Full text: Arbeiter-Jugend - 10.1918 (10)

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"hinter un8, und wir ſtehen ganz im 
und Papſt ſiegreich in die 
Arbeiter» Jugend | 
 
 
 
Rothenburg, Plönlein mit Sieberstlurm und Kobolzellerkor. | 
Bilder aus Rothenburg. 
ir waren in Würzburg zum ſozialdemokratiſchen Parteitag. 
Sieben Tage lang hatten wir zahlloſe Reden gehört, 
lagen Berge von Leſeſtoff vor uns aufgetürmt, waren 
Beſchlüſſe über Vergangenheit und Zufunft der Partei von uns 
verlangt worden. Nun waren zum guten Ende die Hochrufe auf 
die deutſche Sozialdemokratie durc<; den Saal gebrauſt, trußigq und 
bofinungsfroh war das Arbäüiterlied „Wohlan, wer Recht und 
Wahrheit achtet . . .“ verklungen, und wir ſtanden unter den 
herbſtlichen Bänmen am Main und holten tief und lange Ate. 
Wenn uns jekt der Schnellzug heimwärts trug, fo galt wieder der 
Zukunft, in die der Parteitag weit hineingewieſen hatte, unſere 
Arbeit, WeShalb nicht zuvor int alten Frankenland ein paar 
Tage lang den Spuren der Bergangenheit folgen? Mainauſ- 
wärts liegt manches nnttelalterliche Neſt, an deſſen Manern die 
Stürme geſchienter „Mnttor und ihrer Wannen zerſchellten, lieat 
manches vergeſſene Dorf, deſſen Bau- 
zogen. Die Giebel und Erker, die Laufbrunnen 
und verwitterten Höfe, die Patrizierbauten und 
die Pfahlbürgerhäus<en, die jeßt ſo- trauliche 
Straßenbilder ſtellen, haben nicht nur prunkvolle 
Feſte der „kaiſerholden“ Stadt geſehen, ſondern. 
auch manche Tage erlebt, da die Sturmgloc>en 
von den Türmen dröhnten und die Männer der 
Stadt auf den Mauern verbluteten, bis jengend 
und mordend die feindlichen Hverhaufen in die 
Häuſer drangen. 
Aus faſt einem Jahrtauſend deuticher Stadt-' 
geſchichte rufen dieje Türme und Mauern Er- 
innerungen in uns wach. Vom elften bis zum 
vierzehnten Jahrhundert ſchwang ſich Nothenburg 
troß manchem Waffengang nach außen und man- 
dem Kampf um die Herrſchaft im Innern der 
Stadt zu anſehnlicher Macht empor. Dann ſeßte 
der Jahrhunderte währende Klaſſenkampf Der 
Bürger gegen den Adel, der Städte gegen die 
Burgen ein. Auch die Nothenburger machten 
nicht viel Federleſens. Sie hängten die adligen 
Wegelagerer und deren Spießgeſellen, wo ſie 
ihrer habhaft werden konnten, und zerſtörten in 
fühnem Handſtreich die Burg, wenn ſie das Raub- 
neſt zu überrumpeln wußten. Da fam manches 
Mal von den geſchädigten Junkern ein Fehde- 
brief wie diefer am: > . 
„Wiſſet, Bürgermeiſter und Rat und ganze Ge- 
incinde der Stadt Rotheburg auf dex Tauber, daß 
ich Euer Feind ſein will, um das Unrecht, daß Jöyr 
meiner Hauisfratven und mir getamw habt an unſerm Teil, das Schloß 
zu Tannenberg und will ich mein Ehr an ccuch bewahrt haben. Un:cr 
meinem Juſiegel am Dienstag nach Sonntag Cantate 1411.“ 
Auf lange hinaus ſc<lug man ſich dann im weiten Umkreis 
tot und zu Krüppeln. Die edlen Nitter ließen die etiva gefangenen 
Rothenburger in ihron Burgverließen bei lebendigem Leibe ver- 
faulen, die Rothenburger aber machten die in ihre Gewalt ge- 
rafenen Feinde um einen Kopf kürzer. Vor dem Galgentor, da3 
wir jeßt friedlich betrachten, hat mancher Ritter mit ſeinem Knecht 
unter deimt Beil des Scharfrichters jeinen Leiten, angſtvollen 
Schnauſer getan, - Schlunmer noch ging es den Rothenburgern, 
die ſich zum Verrat ihrer eigenen Stadt an die Nitter beſtechen 
ließen. Drüben im Faulturm, in dem wohl auch damals ſchon- 
Eulen und Dohlen hauſten, wurden ſie zuu Tod gemartert. Die 
ſtarken Mauern des Turms ſind verſchwiegen, Anch) das finſtere 
den Erzählun- 
Leute jet noch geſpenſtern ſoll, war nanchem 
der leite, unfreiwillige Aufenthalt. 
Vorließ unter deim alten Rathaus, in deim es nach d 
aen glaunbenstytarfer 
 
