Arbeiter» Jugend
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omni n mn) um
ausgehenden Antike, wie wenn ein gütiges Schi>ſal jhüßende
Nebel über die leuchtenden Inſeln gebreitet hätte, die einem
beſiegten Volk die lezte Zuflucht bieten ſollten. Erſt neun Jahr-
hunderte ſpäter tauchen ſie auf der Karte von Saint Sever und
auf der de3 Mauren Edriſi (1154), der auch ſchon von ho < -
gewachſenen, hellhäutigen und blondhaarigen
Bewohnern der Kanariſchen Inſoln zu erzählen weiß, wieder auf,
um endlich zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts durc eine
italieniſche Expedition von neuem entdeckt und bald 'darauf neu
benannt zu werden.
Wirklich: die „wiedergefundenen JInjeln“
die „glücklichen“. Die Jdylle eines weltvergeſſenen Jahrtanjends,
die ihre Bevölkerung, das Volk der Vand--ſchen, wie es ſich
ſelbſt nannte, unter ihrem Fürſten, den Artemen, eine Be-
zeichnung, die lei<t aus dem altvandaliſchen „Aſeling“ entſtanden
jein mag, durc<koſten durfte, war vorbei. (Shluß folgt.)
Sir
Was wir uns erwandern wollen.
elle Augen, frohe Herzen und friſcher Lebensmut! Mit dieſen
wenigen Worten wäre ſchon alles geſagt. Ueber das „was“ wären
wir ſomit beruhigt, aber „wie“ dies ertwwandern, :da3 iſt Ichon be-
veutend ſchwerer zu ſagen.
Wie mancher von uns Aelteren denkt nicht wehmütig an ſeine Lehr-
zeit zurü&., AuS grauen Häuſern der Armeleuteviertel durch engt
Straßen tagein, tagaus hinein in die ſtaubige lärmende Werkſtatt. Auf
vem ganzen Wege nur wenige Baumkrüppel und kaum, daß man den
Wechſel von Frühling, Sommer, Herbſt und Winter empfand. Kälte
ind Wärme, Regen und Schnee, Staub und Matſch waren unſere
Jahvreszeitmeſſer. Hervorbrechende Knoſpen, grünende Buchenwälder,
blühende Felder, farbenflammende Herbſjtlandſchaften =- was wußten
wir von ihnen? Wir kamen ja nur zwei-, dreimal im Jahre hinaus
und damn höchſtens bis zu den an der Peripherie der Großſtadt lic=
genden Vororten. Hatten dabei aber die große Sehnſucht in unſeren
Sinnen und wußten nicht, wohin ſie drängte.
Heute iſt ein gang neue8 HinauSzichen, ein Wandern entſtanden.
Ganze Wirtſchaft33weige hat es wahgerufen. Man denke nur an die
Wanderausrüſtung8-Imduſtrie, die Muſifinfſtrumenten«- und BWege-
farten=, ſowie Wanderbücher-Handlungen. Ucberall prägt ſich: die Wan-
dverbewegung in den Auslagen der Geſchäfte aus. Ja, vor dem Kriege
haben alle Verkehr35unternehmungen nit einem recht beträchtlichen Konto
vie Wanderbeivegung auf ihre Rechnung geſtellt. Jede38 Ding hat ſeine
Urſache. Das plößliche Aufſchnellen des Wandern5 war eben der lang
geſuchte Au8weg aus dem zermürbenden Grau der verſteinerten Heimat.
Dazu fam das Gefühl des ſich frei und ungedrillt wähnenden Groß-
Städter38, der endlich einmal den käfigenden Augen der Polizei ſich ent-
rüc>t fühlte, - Daher die begeiſterte Einſtimmung in den Ruf: „Hinaus
ins Freie!" Weld)' tiefer Sinn von langer unterdrü>ter Sehnſucht
ſtvömt ſchon aus dieſem Ruf! Das ganze tiefe Wollen des innerlichen
Selbſtbefreiens, des Wachſenwollen8, liegt in ihm verborgen. Hat nun
die große Wanderbeivegung aus dieſer Tiefe geſchöpft? Leider nein!
Wir ſind im Durchſchnitt noc< ebenſo große gedankenloſe Durchläufer
wie vor Jahren .
Auch hier heißt es einmal den Urſachen nachſpüren.
