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Schidſal über ſie hereinbricht, oder wie eine Gnade ihnen zuteil
wird. Ehe da3 Ziel erreicht wird, muß es erkannt, ehs der SiezJ
errungen, muß um ihn gekämpft werden. Klaſſenbewußtſein
und Klaſſen ka mp f ſind darum für das Proletariat die unerläß-
lien Vorbedingungen ſeine3 Aufſtieg8, die einzigen Wege zum
Triumph über die Welt von Feinden, die ihm in den herrſchenden
Klaſſen der gegenwärtigen Geoſelli<haft3ordnung gegenüberſteht.
Wiederum auf beiden Wegen, auf dem Wege der Erkenntnis
wie de3 Kampfes8, iſt Karl Marx dem Proletariat als Führer vor-
angeſchritten. Der Erwekung und Ausbildung des proletariſchen
Klaſſenbewußtfeins hat er die Geiſte3arbeit ſeines Leben3 go-
widmet, vom Kommuniſtiſchen Manifeſt bis zum „Kapital“ all
die unſterblihen Werke, in denen er den Sinn der geſchichtlichen
Entwicklung aufde>t, das Weſen und die Urſache der Lohnſklaverei
darlegt und dem Proletariat die Aufgabe verkündigt, die ihm im
Gang der menſchlichen Kulturentwi>klung zugefallen iſt. Für den
Klaſſenkampf aber hat er das Proletariat eincexerziert im der Welkt-
organiſation der Internationale, deren Gründer und leitender
Kopf er geweſen,
Neben dem. Klaſſenbewußtſein und dem Klaſſenkampf if
nämlich die Internationalität dieſes Bewußtſeins und dieſe3
Kampfes der dritte Leitgedanke des Marxſchen SoztialiSmus.
Mögen auc nach Grad und Reife der wirtſchaftlichen, politiſchen
und geiſtigen Entwieklung die einzelnen Kulturnationen ſich
unterſcheiden: ſoweit das Kapital herrſcht -- und ce8 beherrſcht die
ganze Erde --, beruht feine Herrſchaft auf der im Weſen überall
gleichen AuSbeutung und Unterdrückung der arbeitenden dur die
beſikende Klaſſe. So iſt das Schiſal und das Ziel der arbeitenden
Flaſſe auf der ganzen Erde dasſelbe, und nur dann kann der
. SozialiSmu38 endgültia ſiegen, wenn ſich die Arbeiter aller
Nationen in ihrem LebenSintereſfe verbunden fühlen und brüder-
lich Hand in Hand gehen. „Proletarier aller Länder, vereinigt
Euch!“ iſt darum der mächtige Ruf zur Tat, zum Handeln in
jolidariſ<hem ZBuſammenſchluß, zur BWeltinternationale Des
Klaſſenkampfs, worin. Karl Marxen8, dem Proletariat gewidmetes
Leben :anusklingt.
Daß die Arbeiter den Gedenktag des Manne8, der ſie zur
internationalen Brüderlichkeit aufruft, im Völkermorden dieſes
Weltkrieg8 begehen müſſen,
Tragik nicht in Worte gefaßt werden kann. Nur ein8 vermag uns
über dieſe furc<tbare Situation hinwegzuhelfen. Wenn e38 nocd
eines Beweiſe38 bedurft hätte, daß die kapitaliſtiſche Geſellſchaft
dem Untergang geweiht ift, dann iſt eben durch dieſen Krieg dieſer -
Beweis im wahrhaft zer'malmender Wucht geliefert. Eine Geſell-
ichaft3ordnung, die die Menſc<heit naturnotwendig in dieſen Ab-
grund voll unfäglicher 'Gveriüel führen mußte, hat ſich ſelbſt die
iſt ein Gedanke, deſſen erſchütternde
Arbeiter« Jügend . | '
Totenglo>e geläutet und iſt zur Götterdämmerung tauſendfach reif.