ern Anno 1525 mit Spießen, 'Dreſch- 
ilegeln und Miſtgadeln ihren kirch- 
lichen und weltlichen Unterdrücfern zu 
Verbe rückten. Im Taubergrund aber, 
nahe der Grenze Württemberg3, lo>t 
„das Schaßzkäſtlein deutſcher Vergan- 
genheit“, Nothenburg ob der Taunvber. 
Von Steinach an der Aiſch bringt 
uns eine Bahn in langer und lang- 
jamer Fahrt zum Ziel. Wer, roman- 
tiſcher Phantaſien voll, vom Bahnhof 
zum Städt<en geht, kann leicht ſich - 
fragen, ob er nicht etiva an einer ver- 
kehrten Station ausgeſtiegen ſei, denn 
von dieſer Seite gleicht Rothenburg - 
eher einem aufblühenden Induſtrieort 
als der vielgerühmten, zinnenreichen, 
alten deutſchen Stadt. Hat man aber 
das Röder Tor mit ſeiner Baſtei durcch- 
ſchritten, ſo verſinkt die Neuzeit mit 
ihren Fabrikſchloten und Villenbauten 
 
Bann der einſtigen freien Neichsöſtadt 
des heiligen römiſchen R eiches denticher 
Nation. Sie träunt noh immer hanter 
hohen Mauern mit ſech8 ragenden 
Burgtortürmen, an: denen Jahrhun- 
derte gebaut haben, von ſtolzen, ver- 
gangenen - Tagen. Ueber die Straßen | 
mit holprigem Pflaſter ſind ſeit Nudolf |V 
von Hab38burgs : Zeiten viele deutſche 
Kallex. und „ihre Heerführer zu ge- 
ichichtlichen. Tagungen geritten, aber 
auß manche 'Rebellen gegen Kaiſer 
Stadt ge 
 
Rotheüburg; Kovoizeilerkor, 
Dort iſt im Jahre 1408 neben armen 
S> jächern aud) der reichſte und mäch- 
tigite Bürgernteiſter der Stadt, 5 Topler , 
verſc<hmachtet, weil or c3 mit ſeinen 
Klaſſengenoſſen aus dem Patriziat 
verdorben hatte. Sein Schlößc<en, ein 
eigenartiger ; Turmbau, ſteht jeßt noch 
drunten im Taubergrund. 
Die Patrizier, eine Netihe von alk- 
eingeſeſſenen, reichgewordenen Gc- 
ſc<hlechtern, waren im Mittelalter die 
h&rrſchende Klaſſe an Nothenburg, Sie 
jaßen im ſtädtiſchen Nat, ſie nußten 
alle Vorrechte aus, bi8 die erſtarkte 
Handwerkerklaſſe ſich zu einer Stadt- 
- revolution erhob. Die vornehmſten 
- Rat38herren flogen in8 unterirdiſche 
Verließ, und auf den oberſten Rats8- 
bänken nahmen die Vorkämpfer der 
- unterdrückten Klaſſe Plaß: „der hin- 
kende Engelhardt Spieß“, Färber und 
Steinmetzen, Tuchmacher und Zimmer- 
- leute, Sdloſſer und Schneider. Der 
“"„Umſturzg bewirkte eine Deumofrati- 
. ſierung Ser Stadtverfaſſung. Hand- 
. Werfer kamen in den äußeren und in 
-.den inneren Rat. Manches Patrizier- 
.. geſchlecht wollte ſic) von ihnen nicht 
* regieren (öffen und ſchüttelte den 
- Staub ider (Stadt von den /FÜßeir. 
-' Die klügeren jedoch blieben da 'und 
?-verſtanden es denn auch richtig? den 
Handwerkern die- eroberte Gleich- 
“berechtigumg allmählich" wieder Wweit- 
gebend einzuſchränfen. Aus. den 

	        
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