Wir Menſchen und vor allem wir Großſtädter ſind nod) viel zu
große Schriftgelehrte. Unſex Schriftgelehrtentum hat uns ja ſo tief in
eine Welt von Papier und Druderſchwärze, von Reden und Scriften
hineingeführt, daß wir jede andere Ausdrueks3vermittlung als komiſch
empfinden, Ja, ſo ulkig kommt den meiſten Menſchen jede andere Mei-
nungsübertragung vor, daß ſie hell auflachen . , . : Wir brauchen unſere
lieben Mitmenſchen nur einmal au beobachten, 'wenn ſich zwei Taubs-
- ſtumme unterhalten.
'Wie arm aber unſere Worte, unſere Schriften und Bücher ſind,
werden wir gleich ſehen. Es möge einer nur verſuchen, einen Sonnen-
untergang zu beſchreiben; mit all ſeinen redneriſchen Begabungen vollex
Begeiſterung die Farbenharmonien ſchildern. Von 100 Zuhörern werden
vielleicht 99 jubelnd zuſtimmen, der hundertſte aber, ein Blinder, wird
den ganzen Begeiſterungstrubel nicht verſtehen. Den 99 iſt ein ge-
ſchautes Bild vor Augen aufgeſtiegen, der Blinde hat nicht ſolch' Bild,
ihn: mögen die ganzen begeiſterten Schilderungen auch nicht die Spur
von dem Schönheitsempfinden der 99 geben. Braucht es wohl noc mehr
Beweiskraft zu der Behauptung, daß nicht' die Worte des Redenden, nicht
die Schriftzeichen der Buchſtaben dieſe innexlich erhebenden Bilder ents-
ſtehen laſſen, ſondern daß dies nur der Anſtoß iſt zum innerlichen
E<hauen? Jſt es wohl zu viel behauptet, wenn. wir ſagen: Wer nach
«ußen zu ſehen verſteht, kann auch viel xeicher innerlich ſchauen. .
In einem kleinen Kreiſe nehmt .ein ſchönes RLandſchaft3bild zUL
Hand,
de>ten mit allex Guch zu Gebote ſtehenden Redekunſt in den Sinnen
Guver Zuhörer. hervorzugaubern, - Dann zeigt das Bild,
waren nicht mehr
Laßt e3 keinem ſehen und verſucht nun ein Bild von dem Vex= -
Keiner im
Kreiſe hat dies Bild im Geiſte vor Augen geſehen. Jeder machte ſich
eine andere Vorſtellung und zwar nac< Außenbildern, die er irgendwann
geſehen hatte. So geht's auch mit allen Natur- und Wanderſchilderungen.
Hermann Löns! Welc<hem Wanderer ſchießt's bei dieſem Namen nicht
in den Sinn: Ja, der kann unſere Heimat lebendig werden laſſen. Ja,
er fonnte e3, nur wir können es nicht. Von 1000 Lön3-Verehrern haben
höchſtens 1 Dußend ihn erlebt, die anderen haben ihn nur geleſen,
kennen ihn nur zwiſchen Papier= und Druckerſchwärze, und ſeine tiefſten
Schilderungen ſind für ſie Sonnenuntergangsbeſchreibungen für Blinde,
Cin hartes Wort, leider iſt es durch eigene Erfahrungen ſo hart gewor-
den! Oder habt Jhr ſchon früh. von 3---7 mit naſſem Hoſenboden hin-
term Birkhahn gepirſcht und ſchließlich im Nebel eine Zwergkiefer für
Birkhahn bewundert? Habt Jhr all' die Laute und Töne de3 Waldes
Icon vernommen, und wenn, habt Jhr ſie dann auch gefühlt? Iſt all'
die Liebe, Not, Tod, Grauſamkeit, Jubel, Haß und Freude auf Cuch
cingedrungen und von der Urgetvalt zu einer einzigen Harmonie des
Lebens verſchmolzen? Ein Dichter ſagte, wenn einer zu Holze zieht,
dann ſieht er den Wald, ſind es ihrer Viele, dann ſehen ſie nur Bäume.
Viel mehr als wir ahnen ijt das Sprichwort: „Er ſieht den Wald vor
Bäumen nicht!" ein wahres Wort!
Weil wir nun einmal beim: Walde ſind, laßt un3 auch gleich ein
wenig bei ſeinen Bewohnern verweilen. Naturſchuß! Heimatſchuß!
Wer will mithelfen? Von allen Seiten kommen ſie. Der eine ſammelt
(Gelder für den Naturſchußpark, der zweite vertreibt Poſtkarten und Sie-
gelmarken, ein Dritter wirbt neue Mitglieder, denn unſere Heimat muß
doch ſpäteren Geſchlechtern erhalten bleiben. Gotwiß iſt dieſer Ausdruck
der Heimatliebe groß und ſchön, aber die Hauptenergie dröht wieder in
die Welt des Papiers und der Buchſtaben hineinzutreiben. Hundert-
tauſende mag einer für den Zwe> opfern, verſteht er nicht naturſchüßend
zu wandern, dann hat die ganze Geſchichte keinen Zwe>! Darum wenden
wir uns an viejenigen, die keine Hunderttauſende, aber ein viel, viel“
größeres Gut für den Naturſchuß einbringen können.