Die Menſc<hheit wird ſozialiſtiſch ſein oder ſie wird nicht ſein, das
iſt ſeit jenen. blutrot aufſteigenden Auguſttagen de8 Jahres 1914
für Jeden, der ein Hirn zu denken und ein Herz zu fühlen hat, un-
erſihuütterliche Ueberzeugung. Mögen ſich darum die Bankrottierer
der kapitaliſtiſchen Geſellſchaft über den Zuſammenbruc) ihrer
Herrlichkeit mit dem Armjünderſpruch hinwegtröſten: „Nac< un3
die Sintflut!“: die Füße derer, die den Sdutt ihrer Welt beiſeite
ſchaffen und auf den Trümmern den Bau einer neuen Geſellſchaft
errichten, ſtehen vor der Tür; ihre Legitimation aber lautet:
„Rahder Sintflut + wir!“
“ Soäiſt e38 in dieſen nachtdunklen Tagen einzig da8 Zeichen von
Karl Marx, das die Zukunft erhellt: in ihm werden wir ſiegen,
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Karl Marx' Leben.
arl Seinrich V (ary erblickte das Licht der Welt zu Trier, am
5. Mai 1818. Scin Vater, Heinrich Marx, ein aufgeklärter
und menſchenfreundlicher Jude, war Rec<t3anwalt. Seine
Mutter war eine Holländerin und entſtammte einer Rabbiner-
familie, die im 16. oder 17. Jahrhundert aus Ungarn in Holland
eingewandert war. Dem Ehepaar Marx wurden mehrere Kinder .
geboren, von denen nur Karl beſondere Fähigkeiten zeigte und
de8Shalb für eine gelehrte Laufbahn beſtimmt wurde. Im Jabr
1824 trat die Familic Marx zum Chriſtentum über. In der
Schule genoß Karl evangeliſchen Roligion3unterricht und be-
kundete auf dem Gymnaſium lebhaftes Intereſſe für Kircheu-
geſchichte. Später wurde er Freidenker und Atbeiſt. Im Jahr
1835 -- im Alter von 17. Jahren -- abfolvierte er das Gyn1-
„naſium ſeiner Vaterſtadt, wo er ſich durch Fleiß, gutes Betragen und
Liebe zu den klaſſiſchen Sprachen (Latein und Griechiſch) auszeichnete.
Das Gymnaſium war jedoch nicht die einzige Stätte, wo er
jeinen Geiſt bildete. Sein Vater führte ihn in das Haus de3
Geheimen Negierungsrats Ludwig v. Weſtphalen ein, eines hoch
gebildeten und aufgelärten preußiſchen Beamten, der: es liebte,
ſich mit dem gewecdten ingling zu unterhalten und feinen
Bildung8gang zu beeinfluſſen. Marx verehrte ihn al3 väterlichen
Freund, „der jeden Fortſchritt der Zeit mit der Begeiſterung und
Boſonnenheit der Wahrheit begrüßt“; er widmete ihm ſeine
Doktordiſſertation (1841).
Nach Abſolvierung des „Gymnäſiums bezog Marx die Bonner
Univerſität. Nach einem Jahr flotten Studentenlebens ſiedelte
er im Herbſt 1836 nach der Berliner Univerſität über. Vor ſeiner
Abreife nach | Berlin verlobte er ſich heimlich mit. Jenny v. Weſt-
phalen, der Tochter ſeines väterlichen Freunde3, die durch Schön-
beit, Bildung und Chbarakterſtärke gleichermaßen ausgezeichnet
war. In Berlin ſtürzte ſich Marx auf das Studium der Philo-
ſophie, NRechtäWviſſenſchaft, Geſchichte, Geographie, Literatur uſw.
Bor 25 Jahren. .
Eine Maifeier-Erinnerung von P. G., Kiel, 3. Zt. im Heeresdienſt.
rinnerungen aus dem Leben, löſen mehr oder weniger einen ſtillen-
Zauber aus, je nah der Art des Geſchehniſſe3.- An mancher Er-
innerung zehrt man zeitlebens, In meinen jungen Jahren -- ich
rechne mich allerdings noh nicht zu den Alten --- ſchaute ich mit höchſter
Bewunderung auf jene Genoſſen, die über früher in der Arbeiter-
bewegung Erlebtes berichteten, und gelobte mir im ſtillen, an ihren Taten
ein Vorbild zu nehmen. Heute ift nun dec Zeitpunft für mich ge-
fommen, wo auch ich auf eine Epiſode aus der Arbeiterbewegung zurüe-
bligen kann,
Nach dem großen Buchdruderſtreik am Ende de3 Jahres 1891, dem
troB hoher Begeiſterung und reicher Mittel der Erfolg nicht beſchieden
war, mußte mancher Jünger Gutenbergs, der dem Verband angehörte,
fein Ränzel ſ<nüren und auf die Walze gehen. Im Sommer 1892
wimmelten die Landftraßen nur fo pon Buchdruckern, die ja von jeher
ein reiſeluftiges Völkchen warcn. Gar viele nahmen ihre Zuflucht in3
Ausland.
