzelne gewinnen, doh an die 
eigentlihe Maſſe der Jugend kamen wir koum heran. Deffentliche 
Jugendverſammlungen waren au2geſchloſſen, und ſo konnten wir nur 
allmählih durh mühſame Hauzagitatiow Mitglieder gewinnen. Wir 
famen wohl vorwärts, doch befriedigen konnte uns der Mitgliederzuwachs 
nie ſo re<ht. .
	        
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