Sekt Eu am einſamen Hang auf einen Baumſtubben.
rihig, was da kommen ſoll. Bald regt :c8 ſih an allen EFen. Fn den
Fichten gurrt der Tauber. Wer hat's ſchon einmal geſehen? Dex
Schwarzſpecht kommt in großen Bogenfluchten. Gleich iſt er auch beim
Späncmachen. Vielleicht kommt auch der Fuchs aus dem Dikicht und
gibt ſich ganz arglos ſeinem Treiben hin. Mit einemmale ſtiebt die ganze
Geſellſi<haft auf und davon . . . Wir ſchauen uns die Augen bald auS.
Nichts zu ſehen. Nach einigen Minuten hören wir e3 dann auch, Ein
Wandertrupp! Und wenn tir dann ſtill und unbeobachtet liegen, dann
fann es uns gehen, wie ich es tatſächlich erlebte: Daß dieſe Wander3-
leut ganz mordmäßig ſchimpften über ein eingezäuntes Stückchen. „Eine
Schweinerei“ wäre es. „Viel mehr müßte für den Naturſchuß getan
werden.“ „Den Zaun ſollte man kurz und klein ſchlagen uſw.“ Hinter
dem gleichen Zaun aber waren Fuchs und Schwarzſpecht vor den „Natur-
jchübern“ geflüchtet . Man muß aus ſtillem Winkel beobachtet haben,
wie Reh und Haſe geheßt von Holz zu Holz ſpringen vom „Haaaläpp!“
gedankfenloſer Wanderer getrieben, um endlidh dahinter zu kommen, wie
man wandern muß. Wer jahrelang ein Stü> Heimat beobachtet hat,
der weiß ein ſchändlich Lied zu ſingen von papiernem und lebendigem
Naturſchuß. Dann ſind die wütenden BliXe manc<he8 Jagdhegers und
Förſters nur zu verſtändlich, wenn dieſe einem Wandertrupp im Walde
begegnen, denn „folche“ waren es, die ihm ſeine jahrelangen Wildgehege
an einem Sonntag in alle Winde blieſen, „ſol<e“ waren cs3, die die
neuen EGinbürgerungsverſuche feiner weither bezogenen Fremdlinge
föpften, weil ſie fo komiſch ausfahen. Vom Waldbrand wollen wir gar
wicht erſt reden.
Gin wenig, glaube ih, ſind wir dem Evrwandern ſchon näher ge-
fommen. Nun gilt es auch die Nußanwendung hieraus zu ziehen. Gine
Beſchäftigung mit einer Sache, ein Hineinarbeiten muß auch einen End»-
zwed> für unſer alltägliches perſönliches Leben haben, ſonſt iſt die ganze
Geſchichte eine zeitvergeudende Spielerei. Gerade dieſen Endzweck für
unſer perſönliches Leben wollen wir uns in der ausgeführten Betätigung
erwandern, Bisher haben wir aufgenommen, Bilder und EGindrü>e ge-
ſammelt. Um ſie zu ſammeln aber mußten wir verweilen, Das leben-
dige fließende Leben in der Natur iſt jekt in unzähligen Bildern in uns
aufgeſpeichert und kehren wir jekt in die Stadt, dann ziehen wir gegen-
über unſeren Mitmenſchen keine papiernen Bucdſiabenvergleiche, wir
haben den viel ſchöneren Maßſtab des lebendigen, flickenden Leben.
Aber auch an der grauen Stadt legen wir den fließenden Maßſtab an
und unſere Tretpfade des Alltags werden von Sonnenfäden üÜber- .
ſponnen, weil wir mit reichen, inneren Lebenö3bildern auch verweilen
lexnen. Selbſt das ſcheinbar Nüchternſte und Kalte bekommt einen Hauch
vom Lebensfriſche.
Inbeiden Fäuſten halten undmeiſiernwir dieſes
friſche, pulſierende Leben, da38 wir un? erwandert
haben. Helle Augen, frohe Herzen und friſchen Le- '
ben3mut: Wir haben ſie und halten ſie feſt. Kein
Gottund Teufel kann ſie raube n! .
Carl Duve, Hamburg.
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