Auch ich verließ in: dem genannten Sommer das badiſche Muſter-
ſändle, wo ich an der Bewegung teilgenommen hatte, und landete am
Schluß des Jahres nach langer Walze im ſchönen Kärntnerlan9
(Deſterreich).
In dem reizend gelegenen Städtchen Villach, unweit des Wörther
Sees. und der ſogen, Kärntner Front, an der ſich im jeßigen Weltkrieg
die blutigſten Kämpfe abſpielten, fanid ich Kondition, wie ſich. der Buch-
druder fachmänniſch ausdrüct.. Das Städtchen kiegt an der Bahn
“ Wien--Venedig. Leizteres war mein Ziel, da3 ich aber nicht erreichte;
- auß war ich froh, in. dem ſtrengen Wintex von der Landſtraße zu
Fommen, In dem Städtchen befanden ſich zwei Buchdru>ereien, In der
. einen davon erſchien eine Zeitung; ich arbeitete iz dem. anderen Kunſt-
tempel. Die öſterreichiſchen Prinzipale ſtellten damals mit Vorliebe
deutſche Gehilfen ein, weil dieſe nach ihrer Anſicht leijtungsfähiger waren
als die öſterreichiſchen.
Der erſte Mai 1893 rückte heran. Die Maifeier in Oeſterreich war
damals ſchon weiter vorgeſchritten al38 in Deutſchland. In Wien z,. B.
erſchien am 1. Mai keine Zeitung, und ſpäter ſetzten die öſterreichiſchen
Buchdruckergehilfen es durch, den 1. Mai als einen tariflichen Feiertag
feſtzulegen. Auch wir BuchdruFer des Städtchens, die wir ſämtlich im
Verband waren, nahmen zur WMaifeier Stellung. 'Die Arbeiterſchaft ver-
auſtaltete morgens eine Verſammlung und nachmittags einen Auzflug
mit Muſik. Der Prinzipal der anderen Druderei gab ſeinem Pexſonal
obne Abzug den ganzen Tag frei und ließ die Zeifung ausfallen. Mein
Prinzipal konnte ſich nur dazu aufſchwingen, den Nachmittag freizu-
geben, obwohl er feine Zeitung herausgab und vermögend war. Er
hatte auch die amtkichen Arbeiten, die zum Teil in drei Sprachen, deutſch,
italieniſch und ſloweniſch, gefeßt wurden. I< hielt jedoH an meiner
Auffaſſung feſt: wir mußten auch vormitiags8 feiern, um an der De-
monſtration3verfammlung teilnehmen zu önnen, die doch die Haupt-
jache ſei. . Da3 tat ich denn. auch al3 einziger aer Drucderei, während
- meine Druckereifollegen ſic) dem Willen des Pringipals fügten und nur
nachmittag3 feierten,
Die Verſammlung am Vormittag des 1, Mai war gut beſucht uns
verlief recht lebhaft. Nedner der verſchiedenſten Nationalitäten, wie das
nun einmal in Oeſterreich nicht anders ſein fann, amen zum Wort
und traten mit flammender Begeiſterung für die Sache des Proletariats
'ein. E3 durften jedoch nur Angehörige der öſterxreichiſch-ungariſchen
Monarchie in der polizeilich überwachten Verſammlung reden, und AUR
in deutſcher Sprache, Troßdem redete auch ein deutſcher Klempuer-
gefelle aus Schleſien, .der ſich als Oeſterveichiſf ſ<-Schleſiex aus8gab. Von
uns“ Buchdrudern nahm eiu junger ungariſcher Kollege das Wart, der
beſonders temperamentvoll ſprach. Die Verſammlung war weſentlich
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